Who am I want to be: Avatare im Museum für Kommunikation
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Gamer*innen wissen es: Lara Croft, Super Mario oder der Werwolf im Fantasy-Rollenspiel – Avatare, also steuerbare Figuren, sind wichtige Elemente in digitalen Spielen. Sie tragen zum Erzählen von Geschichten bei, verkörpern verschiedene Identitäten und mit ihnen können Handlungen in der jeweiligen Spielwelt ausgeführt werden.
Noch bis Frühjahr 2023 dreht sich im Museum für Kommunikation alles um Avatare – in der Ausstellung „WhoAmIWantToBe – Avatare in digitalen Spielen“. Sie entstand in Kooperation mit dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg und präsentiert studentische Arbeiten rund um die virtuellen Personifikationen aus medien- und kulturwissenschaftlicher Sicht. Wir haben uns mit Dr. Peter Podrez, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg, und Museumsdirektorin Dr. Annabelle Hornung unterhalten.
curt: Was ist ein Avatar? Sind Avatare die besseren Ichs?
Dr. Peter Podrez: Für Kinofans ist „Avatar“ vielleicht der kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten, für Musikfreund*innen eine Metalband. Aber in Bezug auf das Computerspiel meint der Begriff etwas anderes. Er kommt ursprünglich aus der Jahrtausende alten indischen Mythologie und bezeichnet dort eine göttliche Verkörperung auf Erden. Und auch in Games sind Avatare Verkörperungen, nämlich die Stellvertretungen der Spieler*innen in der Spielwelt. Oder einfacher: die steuerbaren Spielfiguren. Diese können verschiedene Gestalten und Identitäten besitzen. Sie sind damit unsere virtuellen Egos. Sind diese Egos besser als unsere Ichs? Zumindest bieten sie die Möglichkeit, Facetten unserer Identität auszuagieren oder zu erproben, die wir im „realen Leben“ eher hintenanstellen. Oder sie lassen uns in gänzlich andere Rollen schlüpfen.
curt: Wie zeigt uns die Ausstellung aktuelle gesellschaftliche Fragen und mit welchen haben sich die Studierenden beschäftigt?
Dr. Peter Podrez: Das erwähnte Schlüpfen in eine Rolle ist immer auch mit gesellschaftlich bedeutsamen Aspekten verbunden. Was erlauben uns Spiele? Moralische Tabubrüche ohne Konsequenzen? Genderfluidität? Spielen als Tier? Prinzipiell möglich. Interessant werden dann die Zuschreibungen, die Spiele an die jeweiligen Identitäten knüpfen. Denn natürlich erfahren wir nicht, was es bedeutet, sein Geschlecht wirklich zu wechseln, sondern was es bedeutet, die für uns durch das Spiel vordefinierte Geschlechterrolle auszuagieren, mitsamt all ihren Einschreibungen. Diese spiegeln gesellschaftliche Diskurse und Bilder wider, aber sie erzeugen sie gleichzeitig auch. Indem wir Avatare steuern, können wir über die damit verbundenen Identitäten nachdenken: Was ist unsere Vorstellung von Geschlecht, Ethnizität, (Nicht-)Menschlichkeit? Wie wird sie von den Spielen affirmiert oder subvertiert?
Dr. Annabelle Hornung: Diese vielfältigen Möglichkeiten zeigen die Studierenden in ihren Arbeiten rund um Avatare auf. Die inhaltliche Bandbreite reicht von Exponaten zu Geschlechter- oder Mensch-Tier-Verhältnissen bei Avataren über Arbeiten zu psychisch erkrankten oder monströsen Avataren bis hin zu Beobachtungen von Avataren in Historienspielen oder der Aneignung von Avataren in Editoren, Praktiken des Cosplay oder transmedialen Zusammenhängen wie Film und Literatur.
curt: Was hat das mit Kommunikation bzw. dem Kommunikationsmuseum zu tun?
Dr. Annabelle Hornung: Avatare in den digitalen Spielen kommunizieren mit uns, sind (Über-)Träger*innen von Botschaften. Zudem zeigen sie in ihrem Facettenreichtum gesellschaftliche Sichtweisen und Prozesse auf, und dies in Computerspielen, welche mittlerweile für viele Menschen aus ihrem Alltag und ihrer Freizeit nicht mehr wegzudenken sind. Gaming als Konzept, aber auch Inhalte von digitalen Spielen sind spannend für den ganzen Museumssektor, eben auch für das Museum für Kommunikation. So entstand die Ausstellung, welche in multimedialen, analogen und digitalen Formen die vielfältigen Botschaften und Identitäten von Avataren thematisiert. Die Gäste können auch selbst aktiv werden, z.B. neue Avatare entwerfen, deren Geschlechterstereotype konterkarieren oder ganz analog ein klassisches Quartett rund um die „Avatiere“ spielen. Hier entsteht übrigens auch viel Kommunikation!
curt: Wenn das curt Magazin einen Avatar hätte – wie könnte das aussehen?
Dr. Annabelle Hornung: Da curt ja schon diesen feschen Hund namens Weber als Maskottchen hat, würde ich sagen, wäre der Avatar ein biertrinkender und tanzender Hund mit einer feinen Spürnase für Kultur und Stadtgeflüster. Aber was meinst du, Peter? Du beschäftigst dich ja mit Human-Animal-Studies.
Dr. Peter Podrez: Ja, genau, das ist auch eins meiner Forschungsfelder. Von daher sehe ich Vermenschlichungen von Tieren kritisch, gerade in medialen Darstellungen. Aber als zukunftsweisender Kompromiss: Wie wäre es mit einem Roboterhund mit feiner Spürnase für Kultur? Tanzen kann er, beim Trinken müsste man sich noch etwas überlegen, damit er keinen Kurzschluss bekommt.
Dass curt ausgerechnet in diesem Gespräch über die medien- und kulturwissenschaftlicher Ausarbeitung von Avataren aufs Tanzen und Biertrinken reduziert wird, ist verwirrend, passt aber –zum aktuellen curt-Cover. Danke für das Gespräch und die Einschätzung. Prost!
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Museum für Kommunikation Nürnberg
WhoAmIWantToBe – Avatare in digitalen Spielen
Di–Fr 9–17 Uhr / Sa, So, Feiertage 10 bis 18 Uhr
Lessingstraße 6, 90443 Nürnberg
www.mfk-nuernberg.de
Dr. Peter Podrez ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und übernimmt regelmäßig Lehraufträge am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien. Er hat zu filmischen Zukunftsvisionen des urbanen Raums promoviert – während er sich schon langjährig mit Game Studies beschäftigte. Aktuell forscht er zur Medialität und Politik von analogen und digitalen Spielfiguren. Außerdem führt er im Rahmen verschiedener universitär-musealer Kooperationen Forschungs- und Ausstellungsprojekte durch. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind u.a.: Bildlichkeit, Räumlichkeit und Dispositive von (Computer-)Spielen, mediale Zukunftsvisionen (Utopien, Dystopien, Science Fiction, Apokalypsen), medialer Horror, Human-Animal Studies, Gender Studies.
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