Karin Rabhansl über den Ritt des Lebens. Das große Interview zum neuen Album
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Seit nunmehr elf Jahren ist Karin Rabhansl als Musikerin aktiv. Die Pandemie hat sie gut überstanden, die Finger sind für die anstehende Tour wundgeprobt und mit „Rodeo“ hat sie nun ihr fünftes Album am Start. Beste Voraussetzungen also, curt Rede und Antwort zu stehen. Das Interview führte Tommy Wurm.
TOMMY: Hi, Karin. Du stehst kurz vor dem Release deines neuen Albums. Wie geht es dir?
KARIN RABHANSL: Viel zu tun gerade. Aber große Vorfreude auf alles, was kommt. Im Moment kursieren fünf verschiedene Setlisten für die Tour. Mal schauen, welche es wird.
Das Album trägt den Titel “Rodeo“. Gibt es dazu eine Geschichte?
Es ist kein Konzeptalbum, aber man kann schon einen roten Faden finden. In den 13 Liedern auf „Rodeo“ geht es um den Ritt des Lebens – mal gemächlich, mal Parforce; mal fühlt man sich sicher und macht schön Strecke und dann gibt es wieder Phasen, in denen man sich gut festhalten muss, um nicht abgeworfen zu werden. Ende November 2020 saß ich alleine im Proberaum und klampfte auf der schönen schwarzen Tele von meinem Gitarristen Joschi herum. Plötzlich fiel mir das Rodeo-Riff ein und ich hatte sofort Bilder von staubigen Western und Cowboys im Kopf. Großen Einfluss auf das Lied hatten auch die Filme „Dallas Buyers Club“, „The Rider“ von Chloé Zhao und eine Prise der Verliererromantik aus „The Wrestler“. Rodeo fällt im Vergleich zu den anderen Liedern auf dem Album aus dem Rahmen. So etwas habe ich vorher noch nie geschrieben. Deshalb war irgendwann auch klar, dass „Rodeo“ der Albumtitel wird.
Da ist 80er-Jahre-Rock, aber auch Anleihen aus der NDW und natürlich viel Blues, der in seinen besten Momenten an Arctic Monkeys erinnert. Schlagen so viele musikalische Herzen in deiner Brust?
Jawohl, es schlagen unfassbar viele musikalische Herzen in meiner Brust. Deshalb finde ich zum Beispiel das letzte St. Vincent Album „Daddy’s Home“ so großartig: weil es so vielfältig ist. Ein richtig schönes Konzeptalbum über die Entlassung ihres Vaters aus dem Gefängnis und über die Musik, die sie als Kind zusammen mit ihm gehört hat. Räudige Gitarrensoli, wabernde Beats, psychedelisches Geschrei … um dann Joni-Mitchell-mäßig auf der Urlaubsparty schon früh die Rotweinlippen zu haben. Ja, ich steh auf Zitate in der Kunst. Natürlich werde ich es nicht schaffen, das Rad neu zu erfinden. Deshalb: Warum sich nicht von den ganz Großen inspirieren lassen? Der bunte Stilmix kommt aber auch zum Teil durch die Band. Ich schreibe zwar alle Songs und alle Texte, aber das NDW-Keyboard in der ersten Single „Amor“ stammt beispielsweise von Julia Fischer.
Wo und mit wem hast du das Album aufgenommen und welchen Einfluss hat eine Produzentin bzw. ein Produzent auf das Ergebnis?
Die Demos habe ich knapp zwei Jahre lang allein im Proberaum zusammengeschustert. Als ich zufrieden und die Richtung der Songs klar war, habe ich sie der Band vorgespielt und wir haben alles zusammen arrangiert und die Vorproduktionen im Proberaum eingespielt. Mein Gitarrist Joschi Joachimsthaler ist da echt fit, was Aufnehmen und Mixen angeht. So hatten wir hervorragende Vorproduktionen von allen Songs und konnten noch mal daran feilen. So sind wir ziemlich perfekt vorbereitet im Audio Lodge Studio von Sven Peks in Gaibach eingeritten. Elf konzentrierte Tage im Studio und das Ding war im Kasten. Sven hat echt superkreative Ideen und hat den Liedern nochmal den letzten Schliff gegeben. „Er oder I“ oder „Vampyr“ wären ohne Sven nie so geworden, wie sie jetzt auf dem Album sind. Aber es ist definitiv eine Gesamtleistung der kompletten Band: Julia Fischer an den Keys, Joschi Joachimsthaler an der Gitarre und Simon Weber am Schlagzeug haben all ihr Herzblut in „Rodeo“ gesteckt. Wir hatten eine wunderschön harmonische und produktive Zeit im Studio, fast wie auf Klassenfahrt. Ich finde, das hört man.
Du springst von Song zu Song vom Dialekt zum Hochdeutschen. Warum bleibst du nicht bei einer „Sprache“?
Weil ich keine Lust habe. Ich will mich nicht einschränken. Niederbayerisch ist meine Muttersprache. Der Sprachfluss ist weich und fließend, fast wie im Englischen. Außerdem gibt’s wunderschöne Begriffe, die einfach großartig klingen. Die Geschichte vom „Schaufema“ würde auf hochdeutsch nullkommanull funktionieren. Solche bayerischen Sagengestalten haben etwas Mystisches, Dunkelbuntes und Derbes, das reizt mich.
Hochdeutsch ist härter, exakter und geradliniger. Ich finde, da kommt man schneller auf den Punkt und ist nicht so verführt, den Sprachfluss großartig auszuschmücken. Mal kommt ein hochdeutscher Song aus mir raus, mal ein niederbayerischer – ich habe das nie groß hinterfragt. Ähnlich wie bei den Musikgenres mag ich mich auch sprachlich nicht festlegen.
Ganz subjektiv verändert sich auch je nach Dialekt deine Art zu singen. Fällt nur mir das auf, oder ist das eine bewusste Entscheidung?
Witzig: Du bist der Erste, der das sagt. Ich habe schon öfter gehört, dass meine Stimme anscheinend anders klingt, wenn ich englisch singe. Keine Ahnung. Eine bewusste Entscheidung ist das jedenfalls nicht. Wie so oft, kommt bei mir ganz viel aus dem Bauch.
Hatte die lange Zeit der Pandemie einen Einfluss auf dich als Künstlerin?
Seit 2019 spiele ich Bass in meiner Band. In der Pandemie habe ich mir endlich einen Basslehrer gesucht – Grüße gehen raus an Jakob Winterstein! Ich kann mich echt nicht beschweren. Während Corona habe ich gemerkt, dass ich den Scheiß doch schon ganz schön lange mache. Viele Veranstalter, mit denen ich seit Jahren zusammenarbeite, haben mich plötzlich angerufen: „Karin, ich habe gestern eine Genehmigung von der Stadt bekommen – hast du Bock, übermorgen bei mir zu spielen?“ Da habe ich gemerkt, dass Menschen an mich denken, und das hat mich schon sehr gefreut. Auch, dass in meinem näheren Bekanntenkreis niemand abgeschwurbelt ist, fand ich sehr angenehm. Klar: Existenzängste und Respekt vor diesem bedrohlichen Virus waren da, aber bisher bin ich echt gut durchgekommen.
Was steht in naher Zukunft an?
Spielen, spielen, spielen! Ich übe gerade wie blöd, damit ich mich am 9. Februar bei meinem Heimspiel im Z-Bau nicht blamiere. Natürlich gibt es 2023 Konzerte mit der Karin Rabhansl Band, mit dem Duo Fischer&Rabe (Julia Fischer #nichtdiegeige und ich), mit der Punkband Pets, bei der ich Gitarre spiele, und natürlich auch nach wie vor solo.
Die weltpolitische Lage ist grauenhaft. Muss, kann oder darf die Kunst bzw. die Künstler:innen konkret Stellung beziehen?
Müssen tut man gar nichts. Ich persönlich tue mich schwer, Politisches in meine Lieder einfließen zu lassen. Meine Songs sind oft sozialkritisch. Wenn man versucht, weltpolitisch Stellung zu beziehen, zieht man sich schon große Schuhe an. Da warten Falltüren, denen fühle ich mich (noch) nicht gewachsen. PJ Harvey, die ich sehr verehre, hat ihr erstes politisches Album „Let England Shake“ mit 42 geschrieben, weil sie sich vorher als Texterin einfach noch nicht erfahren genug gefühlt hat.
Welche Ziele verfolgst du als Künstlerin? Bist du ambitioniert?
„Sie hat sich bemüht.“ – Nein, ich bin sehr glücklich darüber, was ich schon alles erreicht habe. Ich genieße komplette künstlerische Freiheit, bin meine eigene Chefin, habe eine hervorragende Band, ein tolles Netzwerk und darf großartige Konzerte und Festivals spielen. Von meinen Musikschülerinnen schreiben die ersten eigene Songs, spielen Konzerte und sind richtig gut – da bin ich als Lehrerin schon sehr stolz. Außerdem habe ich in meiner Wahlheimatstadt Nürnberg, in der ich mich sehr wohlfühle, inzwischen fast alle meine Lieblingsbühnen bespielt. Da fehlt eigentlich nur noch der KV (Kunstverein).
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Karin Rabhansl
kommt ursprünglich aus Hutthurm, hat in Dinkelsbühl an der Berufsfachschule für Musik ihren Abschluss als Sängerin und Gitarristin gemacht und veröffentlichte zwei Jahre danach, 2011, ihr erstes Album. Im selben Jahr zog sie nach Nürnberg. Seitdem ist sie in verschiedenen Projekten beteiligt: bei der Punkrockband Pets, dem Duo Fischer&Rabe und ihrer Solokarriere.
Ihr neues Album Rodeo wird am 09.02. im Z-Bau präsentiert.
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