Ermöglichung im Nazibau: Das wird die Kongresshalle ab 2025

DIENSTAG, 13. DEZEMBER 2022, KONGRESSHALLE

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„Die ganze Bundesrepublik schaut nach Nürnberg“, sagt Hans Joachim „Hajo“ Wagner und meint nicht von wegen Christkindlesmarkt oder so, sondern wegen der Kongresshalle. Der ehemalige Leiter der Bewerbung um die Kulturhauptstadt ist der Stadt erhalten geblieben und mittlerweile Leiter der Stabsstelle ehemaliges Reichsparteitagsgelände. Und weil was dort, also in der Kongresshalle, passiert insbesondere und vor allem der Kunst und Kultur zugute kommen soll, fand die Präsentation des Stands der Dinge plus Fragerunde und Austausch an einem der Subkultur nahen Ort statt, im MUZClub.



Hajo Wagner hat mit dem Projekt Kongresshalle nicht nur eine Immobilie, sondern einen Komplex übernommen. Das Dokumentationszentrum und die Symphoniker sind schon da, das Operinterim wird ab 2025 dort einziehen. Und mit dem Rest wusste die Stadt lange nicht so recht umzugehen. Denn jede Entscheidung über Verwendung oder Nichtverwendung des Bestands kommt mit einem diskursiven Rattenschwanz daher: Kann man den Nazibau überhaupt nutzen ohne vor lauter Freude über die gewonnenen Räume in Richtung Geschichtsvergessenheit abzugleiten?

Gleichzeitig: Was könnte ein stärkeres Signal für eine aufgeklärte Gesellschaft sein, als eben diesen Ort für bewusstseinsfördernde Kunst zu nutzen? Die Entscheidung fällt in eine Zeit, in der die Nürnberger Szene ohnehin über einen Mangel an Räumen klagt. Im Sommer fand bereits ein Open Space mit Vertreter*innen der Szene im Z-Bau statt, außerdem etliche Eins-zu-eins-Interviews mit dem Ziel einer breiten Datenerhebung: Was wird denn überhaupt gebraucht, wie sollen die sogenannten Ermöglichungsräume im Idealfall aussehen?

Vor dem Hintergrund dieser Datenerhebung spricht Wagner heute von: Produktions- und Präsentationsräumen, White Cubes, Black Boxes, Veranstaltungsräumen, Begegnungsräumen, Ateliers, Foyers, Teeküchen, … Schon 2025 soll in der Kongresshalle geprobt und gemalt und ausgestellt und performt und einander begegnet werden. Eine erste Machbarkeitsstudie ging von rund 150 Räumen aus, die instand gesetzt werden könnten. Das Erschließungssystem des mittlerweile beauftragten Architekturbüros sei aber ein anderes, wie viele Räume es am Ende wirklich werden, könne man derzeit noch nicht seriös beantworten.

Anhand des Grundrisses der Kongresshalle zeigt Wagner in der MUZ aber bereits, wo die Ermöglichungsräume Platz finden sollen: Direkt anschließend an das Dokuzentrum in Sektor 1 und 2, wie das heißt. Dann folgen sechs Sektoren Operninterim und noch einmal zwei Sektoren Ermöglichungsräume. Dort, wo kein Publikumsverkehr stattfindet, dann eher Ateliers und Proberäume. Die ganze Anlage von Dokuzentrum bis Oper soll möglichst durchlässig gestaltet sein. Man stelle sich vor, dass Besuchende des Dokuzentrums oder der Oper im Anschluss noch einen Blick auf aktuelle Kunstproduktionen in den neuen Ausstellungsräumen werfen.

Fotos zeigen Orte, die momentan noch rau und wenig einladend wirken. Hier zum Beispiel ein Raum im Dachgeschoss, der für die performativen Künste bespielbar gemacht werden könnte. Fast 200 Menschen fänden dort Platz. Im zweiten Obergeschoss habe man Räume identifiziert, die sich als Galerieräume qualifizieren. „Der Grundcharakter dieser Räume soll aber bestehen bleiben. Wir wollen die Anmutung des Ortes nicht maßgeblich beeinflussen.“ Der architektonische Eingriff soll auf ein Minimum beschränkt bleiben.

Die Stabsstelle arbeite derzeit vor allem daran, weitere Formate zur Beteiligung der späteren Nutzer*innen zu entwickeln. Diese Veranstaltungen werden dann in den ersten Monaten des neuen Jahres stattfinden. Denn: „Bis Mitte des Jahres müssen wir durch sein.“ Der Zeitplan ist eng getaktet und immer gebunden an die Planungen des Staatstheaters bezüglich Operinterim. Beide Projekte seien nur im Gleichklang denkbar. Eine Hierarchie in der Umsetzung und Finanzierung werde es nicht geben, so Wagner.

Wer letzten Endes genau was macht in der neu gestalteten Kongresshalle, das kann heute noch niemand sagen. Viel mehr: Wer letzten Endes darüber entscheiden wird, wer was macht … Es gibt schlicht noch kein Betreiberkonzept für die Ermöglichungsräume. Für Wagner sei zum Beispiel ein Gremium oder eine Vereinsstruktur eher denkbar als eine klassische Intendanz. „Die Struktur sollte auf jeden Fall fluide sein. Vielleicht müssen die Räume auch temporär vergeben werden.“ Offene Fragen, die sich auch auf die Inhalte ausdehnen: Man könne keine Gesinnungspolizei installieren, die in die künstlerische Autonomie eingreift. Gleichzeitig habe die Künstlerschaft selbst bereits formuliert, sich mit dem Ort auseinandersetzen zu wollen. „Das ist dann sehr willkommen. Es ist kein Ort, dem man seine Historie absprechen kann.“

Die MUZ will den weiteren Prozess im Sinne der auf Proberäume hoffenden Musiker*innen weiter begleiten. Die angekündigten Beteiligungsformate sollen breit angekündigt werden (bestimmt auch bei curt!). Und selbst wenn es auch in dieser Frage derzeit noch keine konkreten Zahlen gibt, konnte Hajo Wagner eine Angst bereits aus dem Weg räumen: Der große Aufwand, die hohen Kosten würden sich am Ende in den Mietpreisen für Ateliers und Proberäumen niederschlagen: „Wir können die Baukosten nicht mit Mieteinnahmen wieder reinholen. Auf so eine absurde Idee würde selbst eine Stadtverwaltung nicht kommen.“

Weitere Informationen:
Die Kongresshalle bei Nürnberg Kultur

Text: Andreas Thamm




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