Regenbogenfahne auf Halbmast: Tschau, Uschi Unsinn
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Ein Nachruf von Lukas Münich.
Im vergangenen Herbst war Uschi Unsinn zum ersten Mal zu Besuch bei curt. Wir haben bestimmt zwei Stunden gequatscht, über das Leben und Engagement von Nürnbergs einzig wahrer Polit-Drag-Queen. Es sollte der Beginn einer langen und wichtigen Zusammenarbeit sein: Uschi Unsinn als curt-Kolumnistin. Wir waren ein bisschen stolz. Viel zu früh hat der Tod unsere Zusammenarbeit beendet: Wir haben am 13. Februar 2022 eine Kolumnistin und einen Freund verloren. Das Nachwort im Heft wollten wir dennoch lieber jemanden schreiben lassen, der Uschi länger und besser kannte als wir: Radio-Z-Kollege und Literatur-Podcaster Lukas Münich.
“Wie oft bist du mir auf die Nerven gegangen …”, so habe ich bei Facebook meinen Nachruf auf Uschi Unsinn eingeleitet. Eigentlich eine Unverschämtheit. Aber es stimmt. Alle, die Uwe Scherzer kannten, werden mir recht geben, wenn ich ihn als eine renitente Person beschreibe. Einen Menschen, der unglaublich laut und auffällig war und unendlich frech und eine alte Nervensäge. Und das war das Beste an ihm.
Ich bin Mitte 2016 bei Radio Z eingestiegen. Bei „Art, Pop’n’Roll“, der schwierigen Musiksendung, die immer nach den „RadioGays“ läuft. Von Anfang an gehörte Uwe für mich zu den prägenden Personen im Sender. Jemand, der dir sagt, wie der Hase läuft, der dich an die Hand nimmt und dich fragt, ob du zum Rauchen in dieKüche mitkommst, damit er wen zum Reden dabei hat. Wie eine gute Mutter. Eine gute, rauchende Mutter, die lieber erzählt, als zuhört.
Das war oft eine richtige Plage. Wenn ich zum Beispiel über einem komplizierten Thema grübelte und Uschi unbedingt jetzt von der letzten Nacht berichten musste. Oder vom Ausflug in den Landtag und welchen Spießer von der Union sie da schon wieder aus dem Konzept gebracht hat. Oder wenn ich über der Produktion war und Uschi rein kam, um Atemluft ringend wegen der scheiß Kondition, und schon anfing zu quasseln. Uschi, setz dich erstmal, rauch ´mer eine, es ist ja erst halb eins in der Nacht.
Uschi war für Radio Z nicht nur eine Sendende, eine Redakteurin oder Moderatorin. Für viele verkörperte sie den Charakter unseres Senders. Heißt: Bunt, ausgeflippt und man muss schon in der richtigen Stimmung sein, um es ertragen zu können. Und zu Beginn war ich der festen Überzeugung, sie wäre ohne Unterbrechung hier. Selbst zu Unzeiten konnte ich sichergehen, dass Uschi im Sender ist und schon auf ihrem Platz im Eck (worauf?) wartet. Wie ich jetzt weiß, hat sie damals im Sender gelebt und auf der Couch in der Küche geschlafen.
Damals hat sich noch niemand aus der Politik dafür interessiert, dass sie praktisch obdachlos ist. Dabei hat sie schon zu der Zeit ebenso hart geschuftet wie zuletzt und sich im Nachtleben für die gute Sache abwechselnd beschimpfen und hochleben lassen.
Kein Mandat? Keine Wohnung, sorry!
Au Mann, ich würde Uschi so gerne sagen, dass der Oberbürgermeister (CSU!) die Fahnen auf Halbmast gemacht hat wegen ihr. Auf der spontanen Trauerfeier am Magnus-Hirschfeld-Platz hab´ ich jemanden sagen hören: “Diese Tatsache hätte ihr ordentlich den Arsch gepudert.”
Das stimmt. Wenn ihr etwas wichtig war, dann, dass ihre Aktionen irritieren oder irgendetwas in den Menschen auslösen. Am besten bei solchen, die nicht eh schon schwul oder queer oder affin sind.
Die Fahnen wären dann drei Wochen lang Thema im Sender gewesen:
„Luggi, hast schon gehört?”
„Was denn?”
„Wegen mir haben sie am Rathaus die Fahnen auf Halbmast gemacht.”
„Hey, wow, na, das ist doch toll, Uschi.”
„Jaa, und ein Kondolenzbuch. IN DER EHRENHALLE DES RATHAUSES!”
„Ja, wow, super!”
„Ja, aber auch nicht mehr als recht und billig. Hahaha.”
Wir hätten ihr die Freude und den Stolz gelassen. So, wie wir ihn ihr gelassen haben, als sie endlich eine Wohnung bekommen hat. Warum muss man eigentlich in einer Partei sein, um eine Wohnung zu bekommen, Uschi?
Uwe arbeitete gerade an einer Sendung, als er für immer gegangen ist. Hier im Sender, an seinem Stammplatz. Im Beisammensein mit Menschen, die ihn schätzten und liebten. Er ist nicht einsam gewesen oder in irgendeiner blöden Situation in dieser kalten Stadt in diesem verdammten, deutschen Winter. Das ist unser größter Trost.
Wer in der Cartoon-Bar einen Asbach/Cola will, muss jetzt
“1 Uschi” bestellen. Ist das nicht fantastisch?
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Uschi Unsinn / Uwe Scherzer, 30.06.1967 – 13.02.2022
Die „RadioGays“ auf Radio Z, die Uschi für viele Jahre eigenhändig gestemmt hat, nehmen demnächst ihren Betrieb wieder auf. Wer unterstützen oder bei der Redaktion dabei sein möchte, mailt an
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. Und auch unsere LGBTQ+-Kolumne wird fortgeführt.
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