Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan: Ein Nachmittag im Lamm

MITTWOCH, 1. FEBRUAR 2023, ERLANGEN

#Kino, #Kleine Ausflüge, #Lamm-Lichtspiele, #Matthias Egersdörfer, #Michael Jordan

Am späten Sonntagnachmittag, Mitte Januar des Jahres ´23, saßen an den Tischen im Café des Lammkinos einige Menschen und ließen bei Kaffee und Gesprächen auf angenehme Weise die Zeit vergehen. Michael Jordan zeichnete währenddessen am Ende des Ganges, der gesäumt ist von Filmplakaten in Vitrinen, das altehrwürdige Kassenhäuschen, in dem man die Karten für die Filmvorführungen in den beiden Sälen erwerben kann, nebst Getränken und süßen oder wahlweise salzigen Snacks. Ich hatte mich an einem großzügigen Holztisch im angenehmen Licht niedergelassen und stellte Elisa Coburger und Peter Zwingmann, den beiden Betreibern des Lamm-Kinos, einige Fragen.

Angenehm duftete der Espresso zwischen Worten und Blicken. Ich mochte wissen, welchen Film sie gesehen haben, als sie das erste Mal in ihrem Leben im Kino gewesen sind. Peter konnte sich nicht mehr genau erinnern. Ob es da um irgendwelche Rehe ging oder irgendetwas anderes, konnte er nicht mehr sagen. Aber woran er sich immer noch genau erinnerte, war „Der Duft der gelben Papaya“. Da muss er ungefähr siebzehn Jahre alt gewesen sein. Elisa antwortete: „Arielle, die Meerjungfrau“. Ich fragte, ob sie damals schon wusste, dass sie einmal ein Kino betreiben möchte. Sie lachte. „Das wusste ich noch nicht einmal mit Anfang 20. Ich glaube auch, das wissen die wenigsten, weil alle Kinobetreiber eigentlich reinrutschen in diesen Beruf.“

Elisa hatte BWL studiert bis zum Vordiplom. Sie wollte eigentlich Vorstandsvorsitzende von BMW werden. Als Werkstudentin bei Siemens merkte sie, dass ihr die Betriebswirtschaft doch zu dogmatisch war. Peter Zwingmann ist ausgebildeter Elektriker und Sozialpädagoge. Während seines Studiums musste er ein Praktikum absolvieren. Es gab unter anderem die Möglichkeit, in einem Jugendzentrum zu arbeiten oder sich im Nürnberger Komm-Kino zu engagieren. „Und dann sagte ich mir: „Da bin ich dabei. Kino finde ich auf jeden Fall spannender, als am Abend im Jugendzentrum zu kickern.“ Peter war hauptsächlich für Technik und Layout zuständig und lernte, was es bedeutet, ein Kinoprogramm zu erstellen. Er blieb im Komm auch über die Zeit des Praktikums hinaus. Am Ende des Studiums stellte sich wieder die Frage, wie es weitergehen sollte. Wieder blieben dieselben Möglichkeiten: Kickern oder Kino.

Im Komm-Kino hatte er den filmversessenen Thomas Susemihl kennengelernt. Beide mieteten das lehrstehende Lamm-Kino in der Zeit, als alle kleineren Kinos in Erlangen zugemacht wurden und überall im Land die Multiplex-Kinos aus dem Boden sprossen. Peter und Thomas sahen das neue „Lamm“ als Mischung aus Komm-Kino und Programmkino. Außerdem sollten an ein oder zwei Tagen in der Woche die Originalfassungen von ein paar Hollywoodfilmen gezeigt werden. Die Rechnung ging nicht auf. Oft saßen die beiden mit nur wenigen Gästen bis spät in die Nacht. Zwingmann nannte den Zustand nach einigen Monaten im Rückblick „mental angeschlagen“. Susemihl stieg aus. Peter machte alleine weiter. Aus dem Lamm wird ein Programmkino. Im Jahre 2007 kommt das Manhattan-Kino dazu.

„Als er das Manhattan angeboten bekommen hat, hat er jemanden für die Gastro gesucht“, sagt Elisa. „Da war mir aber klar, dass mir das nicht reicht für ein zufriedenes Dasein. Ich habe gesagt, ich mache mit, aber nur, wenn wir alles halb-halb machen.“ „Streitet ihr da eigentlich manchmal wegen solcher Themen wie Film-Auswahl oder sowas?“, frage ich. „Wir streiten eigentlich permanent“, gibt Elisa zur Antwort und grinst. „Also auch über solche Themen wie Film-Auswahl. Zu Manhattan-Zeiten musste man nicht streiten, denn da hatten wir sowieso zu viele Säle. Da konnte man einfach machen, was man wollte. Jetzt ist es schon so, dass wir uns beschränken müssen. Und öfter haben wir auch einmal verschiedene Ansichten. Ich bin immer der Meinung, dass ich jünger bin und mehr am Puls der Zeit als er. Aber wir kriegen es eigentlich auch immer irgendwie hin. Ich würde sagen, wir beide haben eine ähnliche Trefferquote. Interessanterweise war es so, als ich den Peter schon kannte und hier nur so ein bisschen hinein geschnuppert habe und selbst noch nicht so tief in dem Business drin gewesen bin, dass ich da besser Filme einschätzen konnte als jetzt. Ich hatte da eine Trefferquote von 95 bis 98 % bei der Beurteilung, ob ein Film erfolgreich wird oder nicht. Irgendwann, wenn man zu lange in dem Geschäft ist und alles weiß, bei welchem Verleih der Film zum Beispiel ist usw... da ist man dann verblendet. Man hat dann zu viele Details, die man kennt, um überhaupt noch einschätzen zu können, ob ein Film läuft.“

Peter vergleicht das Kino-Geschäft mit einem Poker-Spiel. Mit guten Karten könne man zwar auch verlieren, aber meistens gewinne man damit. „Und wir haben viele Chancen im Jahr. Jede Woche ein neuer Film“, sagt Peter und zwinkert verschmitzt. Das Risiko ist nicht so hoch wie beispielsweise beim Verleiher, der nur wenige Filmprodukte im Jahr herausbringt. Seit zwei Jahren läuft neben dem Hauptprogramm Freitag und Samstag die „Lammkeule“. Filmbeginn nach 22 Uhr. „Die ideale Alternative zum Saufen“, erklärt Zwingmann. Den Titel der Reihe hat sich Elisa ausgedacht. Hier laufen andere Filme, die nicht ruhig plätschern, sondern den Zuschauer fordern. Peter zeigt hier Werke für Zuschauer, die einmal „etwas anderes“ sehen wollen. Plötzlich nehme ich den stillen Jordan hinter mir wahr. Er zeichnet hinter meinem Rücken in dem belebten Lokal.

„Alle zehn Jahre muss etwas passieren“, postuliert Zwingmann. Elisa und er haben den Bau eines neuen Kinos in Erlangen geplant, mit Freiluftkino auf dem Dach und einem Saal. Peter bezeichnet die Bemühungen als einen ewigen Hürdenlauf im Kreis, in dessen Verlauf immer wieder neue Hürden dazu kämen. Das Ziel ist gefasst. Jetzt muss man nur mit den Zuschauerzahlen noch dort hinkommen, wo man sich einmal vor Corona befunden hatte. Während unseres Gesprächs lag im Arm von Elisa die sanft schlummernde Tochter Alma, die im Dezember des letzten Jahres geboren wurde. Elisa erklärt mir: „Nächstes Jahr wird Alma schon Tickets scannen beim Open-Air-Kino in der Bleiche und übernächstes Jahr macht sie dann Abitur.“ Ich bestelle mir daraufhin erst einmal ein gutes Bier und Michael Jordan trinkt ein Glas Rotwein.

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Matthias Egersdörfer     
Michael Jordan     

Der Egersdörfer und Michael Jordan machen gelegentlich gemeinsame Ausflüge. Dann zeichnet der Jordan den Teil der Welt, den er von seinem Platz aus sehen kann. Der Egers schreibt, was er erblickt.

Egis Termine in Februar/März     
16.02. „Nachrichten aus dem Hinterhaus“ in der Comödie in Fürth //
01.03. Egers und Schleindl zeigen Filme / Filmhaus Nbg

Michael Jordan
In seiner Galerie: Eine Serie von laufenden Serien mit der neuen Ausstellung Anja Korherr und Edda Strobl – serielle Zeichnung, Comic und Malerei, aktuell in Arbeit – feat. Amatus Steinhauser – Stickerei. Die Künstler stammen aus Österreich.
Vernissage: Freitag, 10.02., 17 Uhr. Ausstellung bis 31.03.
ÖZ: Do–Fr 17–20 Uhr, Sa + So 15 –18 Uhr.
Galerie Ex-Pfeiffer, Hauptstr. 52, Erlangen.
Insta: @galerieexpfeiffer




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AKADEMIE DER BILDENDEN KüNSTE. Text Matthias Egersdörfer

Der Moll war ein sehr langsamer Mensch. Er fuhr zum Beispiel mit einer kaum vorstellbaren Geschwindigkeit Fahrrad. Wäre er auch nur eine Kleinigkeit langsamer gefahren, wäre er schlichtweg umgefallen. Sah man den Philipp zum Beispiel von der Weite aus auf seinem alten Holland-Rad, musste man annehmen, dass er völlig reglos darauf saß und sich nicht bewegte. Auf der anderen Seite verfügte der Moll über eine blitzschnelle Auffassungsgabe. Jahrelang waren wir gemeinsam zum Christlichen Verein Junger Menschen hinmarschiert und hatten mit schier unermesslichem Übermut die Bibel bis knapp zum Irrsinn zerdeutet, hernach in herzlicher Zugewandheit mit den anderen Christenknaben bis zum Ohrenglühen gerauft und auch ansonsten keinen evangelischen Blödsinn ausgelassen. Dann, von einem Tag auf den anderen, war der Philipp nicht mehr hingegangen. Hat wortlos die Kündigung eingereicht. In Ewigkeit. Amen. Aus die Maus. Ich habe es am Anfang nicht begriffen. Es hat einige Zeit gebraucht. Das holdselige Himmelreich hatte seine Grenzen, von engstirnigen Glaubensbeamten errichtet. Da konnte man sich sauber daran derrennen. Und zum Müffeln hat es allenthalben auch schon angefangen gehabt. Junge Männer waren dazu gekommen, die sich für etwas besseres hielten, und vorbei war es mit unserem klassenlosen Bubenclub. Der Moll hatte einen Riecher. Dann hat er sich verzupft. Ohne Getu. Ohne Spektakel und großes Reden. Ich habe länger dazu gebraucht, das zu begreifen.
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HERSBRUCK. Bahnhof FÜRTH

Auf der blauen Himmelsleinwand über dem sandsteinernen Bahnhofsgebäude wurde ein Pinsel mit weißer Tünche immer wieder über die ganze Fläche abgestreift, um die Farbe aus den Borsten zu bekommen. Daneben im grauen Hochhausklotz glotzten die hundert schmalen Fensteraugen in müder Verschlagenheit. Auf den Bahnsteigen hingen blau gerahmte Displays in der Luft und zeigten den Reisenden die nächsten und übernächsten Anschlüsse hin zu anderen Bahnsteigen. Ein Mädchen mit weißen Steinchen im Ohr bewegte die kreidebleichen Turnschuhe mit ihren munter wiegenden Füßen und sprach und lachte mit einer Person an einem anderen Ort. Sanft griff sie in eine lange Strähne und zwirbelte das blonde Haar. Der Mann daneben löste seine Maske vom Ohr und trank vorsichtig aus der Mineralwasserflasche. Ein anderer hielt sich fast klammernd am Riemen der Tasche.

Eine Bahn fuhr heran. Seine Beine liefen zu den sich öffnenden Türen. Er verschwand. Die Türen schlossen sich. Die Bahn fuhr davon. Eine Frau mit gradem schwarzen Scheitel ließ eine Tasche unter dem Hintern nach vorne und hinten baumeln. Sie trug noch einen Beutel über der Brust und einen Rucksack am Rücken, als wolle sie sich von allen Seiten beschweren, um der Gefahr zu entgehen davonzufliegen wie der fliegende Robert. Dann pfiff hinten eine braune Lok, die sogleich geschäftig vorbeirollte, als habe sie im Lotto gewonnen. Dem geduldigen Postgebäude zur linken war ein Lederdach aufgesetzt worden. Wie braune Kappen auf den Köpfen von Knechten die im Viereck, Schulter an Schulter stumpf mit gestrecktem Rücken nebeneinender harren, stand es da und wartete auf Befehle. Direkt davor hatte man schwarze und gelbe Tonnen in einen engmaschigen Zwinger gesperrt. Die Quer- und Längsverstrebungen eines grünen Metallmasten überkreuzten sich im Blick darauf. Mit einer daran befestigten grauen Stangenkonstruktion wurde die elektrische Oberleitung recht aufwendig in die Luft gehalten. Weiße parallele Streifen flankierten im Sonnenlicht die Bahnsteigkante. Der Kabarettist stieg in die nächste Bahn nach Hersbruck ein und setzte sich zum Grafiker, der schon  im Waggon saß.
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