Matthias Egersdörfer: Das Einkaufen ist oft schön

FREITAG, 12. JUNI 2020, NüRNBERG

#Comedy, #Corona, #E-Werk, #Interview, #Katharinenruine, #Matthias Egersdörfer

Zu seinem guten Ton gehört der schlechte Ton: Der Herr Egersdörfer grantelt durch die Lande und bespielt die Bühnen, oder er steht vor der Kamera. Er bekommt regelmäßig Preise, Schulter- und Schenkel-klopfen und vor Kurzem lief´s noch. Jetzt sieht es aber natürlich anders aus. Selbst seine Kolumne in curt fiel zwei mal aus!

Du wärst gerade im deutschsprachigen Raum mit deinem Programm „Ein Ding der Unmöglichkeit“ unterwegs. Wieviele Shows werden wohl ausfallen?
Dreißig Shows wurden bislang abgesagt und es hört nicht auf, dass weitere Shows entweder verschoben werden oder einfach ausfallen.

Auch die Dreharbeiten zum „Frankentatort“ pausieren. Wie wird es hier weitergehen?
Fast drei Wochen vor dem eigentlichen Drehschluss war Ende März Feierabend. Neulich kam eine Nachricht, dass es im Oktober oder November weiter geht. Das würde für mich bedeuten, dass ich mich ab Ende August nicht mehr rasiere.

Als Künstler bist du stark krisengebeutelt. Wo trifft es dich am härtesten?
Meine Frau fängt im Juni im neuen Job zu arbeiten an. Deshalb muss ich erst mal keine Angst haben, zu verhungern. Aber obwohl man es mir nicht unbedingt auf den ersten Blick ansieht, stehe ich doch sehr gern auf der Bühne und erzähle meine Geschichten vor einem Publikum. Ich fahre gern mit dem Zug durch das Land. Wenn ich einmal im Hotel schlecht schlafe, freue ich mich doppelt, wenn ich dann wieder daheim neben meiner Frau liege.

Bist du im Austausch mit Freunden und Kollegen?
Aber freilich. Wir telefonieren, wir schreiben uns und schicken Bücher und DVDs hin und her. Im Schatten von Bäumen sprechen wir uns Mut zu und versuchen uns mit verlängerten Armen im Mindestabstand zu umarmen. In Irrhainen wandern wir gemeinsam umher und versuchen tröstend zu winken.

Genießt du auch ein wenig die neue Ruhe und Freiheit?
Das Einkaufen ist oft schön. Wenn sich z.B. gerade zwei Leute im Käseladen befinden, wartet man eine Weile auf der Straße, bis jemand aus dem Laden wieder herauskommt. Manchmal wartet noch jemand vor dem Laden und man nützt die Zeit, um sich ein wenig zu unterhalten. Es dürfte in meinem Leben vorher nie vorgekommen sein, dass ich mich mit nahezu wildfremden Menschen auf dem Gehsteig vor dem Käseladen einfach einmal unterhalten habe.

Rein rechtlich dürfen bestimmte Venues bald sehr limitiert bespielt werden. Du hast eine Anfrage für die Katharinenruine. Was würde dort passieren?
Ich hab’s ja nicht so mit Zahlen. Aber rein rechtlich dürften im Normalfall so um die vierhundert Menschen in die Katharinenruine rein. Nach den jetzigen Bestimmungen ist sie nun mit circa fünfzig Personen ausverkauft. Der Sicherheitsabstand von 1,50 Meter gilt nämlich zu allen Seiten. Ich würde dann auf der Bühne stehen und erzählen. Wenn jemand lacht oder klatscht, könnte ich es in echt hören und sehen. Das wäre schön.

Sicher am schlimmsten: Auch deine curt-Kolumne viel zweimal aus. Du substituierst das durch dein tägliches Videotagebuch aus dem Hinterhaus. Wie fühlt sich das an?
Ich hab ja Übung darin. Anfang des Jahrtausends konnte man plötzlich mit erschwinglichen, digitalen Fotoapparaten Bildstreifen aufnehmen. Noch vor Youtube habe ich einen sogenannten „Filmletter“ verschickt. Das waren E-Mails an denen ein kleiner Film von mir dran hing. Unter anderem gab es da Flirttipps für Männer und Frauen, Rauchfilme und einen Sprachkurs Ungarisch. Mein filmisches Opus Magnum war die vollständige Verfilmung eines Fußballlexikons. Das waren über 1000 Filme mit einer Gesamtlaufzeit von über 16 Stunden. Als es dann Jahre später die Plattformen gab, um Filmchen zu veröffentlichen, habe ich damit aufgehört und jetzt fange ich wieder damit an.

Wie bereitest du dich vor?
Ich räume den Küchentisch ab und schließe anschließend das Küchenfenster. Dann stelle ich mein Handy auf den hölzernen Handyhalter, den mir mein Freund Tim Taler geschreinert hat. Nach ein paar Probedurchläufen schalte ich die Kamera an, sage: Und bitte! und spreche dann in die Kamera hinein.

Gibt es ein „Drehbuch“ oder einen roten Faden?
Im besten Fall gibt es eine Idee vom Vortag, auf der ich ein wenig herumgekaut habe. Meine Bühnenpartnerin Claudia Schulz hat mir auch schon einen Zettel mit Einfällen zukommen lassen. Jedenfalls kaue ich auf der Idee herum und dann wächst das Ganze, und wenn ich dann allein probe, passiert manchmal auch noch etwas, was ich vorher gar nicht wusste. Neu ist, dass ich auf Online-Kommentare reagiere. Oftmals wird da jemandem die Uhr gestellt. Lob und Zuneigung habe ich aber auch schon geäußert.

Hast du eine favorisierte Folge? Warum?
Eine Frau hat mir geschrieben, dass ihr Sohn bald heiratet und ob ich ihm einen Ratschlag mit auf den Weg geben könnte. Ich hab dann ein Filmchen darüber gemacht, dass man möglichst Ehefrauen nicht mit Kraftfahrzeugen verwechseln soll.

Darf man Gäste im Videotagebuch erwarten?
Die Frau Schlitzbier aus dem Vorderhaus war ja neulich drei Folgen lang dabei. Davon muss ich mich jetzt erst einmal wieder erholen.

Abgesehen von den täglichen Videos: Wie und wo wird man den Egers bald erleben dürfen?
Christiane Schleindl vom Filmhaus und ich zeigen am 19. Juni Kurzfilme in der Katharinenruine, und am 21. Juni gibt es eine Online-Show aus dem E-Werk mit Carmen und Birdie.

Für die nächste curt-Ausgabe freuen wir uns wieder auf deine Kolumne. Wird es wieder ein Lobgesang auf das krass gute Stadtmagazin von Welt?
Das ist eine verdammt gute Idee. Auf der kaue ich jetzt noch ein wenig herum und dann brauche ich es nur noch zu schreiben.

Noch ein (Über)Lebenstipp für den curt-Leser bitte.
Bitte nicht zusammen mit Nazis demonstrieren.

Ein Tipp für gepflegten Medienkonsum bitte auch noch.
Martin Puntigam und die Science Busters machen auf Radio FM4 schlaue Sachen, die obendrein auch noch sehr lustig sind.Und wenn sie schon mal in Österreich vorbeischauen, lohnt sich auch ein kleiner Ausflug hierher: „Schlawiner gegen Lagerkoller“.
URL dazu: www.servustv.com/videos/aa-23jdrzjn11w12/

___

Der Juni mit Egers

19.06. / Die Kurzfilmnacht in der Katharinenruine
21.06. / Online-Show aus dem E-Werk. Mit dabei wieder Carmen und Bird Berlin.

Mehr Infos + sporadische Termine auf www.egers.de.

 




Twitter Facebook Google

#Comedy, #Corona, #E-Werk, #Interview, #Katharinenruine, #Matthias Egersdörfer

Vielleicht auch interessant...

Kultur  19.10.-15.11.2024
NÜ/FÜ/ER.
Text: Tommy Wurm
Oktober und November sind die perfekten Kabarett- und Comedy-Monate. Draußen ist es dunkel und die Seele braucht Wärme, Freude und Humor. 
Hier eine subjektive Auswahl, die euch den Herbst versüßen soll. Witzig, oder?

Fee Bremberck  –  Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau 
19.10., Burgtheater Nürnberg
Die 30-Jährige Münchnerin Felicia “Fee“ Brembeck ist eine vielseitige Künstlerin. Sie schreibt Bücher, gewinnt Preise beim Poetry-Slam und hat einen Masteranschuss in Operngesang. Ihr aktuelles Programm “Erklär’s mir, als wäre ich eine Frau“ dreht sich um das leidige Thema Mansplaining. Gutgebildete Männer in den besten Jahren erklären jüngeren Frauen die Welt. Klar, sie meinen es doch nur gut, oder? Viele wahrscheinlich schon, aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass diese verbale Übergriffigkeiten schon immer ein No-Go sind. Fee erörtert dieses Thema mit viel Witz und Charme, nicht ohne die Torstens dieser Welt (die meisten Mansplainer dieser Welt heißen ihrer Meinung nach Torsten) klar zu benennen und in die Schranken zu weisen. Macht Spaß.   >>
20241001_Salz_Pfeffer
20241001_pfuetze
20241001_Einblick
20241001_Staatstheater
20241104_curt_XMAS
20241001_VAG_Nightliner
20230703_lighttone
20241001_Staatstheater_Erlangen
20241001_GNM_hallo_nature
20241001_Kaweco
20240601_ebl
20240801_mfk_PotzBlitz
20241001_Retterspitz