Die Dichter kommen: Poetenfest in Erlangen
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Auch das Poetenfest ist so eine Sache, mit der wir eigentlich nicht mehr gerechnet hatten in diesem Jahr. Aber, wie so viele andere auch, hat sich das Team von der Pandemie nicht sofort entmutigen lassen, sondern stattdessen nach Wegen gesucht: Wie ist was möglich? Das Literaturfestival, das in diesem Jahr 40. Geburtstag feiert, eines der größten und ältesten, die es in Deutschland so gibt, findet statt.
Klar ist: Die Jubiläumsausgabe ist eine besondere und das nicht vorrangig wegen des Jubiläums, sondern wegen des Virus. Großveranstaltungen sind nach wie vor verboten und nichts anderes als eine Großveranstaltung wäre das Poetenfest in normal. Und in Jubiläum umso mehr. Das Erlanger Kulturreferat hat deshalb ein Konzept entwickelt, das das Festival entzerrt und aus der Ballung im Schlosspark ein dezentral verteiltes Festival aus kleinen Veranstaltungen macht. Neue Orte des Erlanger Poetenfests sind zum Beispiel der Skulpturengarten Heinrich Kirchner am Burgberg, der Innenhof des Stadtmuseums, die Kulturinsel Wöhrmühle, der Garten des E-Werks und das Gelände des Open Air-Kinos An der Bleiche.
Das Programm ist wegen der kleineren Veranstaltung nicht mit kleineren Namen besetzt, sondern wie gewohnt literarisches Top-Niveau. Seit 18. August wissen wir, dass gleich fünf AutorInnen des Poetenfests auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis stehen: Birgit Birnbacher liest am Samstag, 29.08. im Bürgertreff Die Villa und in der Villa an der Schwabach aus Ich an meiner Seite, ihrem neuem Roman, der von einer Resozialisierungstherapie handelt: Held Arthur kommt aus dem Knast und hält sich für den Star eines Hollywood-Films. Valerie Fritsch kommt am Sonntag, 30.08., ins Stadtmuseum und den Skulpturengarten. Die Österreicherin bringt ihr neues Buch Herzklappen von Johnson & Johnson mit, ein Familienroman, in dem das Trauma des Krieges verhandelt wird, das der Großvater aus Kasachstan mitgebracht hat.
Leif Randt, kürzlich erst zu Gast im KUNO in Nürnberg, wird am 29.08. im Stadtmuseum und im Kulturpunkt Bruck aus Allegro Pastell lesen, dieser Hyper-Gegenwarts-Liebesgeschichte zweier Maximalreflektierter. Anne Weber ist am 30.08. in Stadtmuseum und Skupturengarten zu Gast. Weber hat es geschafft, mit einem ungewöhnlichen Kunstkniff auf dem Titel von Le Monde zu landen: Sie hat ein Buch über die Widerstandskämpferin Annette Beaumanoir geschrieben, Annette, ein Heldinnenepos, für das Weber die alte Form des Versepos gewählt hat. Iris Wolf, als letzte in der Reihe der Buchpreisnomminierten wird ebenfalls am Sonntag lesen und zwar im Kulturpunkt Bruck. Ihr Roman Die Unschärfe der Welt spielt in Rumänien, beginnt in den 60ern, zu Zeiten des Ceauşescu-Regimes, reicht bis in die Gegenwart und nimmt in jedem Kapitel eine andere Figur in den Fokus.
So viel also alleine zu denjenigen, die jetzt um die höchste Weihe konkurrieren und vorher noch nach Erlangen müssen, manche sogar nach Bruck. Nein, Spaß, die Verteilung des Leseorte, das wird beim Blick aufs Programm deutlich, ist natürlich super charmant und wird im Laufe der drei Tage einen eigenen, intimeren Reiz entwickeln als die große Schau im großen Park. Die Revue der Neuerscheinungen beispielweise, die sich permanent auf die Suche nach dem relevantesten Stoff der Gegenwart macht (es lesen u.a. Marcel Beyer, Anna Katharina Hahn, Ulrike Almut Sandig), findet im Skulpturengarten am Burgberg statt, mindestens ebenso schön wie der Schlossgarten, außerdem im Stadtmuseum Innenhof, Bürgertreff Die Villa, in der Villa an der Schwabach und im Kulturpunkt Bruck. Die AutorInnen lesen jeweils an zwei Orten und werden von den Poetenfest ModeratorInnen interviewt.
Es soll aber, auch das wie gewohnt, nicht nur was vorgelesen, es soll auch diskutiert werden. Zahlreiche Veranstaltungen stehen unter der Überschrift Gespräch. Max Czollek streitet für eine plurale Gesellschaft. Und Tyson Barker und Gabriele Riedle versuchen uns die aktuelle Lage in den USA verständlich zu machen. Die ganzen großen Themen der Jetztzeit, von Heimat über Rassismus bis, ganz einfach, Glück werden von fachkundigen AutorInnen und WissenschaftlerInnen einmal zerpflückt und wieder zusammengesetzt.
Es geht noch weiter: Die Sonderveranstaltungen holen unter anderem Nora Gomringer in Begleitung ihres Drummers Philipp Scholz an die Bleiche. Die beiden spielen PENG PENG Parker, ihr lyrisch-musikalisches Programm für Dorothy Parker. Wanderlesungen und Lyrikspaziergänge bringen das Publikum zwischendurch mal in Bewegung und der letzte deutsche Kritikerpapst, Denis Scheck feiert im Deutt mit Anne-Dore Krohn einmal friedrich Hölderlin von oben bis unten an: Dich lieb ich, Erde! Im E-Werk und der Stadtbibliothek gibt es Comics zu entdecken, akustische Interventionen erobern die Innenstadt und im Open-Air-Kino sowie in den Lamm Lichtspielen läuft ein passendes, literarisches Filmprogramm!
Ist das zu glauben? Schwerlich, aber ja. Das Erlanger Poetenfest hat offenbar das Beste draus gemacht. Wichtig nur fürs Publikum: Es braucht ein Ticket, wenn es zur Veranstaltung gehen will, denn die Veranstalter benötigen eure Kontaktdaten. Das aber sollte das kleinste Hindernis sein. Also hin da, die Dichterinnen und Dichter haben lange keine Menschen mehr gesehen!
40. ERLANGER POETENFEST.
27. bis 30. August.
www.poetenfest-erlangen.de
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