EBMD: Der Text der Woche by Zülküf Kurt
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Eisenbart & Meisendraht ist das feiste, feine Literaturmagazin auf Radio Z. Und als solche logischerweise fester Bestandteil des guten Daseins auf curt.de. Wir freuen uns über einen Text von Zülküf Kurt, geboren in Diyarbakir (Türkei), politischer Berater, Journalist und Schriftsteller. 2018 musste Kurt die Türkei aufgrund politischer Probleme verlassen und lebt seither als anerkannter Flüchtling in Deutschland. Sein Text liegt in Übersetzung von Aslı Uǧurlu und Tobias Schneider vor.
Kısa Devre (Kurzschluss)
Die Bürgersteige.
Die Straßenlinie, die beginnt wo jene enden.
Die Leute, die darauf warten, die Straße zu überqueren.
Diejenigen, die im roten Licht stecken bleiben. Diejenigen, die sich an Anderen vorbei winden. Diejenigen, die nicht passieren, wenn sie kein grünes Licht sehen. Autos. Hupen. Die Kopfhörer, die uns zeigen, dass Musik uns begleitet. Die blassen Gesichter. Die frisch gebügelten Hemden. Die Jeans, die getragen und seit Tagen nicht gewaschen sind. Zigarettenrauch, der nach dem Aufstand aufsteigt. Parfümdüfte. Die Sonne, die nicht juckt. Das Gedröhne, und immer das Gedröhne…
Diese Orte, die nach Vorschrift der Gemeinde gereinigt aussehen, obwohl einige Momente zuvor Weltuntergang war. Alle Punkte, Beton und die Lichter, welche uns vom Leben trennen, und vom Leben des Anderen.
Die Bäume dort drüben, die verhindern, dass man die Natur vergisst. Das Gras, an der Unterseite mit Plastik verwoben und an die Erde geklebt. Die Blätter, die versuchen ihre Nässe durch die Sonne attraktiver scheinen zu lassen. Diejenigen, die bereits so früh auf den Bänken sitzen. Diejenigen, die jene auf dem Weg zu ihrer Arbeit passieren. Gesichter, und immer diese Gesichter.
Unsere Atemnot. Die Freuden, nach denen wir süchtig sind. Die neugekauften Schuhe. All die Kleider, die uns schöner aussehen lassen. Die Abkürzungen, wo wir Schritt für Schritt einen Gedanken verdauen. Die Spaziergänge. Die Leute, über die wir reden. Die Leute, über die wir reden wenn wir in einem Café essen und es nie erfahren werden. Die Musik, die wir so oft gehört haben, dass wir sie nicht mehr hören können und jene, die wir gehört haben, bis wir gelangweilt waren. Die Bücher, deren Einbände sich einprägten und jene, denen wir immer neue Geschichten hinzufügen. Das Verstummen, und immer diese Sprachlosigkeit. Die Ablehnung von Allem, das uns nicht existieren lässt. Ein Kreis im Kreis eines weiteren Kreises. Die Kreise, die Gleichgewichte, die wir ununterbrochen weben, unserer Suche nach den Momenten der Wirkung, die wir verändert haben.
Unsere Seelenverwandten, denen wir nicht trauen. Unsere Freunde, mit denen wir niemals unsere Geheimnisse teilen werden, aber über unsere Krankheiten sprechen können. Die Mütter und Väter, die nie gelangweilt von Momenten ihrer Kinder werden und nie müde, die selben Sätze zu wiederholen, aber denen nicht klar ist, dass sie über die selbe Zeit sprechen.
Die Universitätsneulinge, die noch nicht abgelehnt haben, ein ordentliches Benehmen zu zeigen, so dass sie, wenn sie den Busfahrer nach einer Adresse fragen, auch ihr Studienfach nennen und von uns allen stehende Ovationen erwarten. Die Studenten, die ihr nächstes Jahr beginnen und schon durch ihre Kurse fallen, die sich bürgerlich kleiden statt in Uniform…
Die Arbeiter mit ihren Ständen an jeder Ecke, ihre Müdigkeit, sie beginnen ihren Tag mit unerschöpflicher Hoffnung, die zerstört wird. Mit Wünschen auf gutes Leben stehen am Stand diejenigen, die versuchen, ihre Arbeit zu erreichen. Die Gehetzten. Die Hetzer. Die Unhetztbaren…
Wie die Herzen bei jedem Grünlicht höher schlagen. Die Visualisierung eines Traumes, der an uns vorbeizieht. Wenn ein Moment stehen bleibt. Auf unseren Uhren würde ein rotes Licht leuchten. Wir würden vergessen, wohin wir gehen. Unsere Selbstgespräche würden beendet werden, nur unsere Augen würden verweilen. Dann würden die Leute aus dem Bus die Straße hinuntergehen. Eine sanfte Brise würde aufkommen, die Kursnotizen, die wir in unseren Händen halten würden sich auf den Strassen und in Parks verteilen. Wir würden alles auf den Ständen um uns verteilen. Eine Rebellion unseres Hungers. Wir alle würden unsere Schuhe ausziehen. Wir würden irgendwo vor uns Leute sehen, die Musik genießen. Anderenfalls an jeder Ecke. Taxifahrer. Neben uns.
Die Leute, die an der Haltestelle warten sind vor uns in der ersten Reihe. Niemand würde sich kennen und trotzdem wäre man glücklich. Dann würden wir uns auf einem riesigen Platz treffen und würden uns einfach nur umsehen, während wir alles vergessen, was wir wissen. Und jedesmal, wenn uns neue Hoffnung wächst, würde das Licht auf Grün wechseln.
Die Bürgersteige.
Die Straßenlinie, die beginnt, wo jene enden.
Die Leute, die darauf warten, die Straße zu überqueren.
Diejenigen, die im roten Licht stecken bleiben. Diejenigen, die sich an Anderen vorbei drängen. Diejenigen, die nicht passieren, wenn sie kein grünes Licht sehen. Autos. Hupen. Die Kopfhörer, die uns zeigen, dass Musik uns begleitet. Die blassen Gesichter. Die frisch gebügelte Hemden. Die Jeans, die getragen und seit Tagen nicht gewaschen sind. Zigarettenrauch, der nach dem Aufstand aufsteigt. Parfümdüfte. Die Sonne, die nicht juckt. Das Gedröhne, und immer das Gedröhne… Die Stille, vielleicht sofort, oder vielleicht…
Ein Leben. Unsere Leben. Die vergehen, während wir auf das zweite Licht warten.
Würdest du trotzdem warten? Diese Frage können wir heute noch nicht beantworten. Die Stille, deren Antworten sich an Unendlichkeit lehnen. Der Druck, der uns an die Zeit bindet und die Zeit an uns.
Das grüne Licht wird bald leuchten. Wir sollten gehen…
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