Sichtbarkeit schafft Sicherheit: CSD Nürnberg
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Und ZACK! – ist schon wieder Juli und damit der Monat, in dem weltweit die regenbogenfarbene Pride-Saison wieder durchstartet. Zeit, sich mit dem Team des CSD Nürnberg auszutauschen und reinzulauschen, wie es um die Planungen für den CSD Nürnberg 2022 steht. Jetzt, wenn die Pandemie keine Verhinderung der herkömmlichen Veranstaltung darstellt. Wir haben uns mit Bastian, Julia und Daniela vom gemeinnützigen Förderverein Christopher Street Day e.V. getroffen und sind dem Thema CSD in der heutigen Zeit und natürlich den Details für die CSD-Events in Nürnberg auf den Grund gegangen.
Gleich vorneweg gefragt – CSD oder Pride, wie heißt es denn nun?
Julia: Naja, im Grunde geht beides, aber wenn wir ehrlich sind, Deutschland ist wohl das einzige Land, in dem es Christopher Street Day, also CSD heißt. Aber das ändert sich aktuell auch, denn gerade die jüngere Generation nennt es oft schon Pride.
Da es immer noch Leute gibt, die es einfach nicht wissen: Was ist der CSD eigentlich?
Bastian: In der Christopher Street in New York wehrten sich am 28. Juni 1969 Schwule, Lesben und Transgender-Menschen gegen eine willkürliche Polizeirazzia in der Bar „Stonewall Inn“. In der Folge kam es zu tagelangen Straßenschlachten zwischen den LSBTIQ*-Menschen und der Polizei. Das ist sozusagen der Ursprung der Pride-Bewegung. Der Christopher Street Day erinnert darum jährlich weltweit ab Juni über den Sommer verteilt mit (Polit-)Paraden an dieses Ereignis und feiert die selbstbewusste LSBTIQ*-Bewegung „Pride“. Demonstriert wird gemeinsam für queere Freiheit, Gleichberechtigung und die noch immer nötige Gleichstellung in Politik und Gesellschaft. Die Events sorgen auch für nötige die Sichtbarkeit der LSBTIQ*-Community.
Daniela: Mittlerweile gehören neben der Polit-Demo oft auch LSBTIQ*-Themenwochen (Prideweeks), eine Abschlussveranstaltung und Partys dazu. Dabei muss nicht alles politisch sein, es dürfen auch die menschliche Vielfalt und queere erreichte Erfolge gefeiert werden.
Man könnte meinen, queere Menschen seien in der Politik und Gesellschaft angekommen, gut integriert und die „Ehe für alle“ gibt’s auch.
Warum ist der CSD so wichtig, warum müssen LSBTIQ*-Menschen noch immer auf die Straße zur Demo gehen?
Daniela: Nun ja, so einfach ist das nicht, denn es gibt zig Gründe, die klar aufzeigen, dass queere Menschen leider in der Politik und Gesellschaft noch lange nicht hetero Menschen gegenüber gleichberechtigt sind. Schau dir allein an, was passiert, wenn ein verheiratetes gleichgeschlechtliches Ehepaar ein Kind bekommt, da muss der*die nicht leibliche Ehepartner*in das Kind adoptieren, obwohl sie miteinander verheiratet sind. Hallo?! In welcher Hetero-Ehe ist das so?
Bastian: Oder dass homosexuelle Männer kein Blut spenden dürfen, obwohl sie gesund sind. Außer, wenn sie die letzten vier Monate enthaltsam, also vollkommen ohne Sex gelebt haben – ähm, ja, genau?! Weiter geht’s mit der Ergänzung des Artikel 3, Absatz 3 im Grundgesetz zum „Schutz der sexuellen und geschlechtlichen Identität“ oder der Abschaffung des „Transsexuellen-Gesetzes“, welches noch immer Trans*Menschen eine mehr als unwürdige Prozedur auferlegt, wenn diese vor dem Gesetz ihr Geschlecht wechseln möchten. Das allein sind aber nicht die einzigen politischen Punkte, es gibt unzählige weitere. Und wenn wir in die Gesellschaft schauen, dann werden z.B. jüngst Trans*Menschen bei der Teilnahme an sportlichen Aktivitäten in der Gruppe deren „Wahlgeschlechts“ ausgeschlossen. Und bei der Bevölkerung herrscht leider oft noch immer kein Bewusstsein über die Normalität von nichthetero Menschen. Von ganzheitlicher Akzeptanz bzw. Toleranz gegenüber uns queeren Personen gar nicht erst zu sprechen.
Julia: Erst neulich hat uns unter einen Facebook-Post zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wieder jemand geschrieben: „Dieser Schwachsinn gehört beendet. Es gibt nur zwei Geschlechter, war so, ist so und wird immer so sein!“ Und neben solchen eigentlich harmlosen Kommentaren von unaufgeklärten Menschen sind aktuell wieder vermehrt Unverständnis, Ablehnung, sogar stärkere Anfeindungen von LSBTIQ* Menschen auf dem Vormarsch.
Bastian: Stimmt, auch gewalttätige Übergriffe auf LSBTIQ* nehmen zu, oder werden zumindest vermehrt bekannt. Nicht zu vergessen, wie nicht nur in europäischen Nachbarländern – z.B. Polen, Ungarn, Türkei, aber auch China, Brasilien – queere Strömungen oder Events wieder gesetzlich eingegrenzt werden, oder durch politisches Agieren in der Gesellschaft gegen LSBTIQ*-Personen und -Themen gehetzt wird. #Rollback – unser CSD-Thema 2020 und 2021. Ihr seht, es gibt es genug Gründe, noch immer auf die Straße zu gehen und uns und unsere queeren Themen sichtbar zu machen.
Das Motto für den CSD Nürnberg 2022 lautet „Sichtbarkeit schafft Sicherheit“.
Julia: Mit dem Credo unserer verstorbenen Polit-Dragqueen Uschi Unsinn (Stadtrat Uwe Scherzer) fordern wir LSBTIQ*-Menschen auf, sichtbar zu sein, sich nicht zu verstecken – sichtbar zu sein als Teil der Gesellschaft und als Teil unserer queeren Community. Denn die Gemeinschaft gibt einzelnen LSBTIQ*-Menschen Halt und Schutz und ermutigt sie in der Gesellschaft zu mehr Sichtbarkeit, macht sie stark und damit sicherer und als Individuen damit schwerer angreifbar.
Daniela: Und wie gesagt, durch die Sichtbarkeit der queeren Community kommen mehr queere Themen auf die Tagesordnung.
Bastian: Nicht zu vergessen, dass Sichtbarkeit eh der aufmerksamkeitsstarke Kern jeder CSD-Demo ist. Die Demo erzeugt bei uns eine kollektive Sicherheit. Als Gruppe ist‘s dann einfacher zu zeigen, wo gesellschaftlich und politisch Benachteiligungen sind. Wir wenden uns mit dem Motto aber auch an die LSBTIQ*- Community selbst. Es bedeutet auch, sich für Sichtbarkeit von einzelnen Gruppierungen, wie z.B. Trans, Bi, Inter, Drag, oder auch Fetisch, innerhalb der Community einzusetzen. Niemand soll sich verstecken müssen. Eher müssen wir für Sichtbarkeit aller Community-Gruppen sorgen, um damit in der Gruppe Sicherheit und Schutz vor Anfeindungen zu bieten.
Julia: Genau, darum soll das Motto auch den Zusammenhalt der Community in all ihrer Vielfalt verstärken, damit wir gemeinsam in der heteronormativen Welt die Gleichstellung LSBTIQ*-Menschen in Politik und Gesellschaft weiter vorantreiben können.
Wie sieht damit der CSD 2022 in Nürnberg aus?
Daniela: Vor allem regulär und damit gut planbar für uns als Team. Das heißt: Im Zeitraum 21. Juli bis 7. August haben wir zwei Wochen PRIDEWEEKS mit über 60 einzelnen Events organisiert. Dabei sind Events, die aufklären, Spaß machen, Menschen verbinden oder ihnen Hilfe bieten, wie z.B. Workshops, Polittalks, Poetry Slam, Lesungen, Stadtführungen und Partys.
Bastian: Am Samstag, 6. August, ist dann die große POLIT-DEMO. Aktuell geht die geplante Route vom Berliner Platz am Stadtpark durch die Altstadt, rein in die Innenstadt zum Kornmarkt.
Julia: „Jupp, zum Kornmarkt, also zur Straße der Menschenrechte. Das ist neu. Dort wird dieses Jahr erstmalig das zweitägige CSD FINALE am Hauptwochenende 6. und 7. August sein – wir sind nämlich mittlerweile als Event für den Jakobsplatz zu groß geworden, haha. Beim CSD FINALE gibt’s dann ein abwechslungsreiches musikalisches Programm für jede*n mit zahlreichen Infoständen drum herum. Essen und Trinken gibt’s natürlich auch – wir laden an diesen beiden Tagen einfach zum bunten Zusammenkommen und Feiern ein.
Bastian: À propos feiern, gern verraten wir auch schon, dass die offizielle CSD Nürnberg Abschlussparty „TOGETHER“ diesmal im Hirsch UND der Rakete stattfinden wird. Mit insgesamt vier Areas in zwei Clubs und einem schönen sommerlichen Garten wird diese TOGETHER-Party in diesem Jahr ebenso neu und ganz besonders. Die Details zu allen Programmpunkten folgen noch. Wir arbeiten nämlich gerade auf Hochtouren am Detail-Programm und Programmheft. Das gibt’s dann Ende Juni übrigens wieder gedruckt als Booklet bei REWE und in der LSBTIQ*-Community und zum Download auf der Webseite als PDF. Auch wird es wieder einen Online-Event-Kalender auf unserer Webseite geben, um kurzfristig ergänzen und reagieren zu können.
Danke! Euch viel Erfolg bei allem und wir sehen uns dann zum CSD im Juli! Happy Pride!
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CSD Nürnberg
21. Juli – 7. August 2022
Termine:
21.7.–7.8. Prideweeks
6.8. Polit-Demo + Together-Party
6.8. + 7.8. CSD Finale
Alle Infos und Programm auf www.csd-nuernberg.de
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