Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan 1: Im Tennenloher Forst
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Fast genau ein Jahr ist es her, da hat sich der Egersdörfer in sein altes Auto gesetzt und ist über die Erlanger Straße nach Tennenlohe gefahren. Er hatte vorher auf einer Karte das Wort „Walderlebniszentrum“ gelesen. Irgendwie hat ihn dieser Begriff in seiner Nase gekitzelt und darüber hinaus neugierig gemacht.
Irgendwo im Franzosenweg hat er geparkt. Dann nahm er sein Notizbüchlein und den Kugelschreiber und ist losgegangen, um zu sehen, was es mit diesem Wort auf sich haben könnte. Auf seinem Weg ist er dann immer mal wieder stehen geblieben und hat sich etwas aufgeschrieben von der Welt, die er dort sah, hörte und schmeckte. Der Egersdörfer sollte nämlich einen kleinen Text schreiben. Um genau zu sein über das Postleitzahlengebiet 91058.
Das hat sich der Nürnberger Künstler Karsten Neumann von ihm gewünscht. Der ist der Schöpfer der Kunststadt Bethang, welche aus der Fusionierung von NürnBErg, FürTH und ErlANGen entsteht. Genauere Einzelheiten über das Projekt erfahren Sie unter www.bethang.org. Mit „37 bäume für Bethang“ startete Neumann im letzten Jahr eine Baumpflanzungsaktion mit dem Ziel, in jedem der 37 Postleitzahlen-Bezirke von Bethang (Nürnberg 28, Fürth 5, Erlangen 4) einen öffentlich zugänglichen Baum zu pflanzen. Mit dem Autor war nun vereinbart, dass jener über jeden Postleitzahlenbezirk eine Geschichte schreiben sollte. Die Person, die in Bethang einen Baum pflanzen lässt, sollte u.a. auch eine Geschichte vom Egers aus dem jeweiligen Postleitzahlengebiet ausgehändigt bekommen. So ist diese Geschichte über das „Walderlebniszentrum“ entstanden.
Dann hätte der Mann, der eigentlich als Kabarettist sein Geld verdient, noch zu den anderen 36 Bezirken je eine Geschichte schreiben sollen. Aber das hat alles zu lange gedauert, weil der lustige Erzähler halt nicht der Schnellste ist. Aus Egersdörfers Geschichten zu Bethang ist demnach nichts geworden. Nachdem einige Zeit verstrichen ist, hat der Egersdörfer gemerkt hat, dass er gerne kleine Ausflüge in verschiedene Bezirke der Region macht mit seinem Notizbuch und dass er dem Neumann dankbar ist, ihn auf diese Idee gebracht zu haben.
In dieser ganzen langen Zeit ist es auch passiert das dem Egersdörfer der Comic „Warum wir müde sind“ vom Michael Jordan in die Hände gefallen ist. Der Künstler ist 1972 in Erlangen geboren. Dort lebt und arbeitet er als Zeichner und Druckgrafiker. Es sei denn, dass er in Amerika unterrichtet, in Thailand einem Stipendium nachgeht oder in Graz mit der Gruppe Tonto kreativ ist. Mit diesem Künstler*innenkollektiv ist in einem jahrelangen, vielschichtig verwobenen Prozess u.a. „Warum wir müde sind“ entstanden. Das schöne Buch hat den Egersdörfer sehr begeistert. Zusätzlich hat er noch herausgefunden, dass man mit dem Künstler z.B. in einem Biergarten sehr gut und ohne Eile sitzen, trinken und gelegentlich sprechen kann. Der Mann aus Fürth hat dem Jordan ein paar Geschichten über die Exkursionen im nahen Umfeld zukommen lassen. Und so kam es dann, dass der Jordan auch einmal in das „Walderlebniszentrum“ nach Tennenlohe gefahren ist und dort zeichnete, was er sah.
Die beiden haben jetzt vereinbart, dass sie zukünftig zusammen hier in der Gegend öfter mal wohin fahren wollen. Vor Ort zeichnet dann der Jordan und der Egers macht sich Notizen, und im aktuellen curt kann die hochgeschätzte Leserin dann erfahren, was hierbei unter dem Titel Kleine Ausflüge vom Egersdörfer und dem Herrn Jordan herausgekommen ist. Die Postleitzahl wird auch immer angegeben. Denn es kann ja sein, dass die Leserin auch die Orte finden möchte, an die es die beiden Herrn verschlagen hat.
ZU JAHRESBEGINN IM TENNENLOHER FORST
91058 Erlangen
Das ewige Rauschen der Kraftfahrzeuge unter dem hell übermahlten Himmelsblau. Trüb glotzen die Pfützen am Parkplatz. Der Winter ist von gestern auf heute geschmolzen. Am ersten Baum des duftenden Waldes hängt ein laminiertes Schild, das bittet, 1,50 Meter Abstand voneinander zu halten, um sich selbst und andere zu schützen. Mit gewinkelten Armen und ernst schnaufend flitzen Mann und Frau in funktionaler Kleidung und Laufschuhen durch das Bild des späten Nachmittags. Weitere Schilder beweisen, hier wurde der Wald neu erfunden. Links geht’s zum „Waldlabyrinth“. Gleich dahinter zweigt rechts der „Barfußpfad“ ab. Der „Naturerlebnispfad“ führt zu weiteren zwölf Stationen im „Walderlebniszentrum“. Aufgrund von Beschädigungen wird die Anlage zum Teil „videoüberwacht“ ist auf einem Schild groß und rot angeschlagen. Berucksackte Mütter mit verschränkten Armen stehen im Plausch umrundet von lachrennenden Kindern. Neben den letzten Schneeflecken funkelt das Moos zwischen braunem Laub und feuchter schwarzer Erde. Ein keuchender Mops zieht einen älteren Herrn den Weg entlang zu einem vergrabenen Geheimnis. An Zweigen knospelt es schon insgeheim. Unbeirrt pfeifen, tirilieren und singen die Vögel die neue Zeit herbei. Der rennende junge Mann mit den zwei kleinen, weißen Nudeln in den Ohren hört davon kein bisschen. Bemerkt auch nicht weiter hinten Familie Reh, die leise mit unregelmäßigen Sprüngen durchs Gehölz zu ihren Plätzen eilt, als habe die Vorstellung schon begonnen.
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