Im Interview: OB Marcus König setzt sich für Schutz von LSBTI in Polen ein
DONNERSTAG, 13. AUGUST 2020, NüRNBERG
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Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) hat einen offenen Brief unterzeichnet, der sich für den Schutz von LSBTI (Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen) in Polen einsetzt. Es sei ihm, so König, wichtig, dass die Stadt der Menschenrechte aktiv für Vielfalt einsteht.
Zum Hintergrund: Seit Mitte 2019 haben sich in Polen fünf Regierungsbezirke, 37 Landkreise und 55 Gemeinden zu LSBTI-freien Zonen erklärt. In diesen Gebieten gelten Menschen, die sich der LSBTI-Gruppe zugehörig fühlen als unerwünscht, Maßnahmen und Organisationen, die sich Gleichberechtigung einsetzen, werden nicht unterstützt. Die Kampagne geht auf eine Aktion der rechtskonservativen Wochenzeitung Gazeta Polska zurück. Viele weitere Städte haben diskriminierende Erklärungen abgegeben.
Der offene Brief, den König nun öffentlichkeitswirksam unterzeichnet hat, nennt den Schutz von Minderheiten die Basis europäischer Werte und verweist auf Artikel 14 der Europäischen Konvention und Artikel 21 der EU Charta, die genau diesen Schutz sicherstellen sollen. Die Unterzeichner formulieren ihre Sorge über die Entwicklung der Menschenrechtssituation in Polen.
Wenn es um Bayerns konservative Union und den Schutz sexueller Minderheiten geht, kommt reflexartig ein wenig, vielleicht längst überholte Skepsis auf. Wir haben uns deshalb mit drei Fragen direkt an OB Marcus König gewandt.
CURT: In der Pressemeldung wird die Partnerstadt Krakau von der Bewegung ausgenommen. Tatsächlich zählt aber die Woiwodschaft Kleinpolen, in der Krakau liegt, zu den LSBTI-freien Zonen, der Erzbischof der Stadt gilt als Vordenker der Bewegung (“Regenbogenpest”). Müsste vor dem Hintergrund nicht die Partnerschaft zumindest diskutiert werden? Auf welcher Grundlage wird die Situation für LGBTI in Krakau momentan bewertet?
MARCUS KÖNIG: Das stimmt, die Woiwodschaft Kleinpolen, in der Krakau liegt, hat sich zur LSBTI-freien Zone erklärt. Das hat zwar rechtlich eigentlich grundsätzlich keine Bedeutung und vor allem keine Konsequenz für Krakau selbst. Der Krakauer Stadtpräsident Prof. Jacek Majchrowski hat sich mehrfach öffentlich für die LGBTI-Community eingesetzt, zuletzt im Juli 2020. Das bestätigen auch Menschen aus der Community und der kürzlich erfolgte Briefwechsel zwischen OB König /Amt für IB (4. Juni) und Jacek Majchrowski (Antwortschreiben vom 28. Juli).
Die 1979 abgeschlossene Partnerschaft mit Krakau gehört zu den aktivsten Partnerschaften Nürnbergs und umfasst alle Lebensbereiche. Sie überdauerte die sozialistische Regierung und den Systemwechsel. Die Partnerschaft stützt sich auf die Zusammenarbeit zwischen Einrichtungen der beiden Städte, zwischen Firmen, Schulen, Kulturschaffenden und privaten Initiativen. Als eine der ersten deutsch-polnischen Partnerschaften, hat die Zusammenarbeit mit Krakau eine beachtliche Vorreiterrolle im schwierigen Versöhnungsprozess unserer Völker übernommen. Wie bei allen anderen Partnerschaften gehen wir auch in diesem Fall davon aus, dass wir mit unserer Arbeit einen Beitrag zur Völkerverständigung und zur Bildung einer toleranten und offenen Gesellschaft in Europa leisten. Gerade die persönliche Begegnung zwischen Jugendlichen, die nicht immer reibungslos verläuft, verändert und beeinflusst diese Menschen in ihrer Entwicklung. Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, Menschen zusammen zu bringen, damit sie voneinander lernen können.
Natürlich macht es uns gerade die Stadt Krakau leicht. Die Regierung unter Prof. Majchrowski führt eine tolerante und offene Politik. Mit kleinen Ortschaften tut man sich da viel schwieriger. Und es schaut nicht so aus, als sollte sich in Polen in den nächsten Jahren etwas grundsätzlich ändern. Dennoch: eine einmal eingerissene Brücke wird nicht so schnell wieder aufgebaut.
Im Wahlkampf 2018 hatte die CSU homosexuelle Paare noch als vergleichsweise weniger normal als gemischtgeschlechtliche bezeichnet, im Koalitionsvertrag mit den FW kommen gleichgeschlechtliche Paare und deren Belange nicht vor, die CSU ist die Partei, die die Ehe-Öffnung für gleichgeschlechtliche Paare lange Zeit blockierte. Ist eine Situation wie die in Polen vielleicht auch eine Gelegenheit, um auch selbstkritisch auf die eigene Partei zu schauen?
Ich stelle fest, dass Ministerpräsident und CSU-Vorsitzender Markus Söder sich aktuell so äußert: „Ich fand es schon immer seltsam, dass der Staat den Menschen vorschreiben will, wie sie zu leben haben. […,] Ob sich jetzt Mann und Frau lieben oder Mann und Mann oder Frau und Frau – die Liebe ist per se segenswert. Da gibt's ja keine Qualifikation dazu. Und das finde ich ehrlich nicht nur rückständig, sondern finde ich auch einfach falsch. Ich kann nicht jemand verurteilen, weil er jemand anders sehr mag oder liebt oder so.“ (vgl. Podcast „Wickert trifft“ vom 25. Juni,) Daran sieht man, dass auch in der CSU ein Umdenken stattfindet – und das finde ich sehr gut.“
Sie selbst kritisierten Ulrich Maly 2009 für das Hissen der Regenbogenfahne am Rathaus, in diesem Jahr hissten Sie sie dann selbst. Im selben Jahr, 2009, sprachen Sie sich auch gegen das Adoptionsrecht gleichgeschlechtlicher Paare aus. Hat seitdem ein Umdenken stattgefunden oder: wo stehen Sie persönlich heute, wenn es um Fragen der Gleichbehandlung geht?
In diesem Jahr haben wir die Regenbogenflagge sogar zwei Mal hissen lassen: Zum IDAHOT am 17. Mai und jetzt zum CSD im August. Ich bin Oberbürgermeister für alle Nürnbergerinnen und Nürnberger und nehme diese Aufgabe sehr ernst. Nürnberg hat eine diverse und äußerst vielfältige Stadtgesellschaft. Als Oberbürgermeister bin ich für alle Menschen da und möchte entsprechende Zeichen setzen. Aus Überzeugung habe ich daher auch gerne die Schirmherrschaft über den Nürnberger CSD übernommen. Daher: Gleichstellung ist mir persönlich aber auch im Amt sehr wichtig.
Als denkender Mensch nehme ich für mich in Anspruch, Standpunkte zu ändern.
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