Das Gostner Hoftheater im Interview: Mehr als nur Money Job
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Das Gostner Hoftheater kommt frisch aus der Pandemie, wie wir alle – und muss direkt eine neue Kraft einarbeiten, in leitender Position. Zum 1. Januar übernahm Silke Würzberger die Geschäftsführung von Isabelle Pyka. Wobei "neue Kraft" natürlich relativ ist: Silke kennt das Haus seit vielen Jahren sehr gut. Andi traf die Chefin und ihre rechte und linke Hand: Laurent Gröflin, künstlerischer Leiter, und Christine Haas, Chefdramaturgin.
CURT: Silke, ich weiß ja, du bist dem Gostner schon lange verbunden. Wie bist du denn ursprünglich zum Theater gekommen und infiziert worden?
SILKE: Ich wusste nicht so richtig, was ich studieren soll, und dachte mir: irgendwas mit Literatur. Aber dann habe ich so schlechte Dinge über Germanistik gehört, und da habe ich mir gedacht, mache ich lieber Theater- und Medienwissenschaften und noch Pädagogik dazu. Im Rahmen des Studiums muss man ein Pflichtpraktikum machen und ich habe einfach mal hier angefragt. Die Antwort von Radi (Joachim Rader) war: Äh, ja, komm doch morgen! Also kam ich morgen und war dann erstmal Praktikantin im Büro. Zu der Zeit gab es eine Produktion der Lumpenbrüder, „Quo vadis, Gostenhof“, das war eine Stückentwicklung hier im Stadtteil. Und da ist eine Regieassistenz abgesprungen, und deswegen war ich dann plötzlich Regieassistentin. Seitdem war ich mit freiberuflichen Aufträgen immer wieder hier. Irgendwann hieß es dann: So, jetzt mach doch mal was Eigenes, dann habe ich was Eigenes gemacht.
Was war das erste Eigene?
S: „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller. Ein super heftiges Stück, wo am Ende auch einer umgebracht wird. Damit habe ich mich auch ein wenig übernommen. Irgendwann kam noch die Theaterpädagogik dazu, also die Jugendkurse. Und so hat sich das entwickelt.
Hättest du dir damals vorstellen können, irgendwann in dieser Leitungsposition angestellt zu sein?
S: Das war eigentlich nie ein Thema. Und tatsächlich wurde es das erst jetzt, ungefähr ein halbes Jahr bevor überhaupt klar wurde, dass diese Stelle frei wird. Ich habe mich selbst zu der Zeit gefragt: Hey, wohin geht es bei mir? Irgendwie brauchte ich eine Veränderung, die Prioritäten haben sich so verschoben, die Bedürfnisse sind andere als noch vor zehn Jahren. Und deswegen war für mich klar, dass ich eben überhaupt erst mal eine feste Stelle suchen und finden will. Da kam zum ersten Mal die Idee auf, vom aktiven Machen eher ins Ermöglichen zu gehen. Als ich diese Entscheidung für mich getroffen hatte, kam plötzlich die Info, dass Isabelle aufhört.
Wie habt ihr, Laurent, Christine, diesen Übergang erlebt, oder wie groß war der Schock, dass Isabelle nach Köln geht?
CHRISTINE: Nicht groß, wir hatten mehr Vorlauf als von außen sichtbar. Isabelle hatte vor anderthalb Jahren schon angekünddigt, dass sie sich für 2023 was Neues wünscht. Sie war fast zehn Jahre hier, es ist Zeit für etwas Neues.
LAURENT: Köln war dann nur noch der Job, für den sie sich entschieden hat.
Möchtet ihr erzählen, wie es letztendlich Silke geworden ist? Das Vorstellungsgespräch war ja eine besondere Situation, einfach weil ihr euch gut kennt, oder?
S: Ich hatte einen absoluten Blackout. Also so, dass ich gerade noch wusste, wie ich heiße. Es war ein bisschen absurd, weil ich eigentlich davon ausgegangen bin, dass die Aufregung, dadurch, dass man sich so gut kennt, ein bisschen geringer sein würde. Das Gegenteil war der Fall und ich war, für mein Empfinden, absolut lost in diesem Gespräch, obwohl ich mich wahnsinnig vorbereitet und mir ja auch sehr viele Gedanken gemacht hatte.
CH: Ja, das hast du da auch gesagt, aber es hat nicht so gewirkt. Du hast schon abgeliefert, sonst hätten wir dich ja auch nicht genommen.
S: Vielleicht ist es dann auch irgendwie der eigene Anspruch an sich selbst. Dass ich dann für mich persönlich das Gefühl hatte: Oh Gott, was hab ich denn jetzt da verzapft? Weil ich noch mehr von mir erwartet hätte. Ich wurde im Nachhinein ja dann auch beruhigt und es hat ja auch geklappt, aber für mich war es einfach sehr aufregend und grauenhaft (lacht).
Womit geht's jetzt los? In welcher Phase treffe ich euch an?
L: Wir planen die nächsten Schritte und sind mit den Künstler*innen im Gespräch, die in der nächsten Spielzeit hier arbeiten möchten und sollen. Ich finde das immer so einen speziellen, aufregenden Moment: Man ist mittendrin ist in einer Spielzeit und dann mit dem halben Kopf schon der nächsten. Das, was real hier geschieht, ist ja auch schon vor über einem Jahr verabredet worden.
S: Also ich bin im Kopf definitiv nicht in der nächsten Spielzeit aktuell, weil ich natürlich einfach noch damit zu tun habe, ich mich einzufinden, meine eigenen Strukturen zu schaffen, bestimmte Dinge bis ins Letzte zu begreifen. Der ganz normale Anfangsprozess, würde ich sagen. Ich habe von Isabelle eine gute Übergabe bekommen und nichtsdestotrotz merkt man dann, dass Dinge für einen selbst vielleicht nicht so funktionieren oder dass man was verändern muss oder möchte. Und genauso muss man herausfinden, wie wir drei zusammenarbeiten, wie das mit der Kommunikation funktioniert, wer bespricht was mit. Da sind wir gerade mittendrin.
Gibt es da Sachen, die du tatsächlich schon nennen kannst, die du ändern möchtest?
S: Was ich definitiv ganz pragmatisch ändern werde, ist die Buchhaltung. Die wird jetzt digital. Ansonsten halt nur so Klassiker, Ablagesysteme und so. Ich habe ein großes Strukturbedürfnis und dementsprechend versuche ich gerade viel zu optimieren, bestimmte Dinge zu hinterfragen, die schon ganz lange so sind, weil sie halt so sind. Da lasse ich mir dann nochmal erklären, warum genau ist das so, um dann zu gucken, ergibt die Antwort Sinn? Ein ganz großes Veränderungsanliegen habe ich außerdem noch im Bereich Nachhaltigkeit und Inklusion. Das ist ein Thema, mit dem wir jetzt erst anfangen, und zu schauen, wie können wir da als Theater den nächsten Schritt machen?
Wie geht es dem Theater denn, nicht nur aber natürlich auch vor dem Hintergrund der pandemischen Situation, aus der es herauskommt?
CH: Auf der Publikumsebene wird es seit November wieder besser, das ist sehr schön. Finanziell ist es so, dass wir wie alle Theater jetzt vor der Herausforderung der Mindestgagenerhöhung stehen, die ja eine ganz großartige Sache ist, die aber bisher noch nicht bis zum Ende durchgedacht wurde. Es gibt einfach noch keine konkreten Pläne dazu, wie die Theater das überhaupt finanzieren sollen. Mit der Erhöhung der Mindestgagen müssen natürlich auch alle Löhne der Festangestellten um denselben Prozentsatz angehoben werden, um da Gerechtigkeit zu gewährleisten. Wir müssen viele Gespräche mit Stadt, Land, Bezirk führen, damit wir mehr Förderung bekommen. Denn wir haben einfach ein großes Defizit.
Das heißt, ihr habt jetzt eigentlich einen gewachsenen Bedarf, in einer Zeit, in der die Stadt eigentlich sagt, bei der Kultur könnte man mal gucken, was man einspart.
L: Diese Unterfinanzierung kommt noch aus der Zeit, als es als reines Privattheater als Verein von einer Gruppe Menschen geführt wurde. Wir alle, die jetzt hier sind, haben damit nichts mehr zu tun. Dieser Schritt hat Kosten verursacht, die vorher nicht bedacht wurden. Dass plötzlich Menschen bezahlt werden für ihre Arbeit, die vorher einfach ehrenamtlich war. Das Problem unserer Unterfinanzierung liegt also schon länger zurück. Dann kam die Pandemie dazwischen. Im Prinzip stehen wir immer noch am selben Punkt wie zuvor. Unsere Aufgabe ist es, das Theater aus diesem sehr kleinen Umfeld von damals herauszubekommen in eine Struktur, die von der öffentlichen Hand so gestützt ist, wie es das bräuchte. Wir sind da dran, auch dass die Stadt sich klar dazu positioniert. Aber klar, es ist nicht der beste Zeitpunkt.
Aber habt ihr das Gefühl, dass so ein Anliegen bei der Stadt auf offene Ohren stößt?
CH: Der Kämmerer war toll, an anderen Stellen ist es schwieriger. Der hatte zumindest ein grobes Bewusstsein für das, was passiert und was nötig ist.
L: Ich glaube, es gibt nicht so ein richtiges Bewusstsein dafür, dass wir zwar als Privattheater dastehen, der allergrößte Teil des Geldes, das wir hier verwenden, aber aus der öffentlichen Hand kommt. Dieser Schritt vom reinen Privattheater, das es schon lange nicht mehr ist, wurde nicht unbedingt wahrgenommen. Und bisher gibt es noch keine Plattform oder Möglichkeit, eben genau diese Thematiken überhaupt mal an die richtigen Stellen zu bringen, weil es teilweise auch einfach sehr, sehr schwierig ist, an diesen Stellen überhaupt Termine zu bekommen. Das ist eigentlich der erste Schritt: Überhaupt erstmal die Möglichkeit zu bekommen, zu erklären, dass die Situation nicht nur mit der Pandemie und nicht nur mit der Gagenerhöhung zusammenhängt. Es geht hier um ein Grundproblem und wir brauchen eine Haltung, eine Positionierung dazu, damit wir planen können, damit wir wissen, wie es bei uns weitergehen kann.
Wie würdet ihr die Rolle des Gostner in dieser Nürnberger Kulturlandschaft beschreiben? Was für eine Aufgabe hat es?
S: Ja, per se ist es im Erwachsenenbereich erst mal die einzige Alternative zum Staatstheater … Wollt ihr das vielleicht ergänzen, so als künstlerische Leitung? (lacht)
L: Ja, es ist halt der Ort für Literatur, für zeitgenössische und klassische Literatur, auf eine dramatische, aber auch andere Form. Und ich glaube, wir haben ein Format, dass es uns ermöglicht, Dinge auszuprobieren, also im Loft genauso wie auf der Bühne. Damit sind wir, glaube ich, auch für die Szene hier wichtig, weil bei allen Produktionen die Hälfte der Menschen, die spielen oder sonstwie involviert sind, hier leben. Das ist ein Ort, wo Schauspieler*innen, Künstler*innen, die hier ihren Lebensmittelpunkt gewählt haben, ihre Kunst ausführen können.
S: Und auch einfach ihr Geld verdienen können. Wir haben dann doch einige Produktionen im Jahr und dann läppert sich das schon zusammen über die Spielzeit.
L: Und ich finde, wir können Themen verhandeln, die vielleicht für eine größere Bühne einfach nicht möglich sind. Wir können Themen und Produktionen aufgreifen, die wirklich eine Alternative darstellen.
Könnt ihr ein Stück nennen, vielleicht auch aus den vergangenen Monaten, oder aus den kommenden, wo euer Anspruch an dieses Haus, sehr genau getroffen wird?
CH: In der letzten Spielzeit hatten wir sehr viele Premieren, weil wir diese ganzen Corona-Nachhol-Termine hatten. Also neun statt sechs. Und das waren wahnsinnig unterschiedliche Abende, wir konnten eine tolle Bandbreite abdecken. Aber alle Produktionen haben das Publikum herausgefordert. Eine unserer Ehrenamtlichen meinte dann: Sie mag nicht jeden Abend, aber sie nimmt immer etwas zum Nachdenken mit. Und das finde ich toll. Dann hat man auch Lust, wiederzukommen. Vielleicht war das heute nicht meins, aber beim nächsten Mal ist es wieder etwas für mich. Und wir sind halt so nahbar, dass man danach auch in den Austausch darüber kommt.
Was ist für dich, Silke, die Art von Theater, die dich am meisten anspricht und die du auch umgesetzt sehen willst, hier in in deinem Haus?
S: Oh Gott! Ich muss mal aufs Klo …
L: Wir können gerne mitkommen!
S: Nein, also tatsächlich gibt es bei mir nicht die eine ganz spezielle Form, wo ich sage, das ist es und das will ich sehen und das finde ich hier toll. Das ist ein bisschen langweilig, nicht? Aber ich mochte letztes Jahr zum Beispiel zum Beispiel „Stummes Land“ wahnsinnig gerne, was eben eine sehr formale, sehr durchgetaktete Sache war. Wenn alles so ganz auf den Punkt ist, entwickelt das teilweise eine Gewalt, so eine Wucht. Bei „Stummes Land“ haben Leute teilweise wirklich den Saal verlassen, weil sie es nicht ausgehalten haben im letzten Drittel. Und sowas finde ich toll. Also nicht, dass die Leute den Saal verlassen, aber dass die Leute bewegt werden von den Dingen, und ich danach im Hof stehe und da diskutiert wird. Dann ist es ein gelungener Abend. Oder auch „I do the same job bleeding“, das war genauso ein Stück, wo ich sage das, das gehört hierher, das sind junge Leute, die das gemacht haben, mit ganz, ganz viel Herzblut, mit einem Thema, das einfach super wichtig ist. Eine Freundin von mir war gerade bei der Wiederaufnahme drin und kam raus und hat geweint und gesagt, es ist so geil, dass ihr so etwas macht und dass das mich als Frau so abholt, aber genauso meinen Kumpel. Und plötzlich sitzen Frauen und Männer an einem Tisch und sprechen über Menstruation, was man sonst nie tut. Ja, alles, was so etwas auslöst, will ich gerne hier sehen.
CH: Das Schlimmste sind Theaterabende, die fünf Minuten nach Ende der Vorstellung schon vergessen sind.
L: Das erste für mich ist immer Künstler*innen zu suchen, die uns interessieren, von ihrer Art her und ihrer Arbeit und dann mit ihnen gemeinsam danach zu suchen, was sie machen möchten. Es geht immer darum, was beschäftigt dich gerade, was treibt dich um, warum treibt es dich um? Man merkt, dass es immer einen Grund gibt, diese Arbeit zu machen und nicht jemanden, der Auftragsarbeit XY am Theater Z abliefert, weil es halt ein Moneyjob ist. Alle stehen hinter den Stücken, weil sie sie selbst ausgewählt haben.
CH: Das ist mit den Schauspielenden genauso. Die entscheiden sich dafür, in dieser Produktion dabei zu sein. Es ist eben nicht wie im Stadttheater, wo man auf dem schwarzen Brett sieht, wer was spielt. Deswegen, finde ich, haben wir immer so eine ganz schöne Energie hier.
Hat man in dieser Phase, in der ihr ja gerade auch seid, eher ein Überangebot an Menschen, mit denen man arbeiten möchte oder einen Mangel?
L: Immer ein Überangebot. Ich hab einfach Lust auf viele Leute. Ich lerne immer wieder spannende Menschen kennen, wo ich denke, das wäre super und dann merkt man, ne, geht nicht alles in einer Spielzeit. Aber selbst, wenn wir doppelt so viele Plätze hätten in einer Spielzeit, würde es mir emotional genauso gehen. Es gibt so viele tolle Künstler*innen, von denen ich gerne sehen würde, wie sie das hier machen. Und natürlich immer auch die Mischung zwischen Menschen, die man schon kennt und Menschen, die neu kommen.
Gibt es momentan ein, zwei Dinge, die ihr nennen könnt, auf die ihr besonders hinfiebert?
CH: Ich fiebere der heutigen Premiere entgegen („How to date a Feminist“). Ich bin heute das erste Mal seit langem wieder nervös. Ich mag den Abend so gerne und hoffe, dass es dem Publikum genauso geht. Und dann ist in in zwei Wochen der nächsten Probenstart („Nora oder Ein Puppenheim“), da freue ich mich dann auch schon wieder drauf. Da fängt wieder etwas Neues an und es wird wieder ganz anders.
S: Ich bin jetzt erst mal gespannt auf unser Festival „licht.blicke“. Ich bin gespannt auf die Produktionen, bin sehr gespannt ob alles gut läuft. Ich versuche mich da gut vorzubereiten, aber wie Festivals halt so sind: Ich gehe nicht davon aus, dass alles genau so läuft, wie wir uns das jetzt vorstellen und wie wir das jetzt planen. Und dann muss man kreativ sein und irgendwie trotzdem Lösungen finden. Ich finde das sehr aufregend, dass so kurz nach meinem Beginn hier gleich dieses Festival losgeht.
L: Ich freue mich selbstverständlich auf die nächste SuppKultur (lacht).
Sehr gut, endlich die richtige Antwort. „licht.blicke“ ist aber ein gutes Stichwort, weil es ein Festival für ein jugendliches Publikum ist. Habt ihr das Gefühl, es ist schwierig oder einfach diese Zielgruppe zu erreichen und mitzunehmen?
S: Was hilfreich ist, ist dass wir immer im Juni ein Jugendstück im Hubertussaal haben. Und daran angekoppelt ist der KulturRucksack für Förder- und Mittelschulen.
CH: Ja, ich würde sagen, wenn man über die Schulen geht, dann erreichen wir sie ganz gut. Im Freizeitbereich wird es schwieriger.
S: Wobei wir uns da dieses Jahr trotzdem wahnsinnig gefreut haben, weil wir am Haus ja mittlerweile drei Jugendtheater-Gruppen haben. Im Jugendclub waren es am Anfang 20 Leute, jetzt ist es ein fester Kreis von 16, was für uns schon relativ viel ist. Und in der Peergroup ist es jetzt ein fester Kreis und die sind wahnsinnig interessiert und bringen die jungen Leute mit her und das merken wir schon, dass dann Formate wie die Soap einfach gut funktionieren. Aber ja, irgendwie ist es schon immer ein Thema, die Jugendlichen abzuholen oder reinzukriegen, dass das nicht das Einfachste.
Ihr hattet in der vergangenen Spielzeit die ganz große Kooperations-Produktion „Extrem laut und unglaublich nah“ mit gefühlt allen anderen Theatern und 100 Menschen. Wie wichtig ist diese Kooperation, das Netzwerk, die anderen Häuser?
CH: Ich finde so eine Vernetzung innerhalb der Nürnberger Kulturszene schon wichtig, so dass man sieht, wo sind Synergien, mit wem ist es jetzt spannend etwas zu machen und in einen Austausch zu gehen. So große Projekte sind wahnsinnig anstrengend, ich habe aber auch sehr viel Spaß daran. Ich muss es nicht jedes Jahr machen, aber es ist grundsätzlich immer toll, neue Leute kennenzulernen und neue Wege der Zusammenarbeit zu finden.
Wie geht es euch mit der Nachbarschaft zum großen Staatstheater? Ist das einfach etwas ganz anderes oder auch zum Beispiel ein Impulsgeber?
CH: Es kann nicht genug Theater geben. Aber es ist einfach etwas ganz anderes. Und ich finde, dass wir dazu auch ein sehr schönes Gegengewicht zu bilden. Konkurrenz ist es nicht, weil es finanziell viel besser aufgestellt ist, trotzdem ist es spannend zu gucken, was die gerade machen. Und von dort kommen auch immer wieder Menschen und gehen bei uns gucken. Also man besucht sich gegenseitig.
Ich möchte jetzt gerne auch noch so eine Bewerbungsgespräch-Frage stellen: Wie seht ihr das Gostner in fünf Jahren und was wird dann vielleicht komplett anders sein als jetzt?
L: Noch mehr junges Publikum. Also dieser Generationenwechsel. Dass wir noch besser vernetzt sind in die Stadt hinein, in den Stadtteil. Dass wir noch mehr Partnerschaften innerhalb Nürnbergs geknüpft haben. Und dass wir hier unterm Loft überraschenderweise einen Tresor gefunden haben, der einen unendlichen Finanzschatz in sich birgt ...
S: Das Loft floriert auch als Kneipe!
CH: Also ich würde mir in fünf Jahren wünschen, dass diese Lüftungsanlage endlich fertiggestellt ist …
L: Dass wir nicht an Dynamik verlieren, dass wir neugierig bleiben auf möglichst viele spannende Projekte und Kooperationen innerhalb und außerhalb der Metropolregion.
Das war jetzt druckreif.
S: Ich glaube in fünf Jahren ist es machbar, dass wir auf jeden Fall deutlich barriereärmer sind. Aber eigentlich wünsche ich mir, dass wir es bis dahin schaffen, wirklich barrierefrei zu werden und auch Menschen mit Behinderung hier die Möglichkeit geben können, ins Theater zu gehen. Und vielleicht sind wir bis dahin auch energietechnisch besser aufgestellt mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach. Wir müssen halt jetzt Dinge anstoßen, die dann in fünf Jahren Früchte tragen … vielleicht auch schon früher.
Wirst du denn auch weiterhin in der Regie arbeiten oder es ist zu früh gefragt?
S: Nein, das ist für mich tatsächlich ist einfach kein Thema mehr. Also keine Ahnung, ob es für mich einfach rein hobbymäßig persönlich irgendwann noch mal ein Thema wird. Aktuell ist es das nicht. Das Einzige, was ich in der Richtung weiterhin mache, ist der Jugendclub gemeinsam mit unserer Leiterin der Theaterpädagogik. Das ist für mich auch so ein persönlicher Ausgleich, weil ich diese Arbeit mit den jungen Menschen einfach wahnsinnig gerne mag. Und für mich ist jetzt alles andere viel bürolastiger, ist ja logisch. Da habe ich meinen Ausgleich und kann mit jungen Leuten Kunst machen und am Ende des Jahres eine Aufführung haben und diese geballte Freude und die Emotionen miterleben.
Ich habe noch eine richtige Kulturjournalistenfrage für euch zum Abschluss. Warum ist Theater wichtig und bleibt wichtig?
CH: Das ist meine Lieblingsfrage. Ich mache das, weil man im Theater etwas mit anderen Menschen erlebt. Weil da Menschen auf der Bühne sind, die für mich spielen und wir alle zusammen diese Verabredung eingehen, dass das wahr ist. Ich muss mich mit den Menschen, die neben mir sitzen, gar nicht unterhalten, weil wir das ja gemeinsam erleben. Und je nachdem, wie so ein Theaterabend abläuft, entsteht dabei ein ganz tolles Gemeinschaftsgefühl. Das geht alleine nicht. Und deswegen gehe ich gern ins Theater.
S: Es bedeutet per se schon schon Kommunikation. Man ist aktiv, man geht raus, man sieht eine Geschichte und kommt in jedem Fall in irgendeiner Form mit anderen Menschen in Kontakt. Wenn ich erlebe, wie schnell heute alles geworden ist, ist Theater für mich auch immer ein Ruhepol.
CH: Es ist so einfach eigentlich! Das Publikum kreiert den Abend mit, weil jede Aufführung anders ist, je nachdem wie das Publikum drauf ist. Und deswegen kann ich mir Theaterabende ganz oft angucken, weil ich weiß, es wird anders sein, das wird mir nicht langweilig.
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