Den Guten ein Sprachrohr, bitte: Andis megasubjektiver Jahresrückblick
#2022, #Andreas Thamm, #curt, #Frankenkonvoi, #Jahresrückblick, #Jede Spende Hilft, #Wanderbaum
Hm? War was? Gerade erst haben wir uns so richtig daran gewöhnt, oben rechts in den Rand von unserem Schreibheft 2022 statt 21 zu schreiben, da rauscht schon wieder Weihnachten klimbimelig vorbei und Zackbumm-Explosion, wir befinden uns in 2023. Hä?
So einen Jahresrückblick müsste man eigentlich das ganze Jahr über schreiben, nicht erst dann, wenn das neue Jahr schon losbrummt wie ein früher Maikäfer. Dann hockt man nämlich da und zwölf Monate schrumpeln zu einem Batzen zusammen, aus dem man kaum noch was rauslösen kann. Ich weiß gar nix mehr.
2022, denke ich also, da sind wir doch ins neue Büro umgezogen, wie war das noch gleich. Falsch, ganz falsch! 2021 war das.
Das wirklich Blöde mit diesem 2022 ist ja folgendes: Man denkt zuerst an Krieg, in zweiter Instanz an Klimawandel, drittens immer noch an Corona. Das ist erstens nicht der ansehnlichste Rest, den man als Jahr so hinterlassen kann. Und zweitens hat es mit curt, dem ansehnlichsten Stadtmagazin von Welt und für Nürnberg und die wunderbarste Metropolregion zuerstmal einfach gar nix zu tun.
Und andererseits eben doch. Wenn ich ans curt-Jahr 2022 denke, dann tatsächlich und in Wahrheit zuerst an den Nachmittag, an dem Matze und ich in seinem kleinen Auto, das sich heute schon im Autohimmel befindet, nach Fürth fuhren und nach Fürth einen Haufen Geld einführten. Nicht um damit Wurstwaren zu erwerben, sondern um ihn, den Haufen, dem Frankenkonvoi zu übergeben: Fast 2.500 Euro Spenden für die Ukrainehilfe der Fürther NGO.
Wenn so etwas passiert, wie ein Angriffskrieg in Europa, dann sind wir kleine Crew von drei festen Mitarbeitenden betroffen, weil wir nachrichtenkonsumierende, an der Welt teilnehmende Menschen sind. Die auch noch Medien machen – in einem viel zu kleinen, viel zu lokalen Maßstab, um zum Krieg, zum Iran, zur Letzten Generation wirklich etwas Substanzielles beitragen zu können. Wir versuchen hier unser Nürnberg ein bissl besser zu machen und dabei nicht und niemals neutral zu sein.
Aber man kommt halt nicht vorbei, man kann ja nicht immer nix machen. Und weil wir erstens klein sind und zweitens viele andere kleine kennen, dachten wir: Die gutmeinenden Kleinen kann man ja zusammenbinden, damit was Mittelgroßes daraus wird. Und das war dann Jede Spende hilft – eine Sammlungsaktion in Cafés, Restaurants, Kneipen, Kulturorten, Yogastudios, Boulderhallen … Um jeden kleinen Pfennig abzugreifen, der in irgendeiner Nürnberger Hosentasche rumfliegt und entweder gespendet wird oder bei nächster Gelegenheit mitgewaschen.
Noch im Februar fingen wir damit an, das zu tun, was gut können: Emails schreiben, die zu oft immer noch im Spamordner landen. Um dann danach das tun zu können, was wir schon etwas weniger gut können: Spendenboxen verteilen, Gelder einsammeln, Quittungen unterschreiben und unterschreiben lassen. Muss alles seine Ordnung haben, auch bei curt. Hatte es.
Und so ist diese kleine Spendenaktion auch nur ein Beispiel für das, was curt kann und in Zukunft weiter und mehr noch tun will: Ganz schnell Ideen entwickeln und die richtigen Leute finden, zum Sachen umzusetzen. Und das alles halbwegs schlingernd, fuchtelnd, immer wieder verzweifelt, immer ungebrochen begeistert und immer Dank der Unterstützer:innen, die uns irgendwie mögen, während wir auch noch und halt nicht nebenbei dieses Stadtmagazin machen von der Art, wie Gott ein Stadtmagazin machen würde, wenn er Stadtmagazinmacher wäre.
Was war noch? Wir haben einen Baum durch die Gegend gefahren und Freude wart, wo unser Wanderbaum war! Wir haben das Konzept Partung erfunden, Party und Lesung, und dann auch noch umgesetzt und dann auch noch in der Katharinenruine. Wir haben gelesen, geschrieben, gelayoutet, in die Tastaturen gehackt, in Tag- und Nachtschichten und wechselnden Besetzungen, im Büro und immer mehr auch im Homeoffice, was nicht nur der Bequemlichkeit geschuldet war oder der Pandemie, sondern auch der Fortpflanzung.
curt, der immer auch die besten Events für Familien beinhaltet und einen engen Draht zu unseren Kindertheatern pflegt, wird auch gemacht von mindestens zwei Daddys, deren teils ganz neue väterliche Weisheit auch dem Rest der Belegschaft und in gewisser Weise der ganzen Stadt zugutekommt.
Und so wurde ich persönlich ab Juni und immerhin bis August wieder zum curt-Leser, der in den diversen Chatgruppen mitverfolgte, wie da trotz meiner Abwesenheit einfach weiterhin gearbeitet und Heft gemacht wurde. Furchtbar: Die können auch ohne mich! Mit Erscheinen des Hefts durchstreifte ich sodann die Nachbarschaft, auf der Suche nach dem ersten curt seit Anfang 2019, den ich nicht aus den Händen der Kolleg:innen oder des anliefernden LKW-Fahrers erhielt.
Stay-at-home-Dad zurück vom millenialmäßigen Van-Life-Trip sitzt, wenn das Baby uns ein Schläfchen gönnt, aufm Klo und lässt den Rest der Stadt mit rein, weil wegen curt, meine ich.
Und umso schöner ist es, wieder ins Büro zu gehen, wenn man drei Monate lang mal nicht war!
Am Ende des Jahres sagen immer alle, dass sich alles ständig so schnell verändert und dann fragt man sich, ob das vielleicht schon immer so war. Oder ob das jetzt mehr stimmt, in der Zeit nach 2020, die ich irgendwie schon als eine neue, andere wahrnehme. Man macht nur kurz die Augen zu und schon hat wieder ein Traditionsrestaurant zugemacht, ist wieder ein Curty Kulturpreisträger, wird schon wieder ein Baby geboren irgendwo und ein Einkaufszentrum abgerissen oder aufgebaut.
Und curt mittendrin ist eben kein Anker, sondern, um im Element zu bleiben, und ganz nah beim Weichtiernerd Matze, ein Quallenschwarm, der aufsteigt und absinkt und wächst und schrumpft und wabert und leuchtet. Und sich selber immer verändern muss, jeden Tag: neue Excel-Tabellen lernen, neue Insta-Tools lernen, neue Orte kennenlernen, neue Leute kennenlernen, jeden Tag teilnehmen, jeden Tag anders, sonst können wir den Laden dicht machen.
Und das machen wir nicht.
Wir bleiben euer Magazin, das einen ganz subjektiven Blick auf diese Region wirft, aber es ist ein großer Blick, der vieles miteinschließt. Wir sind euer Kalender, euer Feuilleton, euer kulturpolitisches Aufregerblatt, euer Lieblingsveranstalter.
Wir müssen uns immer zurückhalten, sondern werden wir zu gut.
Das ist vielleicht ein Vorsatz fürs neue Jahr: Auf dem Boden bleiben! Wie immer!
Oder mehr im Ernst: In einer Zeit, in der die Angst zurückgekehrt ist, versuchen weniger Angst zu haben und den Guten und Mutigen ein Sprachrohr zu sein.
Alles Gute, euer Andi.
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