Retrospektive des großen Hollywoodregisseurs King Vidor

11. SEPTEMBER 2020 - 25. OKTOBER 2020, FILMHAUS

#35 mm, #Hollywood, #King Vidor, #Kino, #Kultur

Das Filmhaus Nürnberg meldet sich nach der Corona-Pause erstmals wieder mit einen umfangreichen filmhistorischen Schwerpunkt zurück! Kooperierend mit der Berlinale (Internationale Filmfestspiele Berlin und der Deutschen Kinemathek) startet am 11.09 die Retrospektive des großen Hollywoodregisseurs King Vidor. Los geht´s mit dem bahnbrechenden Film HALLELUJAH (1929)  – eine der ersten großen Studioproduktionen mit einem „all African-American cast“.  Zur Eröffnung wird Winfried Günther (Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt/Main) in das Werk einführen.

Der US-amerikanische Regisseur, Produzent und Drehbuchautor King Vidor (1894–1982) nimmt einen zentralen Platz in der Geschichte Hollywoods ein. Seine durch alle Genres und viele Dekaden inszenierten Filme vereinen Publikumswirksamkeit und Realismus und sind getragen von einer Sympathie für Frauen und Underdogs. Die Auseinandersetzung mit sozialen Fragen und das Ausloten des Potenzials der Filmsprache begleiten King Vidors gesamtes Œuvre, die mehr als 50 Filme umfasst. 1978 wurde King Vidor mit einem Ehrenoscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet.

Die Retrospektive präsentiert 15 Filme – großteils in seltenen 35-mm-Kopien –, darunter bekannte Publikumserfolge und entdeckenswerte Werke des Regisseurs sowie seine beiden frühen Meisterwerke THE BIG PARADE (1926) und THE CROWD – EIN MENSCH DER MASSE mit Live-Musikbegleitung.


Retrospektive King Vidor 11.09.2020 - 25.09.2020

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Das Filmhaus schreibt:
ÜBER KING VIDOR


„King Vidor gehörte jener ersten Generation von Filmbegeisterten an, die schon wie selbstverständlich mit den bewegten Bildern aufwuchs, jener Generation, für die das Kino noch neu und zugleich schon ganz eigene Gegenwart war. Am 8. Februar 1894 in Galveston, Texas, erlebte er als Heranwachsender mit, wie sich das Potenzial des Films rapide erweiterte; er sah aus Aktualitätenprogrammen abendfüllende Werke entstehen, aus der spontanen Lust an der Bewegungsreproduktion mit kleinen Sketchen und Geschichten regelrechte Epen sich herausbilden. Wie andere Cineasten seines Alters entschloss er sich, Film zu seinem Metier zu machen – als Autodidakt, anders ging es damals nicht. Noch keine 20 Jahre war Vidor alt, als er seine ersten Filme drehte, er lieferte Bilder für Wochen¬schauen und realisierte kurze Spielfilme als Auftragsproduktionen.

Zwischen 1919 und 1959 hat King Vidor 54 Spielfilme gedreht. Zählt man die dokumentarischen Arbeiten und kurzen Zweiakter mit, die ab 1913 ent¬standen, und die beiden essayistischen Filme, die er 1964 und 1980 realisierte, kommt man auf 67 Jahre aktiver Filmarbeit – ein Leben für den Film.

King Vidor war ein innovativer Regisseur, der sich über die Jahrzehnte stets mit großem Interesse auch den aktuellen filmtechnischen Entwicklungen stellte. Im Tonfilm setzte er bereits mit seinem ersten Versuch, Hallelujah (1929), Maßstäbe. Vidor drehte häufig ‚on location‘, er ließ sich von der sowjetischen Montagekunst ebenso beeinflussen wie von der beweglichen Kamera des Teams Murnau/Freund, ab 1939 nutzte er den neuen Dreistreifen-Technicolorfilm.

Auch erzählerisch schlug er neue Wege ein: Mit The Big Parade (1925) erfand er eine narrative Struktur, die fortan etliche vor allem pazifistische Filme über den Ersten Weltkrieg prägte; sie konzentriert sich auf eine Gruppe von Soldaten an der Front und verzichtet auf einen herausgehobe-nen heroischen Protagonisten.

Immer wieder untersucht Vidor in seinen Filmen die Verhältnisse der Geschlechter. Selten verkörpern seine männlichen Figuren das stärkere Geschlecht, vielmehr fallen die dominanten weiblichen Charaktere auf: ob aufopfernd wie Stella Dallas (Barbara Stanwyck) in dem gleichnamigen Film, kalt kalkulierend wie Rosa Moline (Bette Davis) in Beyond the Forest (1949) oder ihre Rache zelebrierend wie Ruby Gentry (Jennifer Jones) in dem Melodram gleichen Titels, die als wohlhabendste Frau der Stadt keine früher erlittene Kränkung vergessen hat. Wenn sich aber – vor allem in Vidors Melodramen – zwei Menschen treffen, die einander auf Augenhöhe lieben könnten, dann bleibt ihnen das versagt, weil sie schon anderweitig gebunden sind.

Ein wiederkehrendes Thema in Vidors Œuvre ist die Bedeutung der ameri-kanischen Klassenverhältnisse und der unsichtbaren, gleichwohl unüber-schreitbaren Grenzen, die sie darstellen – man lässt Ruby spüren, dass sie aufgrund ihrer Herkunft nichts in den sogenannten besseren Kreisen verlo¬ren hat. Vidor variiert dieses Thema in vielen seiner Filme. Auch der alltäg¬liche Rassismus in den USA während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt sich in King Vidors Werk.

King Vidor war ein Regisseur, der stets vom Thema her dachte, der nicht im Vorhinein eine bestimmte Haltung gegenüber dem Stoff definierte, sondern von diesem ausgehend einen entsprechenden Stil suchte und umsetzte. Dieses Vorgehen zeugt von seiner großen Experimentierfreude und zugleich von seiner Abneigung gegen Schablonen. Wie viele seiner fast gleichaltrigen Kollegen ergründete er die unterschiedlichsten Genres – Western, Melodramen, Kostümfilme, Komödien, am Ende realisierte er noch einen Antikfilm. Dabei erwies er sich als Profi, der die Filme auf seine ganz eigene Weise prägte, ohne dabei die Stoffe in immer gleicher Weise anzugehen. Auch aus diesem Grund ist King Vidor eine Entdeckung. Die filmhistorische Beschäftigung mit ihm kennt kaum Kontinuität, ist eher auf Ausnahmen beschränkt. Zwar wurden Titel wie The Big Parade, The Crowd, Stella Dallas oder Duell in der Sonne zu Klassikern, die neue Lesarten und Verortungen herausforderten. Ihr Regisseur jedoch wurde nicht annähernd in dem Maße bekannt wie seine Werke.“

Connie Betz, Karin Herbst-Meßlinger, Rainer Rother

 




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#35 mm, #Hollywood, #King Vidor, #Kino, #Kultur

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