Theater-Performance: Ideale Körper
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„Ich liebe meinen Körper. Nicht, weil er schön ist, sondern weil er mir ermöglicht, zu leben.“ Das hat die Tänzerin und Ikone Louise Lecavalier gesagt. Katharina Bill beeindruckte dieser Satz dermaßen, dass sie daraus ein Theaterstück machte.
Blaues Licht und Meeresrauschen, auf drei Bildschirmen flimmert eine Unterwasseraufnahme von Frauenkörpern in Zeitlupe. Nixenartige Bewegungen. Fast vermisst man als Zuschauer Fischschwänze und Schuppen. Dafür gibt es aber schillernde Glitzerkostüme, die auch gut in einen Club passen würden. Offensichtlich befinden wir uns aber am Strand. Ein Ventilator pustet passend zum Beat Haare durcheinander, Wangen füllen sich mit Luft und blasen Slow-Motion-getreu einen rosa Schwimmreifen von schrumplig zu glatt. Das Zeitlupenspiel überträgt sich, von den Bildschirmen auf die Bühne und zurück. Man hat mächtig viel Zeit, um einem verpassten Strandtag hinterherzuweinen, wenn man denn ein Strandtyp ist. Toll sind diese langsamen Bewegungen. Kein gehetztes Gucken und kein Angsthaben, etwas zu verpassen. Mimik, Körper, die Zunge auf einem Eis. Alles hypnotisierend langsam. Zwischendrin wird der tragende Beat unterbrochen und Liebeslieder plärren in den Raum, die von den Frauen abwechselnd Playback zelebriert werden. Liebeslieder an den Körper. Nicht schlimm, wenn man das nicht versteht, der Ausbruch aus der Zeitlupe ist so oder so gut.
Scham der Watte
Gedrosselt geht es weiter in den Mittelteil, in dem es eher vanilleeisig zugeht. Die Frauen konsumieren erst genussvoll eine blaue Flüssigkeit und spucken diese dann würgend aus. Das passiert ein paar Mal. Irgendwie denkt man dann wieder an die Clubsituation, wie sie da so spucken in ihren Glitzerklamotten. Schon eklig. Weiter geht es mit dem Zeitlupenchaos, in dem die Eisträgerin – beeindruckend langsam – stürzt und die Waffel an einer Stirn andockt. Ins Auge geht auch die Sonnencreme. Das Desaster endet am Höhepunkt, in dem einer Hand (unvorhergesehen unschnell) eine Tamponschachtel entgleitet und die Watteovale über die Bühne kullern. Das passiert gravitationsbedingt nicht in Zeitlupe. Als logische Konsequenz spritzt aus einer Plastikflasche rote Flüssigkeit zwischen den Frauenbeinen Richtung Handtuch. Alle schämen sich, auch die Zuschauer.
Komisch und schön
Der Beat, komponiert von Jakob Jokisch, wird von ebendiesem im dritten Teil des Stückes an der E-Gitarre begleitet. Die Beleuchtung erlischt, die Frauen ziehen sich um. Auf den Bildschirmen über der Bühne gibt’s dafür wieder was zu sehen. Ein abstrahiertes Männchen fährt seine Beine beim Laufen unnormal ein und aus, von lang zu kurz. Der ganze Körper krümmt und streckt sich. Bettina Büttner (Macherin der Videos), kennt sich offensichtlich mit 3D-Animationen aus und zeigt uns digitale Menschendoubles. Die schauen gruslig echt ins Publikum. Dass es keine echten Menschen sind, verstehen nicht alle. Egal, auf der Bühne geht es weiter. Die neuen Kostüme sind eher Strumpfhosen, geschichtet über Körper und Gesichter. Diese entkörperten Formen können sich auch in normaler Geschwindigkeit bewegen und fangen sogar an zu sprechen. Sie fragen sich gegenseitig, ob die anderen dachten, sie seien komisch gewesen am Strand. Ob man generell denkt, man sei komisch. Weil man sei ja schon komisch, irgendwie. Man mache sich eben seine Gedanken, komisch zu sein. Dieses Gefrage geht hin und her, trotz der ständigen Verneinung und der Aussage, man finde sich gegenseitig sehr schön. Jaja, ist ja gut, denkt der Zuschauer. Angenehm ist das Ende nicht, nervig eher. Aber die Frage nach dem idealen Körper ist anstrengend. Die Suche danach ausweglos. Das Sein, ohne Fragen und Vergleiche, dagegen ganz leicht (habe ich mir sagen lassen).
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Theater ZwoSieben
Konzept und Regie: Katharina Bill
Ausstattung und Video: Bettina Büttner
Sound: Jakob Jokisch
Performerinnen: Katja Gottenbusch, Vera Lenhard, Natalie Schmal, Verena Schmitt, Sabine Wild
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Text: Helene Schütz
Fotos: Mario Heinritz
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