KommVorZone: Die Südstadt pimpt die Südstadt
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Man könnte ganz einfach sagen, die Südstadt soll kommunikativ und kulturell gepimpt werden. Die KommVorZone schafft zu diesem Zweck ein neues Zentrum. Für und von Bürger*innen und Künstler*innen. Wir lassen uns das von Olga Komarova, freischaffende Künstlerin und Leiterin der KommVorZone, und ihrem Orgateam Marina Moos, und Matti Kunstek erklären, denn da steckt natürlich mehr dahinter.
Was genau will, bzw. bezweckt die KommVorZone – und woher kommt sie?
Olga: KommVorZone ist ein Pilotprojekt, initiiert durch das Amt für Kultur und Freizeit, Abteilung Kulturläden in Kooperation mit dem KUF im südpunkt. Inspiriert von der „Agora“, dem zentralen Fest-, Versammlungs- und Marktplatz antiker griechischer Städte, soll ein temporäres Kulturzentrum in der Nürnberger Südstadt geschaffen werden – eine Plattform für Begegnungen in der Nachbarschaft, für Kommunikation und Kreatives. Ein „Dritter Ort“ soll entstehen, ein Ort zwischen Wohnen und Arbeit, entwickelt von und für die Bewohner des Stadtteils. Diese Plattform wird in einem partizipativen Prozess bis Mai 2021 entwickelt und umgesetzt. Ab Mai bis Juli wird sie frei zugänglich für die Aneignung durch die Stadtteilbevölkerung sein und für die kulturelle Nutzung durch unterschiedlichste AkteurInnen bereitstehen.
Ihr seid in der Südstadt auf der Suche nach Ideen für die Südstadt. Warum nimmt sich die KommVorZone genau diesen Stadtteil vor?
Olga: Die beiden Bezirke Galgenhof und Hummelstein werden den „sozial angespannten Quartieren“ zugeordnet: hohe Arbeitslosigkeit, hohe Anzahl an Bewohnern mit Migrationshintergrund und zugleich Unterversorgung durch kulturelle Angebote. Gerade in solchen „sozial angespannten Bezirken“ sind die Projekte, bei denen es um Partizipation und Empowerment geht, sehr wichtig.
Matti: Wir bemerken im laufenden Prozess, dass die Ideen für die Südstadt schon in der Südstadt vorhanden sind. Die Idee war, eben durch die Plattform diesen Ideen eine Fläche zu geben, sich zeigen zu können und erlebbar zu werden. Zusammen mit der TH wurde als Semesterprojekt im Schwerpunkt „Integrierte Stadtentwicklung“ eine Stadtteilanalyse erstellt.
Welche Erkenntnisse konnten gewonnen werden und fließen in die KommVorZone ein?
Marina: Im Sommersemester beschäftigte sich ein Teil der Studierenden mit der Auswertung verschiedener Bürgerbeteiligungsformate (Boulevard Babel, Bewerbungsbüro N2025, Gemeinschaftshaus Langwasser, Quartiersbüro Südstadt) und ging dabei der Frage nach, welche Faktoren zum Gelingen bzw. Nichtgelingen von Bürgerbeteiligungen beitragen. Daraus ging hervor, dass die persönliche Kommunikation und das Ernstnehmen aller Beteiligten, eine niedrigschwellige Gestaltung, Transparenz, Anpassung an den Stadtteil, die Berücksichtigung von Sprachbarrieren, die Schaffung von Anregungen sowie die Kombination aus Veranstaltung und Befragung wesentlich zum Erfolg beitragen. Diese Erkenntnisse konnten wir bei unseren mobilen Aktionen, die wir im September und Oktober an zehn verschiedenen Plätzen in der Südstadt zur Bewerbung der KommVorZone durchgeführt haben, auch direkt anwenden. Eine Mischung aus künstlerischen Interventionen und Fragen mithilfe einer Themenlotterie, durch die wir viele interessante Südstadtbewohner*innen kennenlernen durften, die uns von ihren persönlichen Sorgen, Bedürfnissen und Wünschen erzählten. Die zweite Gruppe recherchierte die spezifischen Angebote, Zielgruppen und Motive lokaler Akteur*innen, Institutionen und Schlüsselpersonen und ergänzte hierdurch die Liste mit potenziellen Kooperationspartner*innen im Stadtteil. Und in der dritten Gruppe wurden statistische Daten analysiert, um festzustellen, welche Bevölkerungsgruppen im Einzugsgebiet der KommVorZone leben und welche von kulturellen Angeboten erreicht werden und welche eher nicht. Für das Wintersemester wurden die Fragestellungen noch weiter vertieft und die abschließenden Ergebnisse der Studierenden Mitte Dezember präsentiert. Eine Begleitung und Evaluation der KommVorZone während der Umsetzung durch die TH ist für das Jahr 2021 geplant.
Ihr möchtet mit euren Werkstätten das konstruktive Gespräch im Kiez anregen. Wie macht man das? Wie erreicht man die Leute, was funktioniert?
Olga: Das Ziel der ersten Werkstätte war eine Programmgruppe zu bilden und die Idee der Offenheit zu kommunizieren. Die Programmgruppe ist so etwas wie ein offenes, diverses Kuratorium, das aus Stadtteilbewohnern besteht. Wir haben über ganz verschiedene Kontakte alle möglichen Gruppen und Einzelpersonen zum Mitmachen eingeladen. Aus der Programmgruppe heraus soll entschieden werden, wie die Plattform aussehen und was dort angeboten wird. Nach den ersten Werkstätten entwickelte sich bereits die erste Vision: es soll ein Open Space entstehen, bei dem
es in erster Linie um den sozialen Aspekt des Miteinanders und des gemeinsamen Erlebens geht. Also viel Begegnung, viel Mitmachen und Mitgestaltung, viel Self-Empowerment und Empathie, weniger passiver Konsum. Es soll ein Raum für Spontanes angeboten werden, unter anderem durch offene Bühnen oder Speakers Corner, und zwar für alle, unabhängig von Alter, Gender, Nationalität und soziale Schicht.
Klingt traumhaft, stellt uns alle jedoch vor vielen Herausforderungen: Wie erreicht man das Gefühl, dass dieses Open Space allen Stadtteilbewohnern gehört? Wie beugt man Vandalismus vor? Wie geht man mit gefährlichen Inhalten um? Wie fördert man die Teilhabe? Aber auch: Wie gestaltet man die Plattform möglichst multifunktionell und umweltfreundlich? Die Antworten auf diese Fragen werden in weiteren Workshops gesucht. Geplant sind Workshops zu den Interventionen im öffentlichen Raum, zur Partizipation, zu Anti-Bias-Methoden, sowie Gestaltungs- und Bauworkshop.
Matti: Das Konstruktive, wie Olga schon sagt, entsteht in diesem Dialog zwischen den Beteiligten. Jeder gibt mit seinem Input wieder neue Denkanstöße. Man findet in den Gesprächen der Programmgruppe und in den Werkstätten immer wieder ganz interessante Einblicke auf bestimmte Themen. Jeder ist ja durch seine Erfahrungen im Alltag und durch seine Wünsche ein Experte auf einem Gebiet. Diese Offenheit ist eine sehr einladende Erfahrung.
Der erste Vor-Ort-Termin war am 17.10. Hat es funktioniert?
Marina: An der Auftaktveranstaltung haben rund zwanzig Personen teilgenommen. Und wegen coronabedingter Abstandsregelungen hätten es auch tatsächlich nicht viel mehr sein dürfen.Die Zusammensetzung war sehr divers und eine gute Mischung aus alteingesessenen und neuhinzugezogenen Südstädter*innen. Wir haben versucht, eine angenehme Wohnzimmeratmosphäre im südpunkt zu schaffen, um uns ein fiktives Wochenende in der Südstadt im Jahr 2030 vorzustellen, so, wie es optimalerweise sein könnte. Heraus kam eine Vision in der Zukunft, die alle Facetten des Lebens umfasst und die Urbanität seiner Bewohner*innen im Stadtteil widerspiegelt – mit ihren Bedürfnissen nach Kunst und Kultur, Kommunikation und Kreativität, Bewegung und Entspannung und natürlich nach gutem Essen ...
Das Projekt ist partizipativ. Wer nimmt teil, bzw. soll teilnehmen?
Olga: Erstens gibt es die Programmgruppe, die zusammen mit den Projektleiterinnen und dem Team südpunkt den Grundrahmen für die Plattform und Programm bestimmt. In dieser Programmgruppe sind sehr viele aus dem ersten Workshop am 17.10. dabei, was sehr für die gute und offene Stimmung spricht, die auf dem Workshop herrschte. Zweitens möchten wir Vereine und Akteure des Stadtteils in die Programmgestaltung einbeziehen. Diese sprechen wir direkt an und informieren sie auch laufend, wo wir gerade mit dem Projekt stehen. Denn man kann sich ja jeder Zeit beteiligen und miteinsteigen. Und drittens soll das Programm so konzipiert werden, dass alle Stadtteilbewohner die Möglichkeit haben werden, die Plattform und das Programm mitzugestalten und zu nutzen. Zum Beispiel planen wir ab Mai 2021 verschiedene Aktionen, bei denen jeder Bewohner intervenieren und z.B. beim Plattformbau mitwirken darf. Welche Art Aktionen das sein werden und wer da als Experte zur Hilfe steht, beraten wir gemeinsam mit der Programmgruppe.
Kann man als Bürger, Verein oder Initiative noch weiterhin Ideen einbringen?
Olga: Klar! Die Programmgruppe ist nicht geschlossen, das heißt, jede/r Interessierte darf uns anschreiben und zu einem Workshop oder Arbeitstreffen kommen. Aber auch wenn man keine Zeit hat, regelmäßig in der Programmgruppe mitzuwirken, kann man uns Ideen und Wünsche per E-Mail schicken. Das Gleiche betrifft auch ganz konkrete Vorschläge. Wenn ein Verein, eine Initiative oder ein Akteur etwas im öffentlichen Raum machen möchten, sei es ein Auftritt, Workshop, Bildungsmaßnahmen, Aktionen, kann man mit seinem Vorhaben im Zeitraum zwischen Mai und Juli 2021 dabei sein. Input ist immer gerne gesehen!
Habt ihr schon einen Eindruck gewonnen, was die drängendsten Themen der Südstadt sind?
Matti: Es ging bisher viel um das gemeinsame Draußensein. Um ungezwungen miteinander Kultur zu genießen. Zusammen etwas auf die Beine zu stellen. Die Südstadt mit mehr Wohnzimmer-Charakter auszustatten … Also auch viel darum, die Aufenthaltsqualität in der schönen Südstadt zu verbessern und besonders darum, die öffentlichen Plätze, die existieren, nutzbar für den Bedarf der Stadteilbevölkerung zu machen. Die Südstädter mögen den Nürnberger Süden und wollen diesen auch in ihrer Freizeit besser nutzen können.
Es wird eine physische Plattform geben, also eine Bühne. Wo kann die stehen und wie oder von wem soll sie bespielt werden?
Matti: Bis jetzt wird viel über die Parks gesprochen, aber auch kleine Grünflächen, auch über die temporäre Nutzung von Straßen, also Fahrbahnen. Es geht also gar nicht so sehr um eine Bühne, sondern eher um eine szenische Fläche, auf der man die Vielfalt und die Bedarfe der Südstadt inszenieren und zusammenbringen kann. Es wird in der Programmgruppe auch über Lernräume gesprochen, über temporäre Gastronomie, über die Möglichkeiten, sich über die Südstadt und Informationen auszutauschen, sich zu vernetzen und an Initiativen zu beteiligen, aber auch über die Beteiligung von Kindern und alten Menschen. Es wird auch darüber diskutiert, ob es einen zentralen Ort mit vielen kleinen Satelliten geben, oder ob es ein rein mobiler, nomadierender Kultur- und Gemeinschaftsort werden soll. Das alles entwickelt sich zur Zeit noch. Und jeder kann mitreden und mitentscheiden.
Die KVZ findet erstmals in der Südstadt statt. Ist das ein Konzept, das auf andere Stadtteile übertragen werden kann?
Olga: KommVorZone war eins der Projekte im 2. Bidbook zum Titel Kulturhauptstadt Europas. Hätten wir gewonnen, wäre es gesichert, dass KommVorZone im Jahr 2022 in anderen Stadtteilen realisiert werden könnte. Da wir den Titel nicht bekommen haben, ist die Zukunft des Projektes in einem anderen Stadtteil erstmal unklar. Wir freuen uns jedoch, dass die KommVorZone unabhängig von dem Kulturhauptstadttitel in der Südstadt komplett durchgeführt wird. Und ich glaube, wenn das Ergebnis überzeugend genug wird, kann man sich sicher über die Fortsetzung in anderen Stadtteilen Gedanken machen. Mein größter Traum ist, dass wir die Stadtteilbewohner so empowern können, dass die KommVorZone in der Südstadt einfach als freie Initiative weiter lebt.
Momentan verhagelt auch noch Corona das Zusammensein und gemeinsames Workshoppen. Was bedeutet das für die KVZ?
Matti: Wie so vieles wurden die Treffen jetzt erst mal in den digitalen Raum verlegt. Aber das Ergebnis wird auf jeden Fall in echt zu erleben sein. Interessanterweise ist der digitale Raum aber für das Workshoppen nichts Schlechtes. Nur für ein paar Gruppen, wie z.B. ältere Menschen, stellt das Digitale schon eine Hürde dar. Olga und Marina überlegen sich aber gerade, wie man da eine andere Form der Beteiligung mit einbringen kann.
curt sitzt selbst in der Südstadt. Sind wir deshalb der ideale, projektbegleitende Medienpartner?
Olga: Ja, unter anderem. Aber nicht nur. Uns geht’s darum, möglichst viele Menschen über den aktuellen Stand des Projektes zu informieren – interessant und verständlich. Und das schafft ihr in euren Editorials hervorragend.
Das stimmt. Danke.
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Die zweite Online-Ideen-Werkstatt der KommVorZone findet am 19. Dezember von 16 bis 18 Uhr statt. Es wird dabei bereits um die Entwicklung erster konkreter Maßnahmen gehen. Interessierte melden sich bis 17.12. via Mail und bekommen daraufhin den Link zur Veranstaltung.
Anmeldungen und Infos unter
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