Theater Erlangen/Fürth: Neu erblühende Landschaften

DONNERSTAG, 1. OKTOBER 2020, ERLANGEN, FüRTH

#Dieter Stoll, #Stadttheater Fürth, #Theater, #Theater Erlangen

Auch in Erlangen und Fürth stehen sie wieder auf der Bühne. Curts Kritiker Dieter Stoll hat sich durch das Programm gewühlt und geschichtsträchtige Projekte, Kafkas Kunst der Poesie und ein regionales Dreamteam entdeckt. 

THEATER ERLANGEN

PREMIERE: Mit 13 Personen mehrerer Generationen unterschiedlicher Herkunft geht die Erlanger Bürgerbühne auf die Suche nach Utopien, die im 30. Jahr der Wiedervereinigung vielleicht neu erblühende Landschaften versprechen. WER OST SAGT, MUSS AUCH WEST SAGEN steht als Behauptung über dem Projekt. In der Inszenierung von Matthias Spaniel ist das mit dem symbolträchtigen Premierentermin am Einheits-Gedenktag 3. Oktober und an weiteren fünf Abenden die Einladung zum Mitdenken. Der Redoutensaal wird zum Theater auf Zeit.
Premiere: 3. Oktober.
Weitere Aufführungen 16., 17., 18., 30., 31. Oktober.

ZWEITPREMIERE: Heinrich Manns Satire über den deutschen Spießer als Prototyp des Anpassers war seinem feinsinnigeren Bruder Thomas zu drastisch, aber Kurt Tucholsky jubelte. Wolfgang Staudtes DEFA-Verfilmung DER UNTERTAN gehörte dann eher versehentlich zur DDR-Kunstprogrammatik. „Blinder Gehorsam“ als Staatsräson, das lag der aus Ruinen auferstandenen Republik denn doch nicht so fern. Es war einer der besten deutschen Filme der frühen Nachkriegszeit. Inzwischen wird das Buch wieder anders und erneut gegenwartsbezogen gelesen, die Dramatisierung als Möglichkeit wieder neu beachtet. Die Erlanger Theaterfassung von Matthias Kaschig hatte Pech, am Tag nach der Premiere am 7. März legte ein inzwischen sehr vertrautes Virus auch die Kultur lahm. So ist der Anlauf zur zweiten Aufführung sowas wie eine erneute Premiere.
Aufführungen am 18., 19., 20., 21., 22., 25. Oktober, Markgrafentheater.

PREMIEREN: Zwei weitere Erlanger Projekte könnten Puzzle-Teile werden. Von Beirut über Hongkong bis zurück nach Erlangen schweift der Blick bei PROTEST4, wo Nina Lilith Völsch und Max Mehlhose-Löffler die ganze Welt ins Visier nehmen: Was macht Menschen von Beobachtern zu Teilnehmern eines Protests? Von Sympathisanten zu Agitatoren? Dokumentierte Realität als Bühnenfutter. Anastasija Bräuniger gewann den Regienachwuchswettbewerb mit ihrem Konzept für diese Uraufführung. Mit thematisch ähnlicher Stoßrichtung, aber ganz der Kunst der Poesie verpflichtet, wird Franz Kafkas Erzählung DER BAU dramatisiert. Zwischen realistischem Sicherheitsbedürfnis und irrationaler Paranoia sucht da ein Wesen hinter Schutzmauern seinen Platz. Es könnte Mensch oder Tier sein, von sehr allgemeinen oder ganz konkreten Ängsten gebeutelt werden.
Protest4 am 7., 8., 9., 10., 12. Oktober und 19., 20., 21. November.
Der Bau am 31. Oktober und 26., 27., 28. November im Theater in der Garage.

SCHWERPUNKT: Ambitioniert ist Thomas Krupas BARTHOLOMÄUSNACHT – EIN REQUIEM auf alle Fälle. Der Autor und Regisseur balanciert mit der weit zurückliegenden Hugenottengeschichte, deren Spuren von Frankreich bis nach Erlangen führten, und sucht im historischen Bilderbogen die Spiegelung der Jahrhunderte. Viel Personal, gekrönte oder religiöse Häupter im schmerzhaften  Zusammenprall und herausfordernde Gedankensprünge, die bei der September-Premiere die Zustimmung des Publikums, aber eher distanzierte Kommentare der Kritik auslösten. Widersprüche machen neugierig. Und: Vielleicht gab es ja seither einen Nachreifeprozess?
Aufführungen: 14., 15., 16., 18.,19., 21., 22., 23. November im Mark-
grafentheater.

THEATER ERLANGEN Theaterplatz 2, Erlangen. 
www.theater-erlangen.de 


THEATER FÜRTH

PREMIERE: Seit „Petticoat und Schickedance“, dieser milde satirischen Revue-Hommage an lokale Größen der Fürther Wirtschaft, gelten der komponierende Bandleader Thilo Wolf und der mit Romanen erfolgreiche Pädagoge Ewald Arenz als Dreamteam des Stadttheaters. Das Musical, das sie nach zwei weiteren Projekten jetzt in Bewegung setzen, verspricht die erneute Nutzung offenkundiger Talente. Das ist die gleitende Ironie des Autors zur Pointe und der Swing des BigBand-Musikers samt dauerhafter Tendenz zu Steppdance und Showrahmen. In SWING STREET ziehen sie in ein geträumtes New York, wo ein deutsch-amerikanisches Paar in rockigen Zeiten jüngerer Vergangenheit im alten Plattenladen die Zaubertür zu golden jazzenden Zeiten entdeckt. Die Wonnen der Nostalgie und die Parole „Zurück in die Zukunft“ beim Pendeln zwischen 1930 und 2020. Sparten-Fachmann Gaines Hall inszeniert die Uraufführung mit fünf Solisten und Studierenden der Münchner Everding-Akademie, die schon bei Nürnberger Broadway-Ambitionen hilfreich war. 
Premiere 16. Oktober. Weitere Aufführungen 17., 18., 20., 21., 22., 23., 24., 25., 29., 30., 31. Oktober im Theater Fürth.

GASTSPIEL: Durch Abstimmung über das Finale eines Dramas hat der mit seinen Romanen sehr erfolgreiche Autor Ferdinand von Schirach 2015 weltweit, auch in Nürnberg, die Theater gefüllt. „Terror“ hieß das Gerichtsdrama des Anwalts, der nach wahrer Begebenheit über den Abschuss eines Flugzeuges zur Rettung größerer Menschenmassen vor Gericht verhandeln ließ. Im grade erst 2020 uraufgeführten Zweit-Stück GOTT (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen, leider kaum mehr gespielten Einakter von Woody Allen) steht das umstrittene Recht auf Suizid zur Debatte von Juristen, Politikern und Bürgern. Mit dem letzten Wort für die anwesenden Zuschauer. Eine Tourneeproduktion sicherte sich schnell die Aufführungsrechte und probte schon parallel zur Berliner Uraufführung. So kommt das Fürther Theater auf die erste Diskussionswelle, noch ehe die TV-Verfilmung begonnen hat.
Aufführungen: 20. und 21. November im Theater Fürth.

GASTSPIEL: Noch ein wenig Operettenzauber gegen die von Trübsinn bedrohten Zeiten. „Steig in die Gondel“ wird in EINE NACHT IN VENEDIG von Johann Strauß gegen alle Corona-Regeln gelockt. Aber in dieser Sparte ist der Traum ohnehin als Normalfall gesetzt. Das Meininger Theater reist aus Thüringen nach Franken und bringt Wiener Schmäh über Italiens Karneval. Very international. Und venezianisches Trostpflaster für alle, die am 11.11. den Start des fränkischen Faschings vermissen. 
Aufführung am 11. November im Theater Fürth.

STADTTHEATER FÜRTH, Königstr. 116, Fürth
www.stadttheater.fuerth.de 




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