Kitsch trifft nackte Haut: Eva Borrmanns Soft Focus in der Tafelhalle

DONNERSTAG, 3. FEBRUAR 2022, TAFELHALLE

#Eva Borrmann, #Impulsförderung, #Kitsch, #Performance, #Plan Mee, #Soft Focus, #Tafelhalle, #Tanz

Drei Jahre Zeit zum Forschen und Arbeiten. Das bedeutet die Impulsförderung durch die Stadt Nürnberg, die seit vergangenem Jahr die Tänzerin und Choreografin Eva Borrmann innehat. Das Förderprogramm ist eine Zusammenarbeit mit der Tafelhalle, 20.000 Euro jährlich schwer, und verfolgt das Ziel, Künstlerin und Spielort mögen sich auf möglichst reiche Weise gegenseitig befruchten. Eindrücklich gelungen ist das zuletzt der Stipendiatin Barbara Bess. Eva Borrmann nun hat sich für ihre drei Jahre Förderung einen besonderen Fokus gesetzt: Sie untersucht das besondere Spannungsverhältnis von Kunst und Kitsch. Ein erstes Ergebnis dieser Forschung wird ab 03. Februar zu sehen sein. Mit im Boot sitzt Borrmanns Tanzensemble Plan Mee

Soft Focus bezieht sich direkt auf die Arbeiten des Fotografen David Hamilton. Hamilton provozierte in den 70er-Jahren mit kitschig überformter Aktfotografie minderjähriger Mädchen. Sein ästhetisches Markenzeichen: Der Weichzeichner, soft focus. Borrmann greift auf diese Körper der Kunstgeschichte zu und lässt sie tänzerisch eskalieren. Etwas dringt an die Oberfläche und stellt die stereotype Darstellung im Kitsch in Frage, der “sozial geformte” Körper soll mit Hilfe der Performence herausgefordert werden. 

Zur Produktion Soft Focus gehört auch eine Fotoinstallation von Arina Essipowitsch, die sich ebenfalls dem Themenkomplex Kitsch-Körper-Macht annähert. Zu sehen dann im Mai in der Tafelhalle. 

Die Arbeit des Plan Mee-Kollektivs unter Leitung von Eva Borrmann feiert am 03. Februar seine Premiere. Auf der Bühne stehen Susanna Curtis und Alexandra Rauh. Im Interview verrät Borrmann mehr über die Hintergründe ihres Projekts.
 

Wir gratulieren nochmal zur dreijährigen Impulsförderung! Der thematische Überbau deiner Impulsförderung ist “Kitsch/Kunst”. Was bewegt eine Künstlerin und Choreografin dazu sich so intensiv mit dem Thema Kitsch auseinander zu setzen?

In allen meinen Arbeiten beschäftige ich mich mit dem "sozial geformten Körper”. In meinen bisherigen Projekten bin ich deshalb immer wieder auf das Phänomen Kitsch gestoßen und habe mich intensiv mit dem Narrativ des Kitsches auseinandergesetzt. Der Kitsch verfolgt dabei ein Ideal, das geprägt ist von stereotypen und stummen Menschenbildern.

Im Kitsch nicht zu finden sind Individualität, Ironie und Abgründigkeit. Alles Aspekte die jedoch in meinen Arbeiten sehr präsent sind, sie sogar ausmachen. Ich stelle mich dem Kitsch also gegenüber und frage mich: “Wer bist du? …wo liegt deine Individualität und Abgründigkeit?”.

Deine erste Arbeit SOFT FOCUS beschäftigt sich mit der Frage: Wie gefährlich ist es, wenn Kitsch auf nackte Haut trifft?. Für die Produktion arbeitest du mit zwei Performerinnen zusammen die 58 und 61 Jahre alt sind - im Tanz eher ungewöhnlich. Wie kam es dazu?

Ausgangspunkt der Arbeit sind die Aktfotografien des Künstlers David Hamilton, der in den 70er-Jahren Berühmtheit erlangte. Sein Markenzeichen: Der Weichzeichner - SOFT FOCUS. In der Popkultur ebnete er damit den Weg für ein bestimmtes ästhetisches Frauenbild das geprägt ist von jungen, Lolita-artigen Mädchen. Die beiden Performerinnen, Alexandra und Susanna, sind mit diesen Bildern aufgewachsen und dieser Zeit entsprungen. Auch ihre Körper haben diese Bilder verinnerlicht. Es war mir wichtig mit ihnen in einen Dialog zu treten, der vergangene und aktuelle Sichtweisen auf das Thema Körper und Macht miteinander verbindet und die Chance birgt einen ganz eigenen Standpunkt zu finden.

Wie werden die Bilder von David Hamilton in SOFT FOCUS zum Leben erweckt?

Wir haben uns intensiv mit der Körpersprache und dem Raum in den Fotografien von David Hamilton beschäftigt. Zu erkennen sind immer wiederkehrende Posen und Blickwinkel. Die Bilder offenbaren ein fragiles und devotes Frauenbild und setzen sich nur sehr langsam in Bewegung. Unsere Arbeit liegt darin, die Bilder von David Hamilton Stück für Stück zu zerlegen und mit unserer eigenen, weiblich geprägten Sichtweisen zu überschreiben. Die Bilder von David Hamilton eskalieren somit. Ein Gewaltakt!

___
Soft Focus von Eva Borrmann / Plan Mee
Premiere: 03.02., 20 Uhr, Tafelhalle.
Weitere Termine: 04., 05., 25. und 26.02.
Alle Infos und Tickets: kunstkulturquartier.de





Twitter Facebook Google

#Eva Borrmann, #Impulsförderung, #Kitsch, #Performance, #Plan Mee, #Soft Focus, #Tafelhalle, #Tanz

Vielleicht auch interessant...

TAFELHALLE. Im Dezember verschmelzen in der Tafelhalle die Erzählebenen auf der Bühne. Die Video- und Choreographin Stephanie Felber möchte mit ihrem Team das Gefilmte und das Live-Bühnengeschehen gleichwertig behandeln, beide Medien interagieren im Rahmen der Aufführung miteinander. Carnal Screen lädt das Publikum dazu ein, sich im Suspense zu erleben, das Auge wie eine Kameralinse zu fokussieren, zu zoomen, und reagierend auf die Dramaturgie der Impulse, sich immer wieder neu auf das Geschehen einzulassen. Die Performer:innen verhandeln mit Muskeltonus und Atemrhythmus eine Situation zwischen Halten und Loslassen, Unsicherheit und Entspanntheit. Ab 19.12. Am 17.01. folgt dann die Premiere von Eva Borrmanns Arbeit über Heim- und Fernweh Nostalgia (ausführliches Interview HIER) und am 30.01. Alexandra Rauhs Curious Space: Eine Tanz-Sound-Performance, die in die Zukunft blickt, in der zwei glänzende, quietschende Wesen die Frage verhandeln, wie ein solidarisches Miteinander trotz unterschiedlicher Bedürfnisse, Befindlichkeiten und Herausforderungen gelingen kann. Rauh erschafft dafür einen Raum, der selbst wie ein lebendiger Körper aus Material und Sound funktioniert.

www.kunstkulturquartier.de/tafelhalle  >>
20241201_pfuetze
20241201_Staatstheater
20230703_lighttone
20241118_Ruetter
20240601_ebl
20241220_Cine_Silvester
20241201_Theater_Erlangen
20240801_mfk_PotzBlitz
20241201_Umweltreferat
20241104_curt_XMAS
20241201_AFAG_Whiskey
20241201_Kaweco
20241001_Retterspitz
20241201_Literaturpreis