1.000 Euro pro Monat: Aufbegehren der Kultur zeigt Wirkung

MONTAG, 20. APRIL 2020, BAYERN

#Bayern, #Corona, #coronasucks, #Kultur, #Kunst, #Künstler, #Soforthilfe

Schon früh in der Krise war, klar, dass Corona die Künstler*innen und Kulturschaffenden besonders hart treffen würde. Weil sie ohnehin zu großen Teilen prekär leben und ihre Einnahmen nun auf null fallen. Die Bayrische Staatsregierung versprach umgehend Soforthilfen und Kredite und verabschiedete eine Regelung, die sich als so gar nicht praktikabel für Solo-Selbstständige erwies. Nach Protesten will Bayern offenbar nachbessern.

Bei allem Wirrwarr um Bundes- oder Landeshilfen, Kredite und Steuerstundungen ist das Problem, das Künstler*innen bei aktueller Regelung entsteht, relativ einfach beschrieben: Alle Soforthilfen, die vom Freistaat Bayern (oder auch vom Bund) an Selbstständige überwiesen werden, müssen zweckgebunden für laufende Betriebskosten verwendet werden. Laufende Betriebskosten, das heißt: die Miete fürs leerstehende Restaurant, die Versicherung für den Firmenwagen, der Kredit für x.

Die sogenannten Solo-Selbstständigen haben, so sie sich kein Atelier, keinen Proberaum, keine assistierende Kraft gönnen können, diese Kosten nicht. Der Solo-Selbstständige ist sein eigener Betrieb, seine Betriebskosten sind mit den privaten Lebenserhaltungskosten gleich. Ein Soforthilfeprogramm von Bund und Ländern, das sich ausschließlich auf Betriebskosten bezieht, schließt diese gesamte Berufsgruppe aus. Als wäre der Umstand der Lebensweise des Soloselbstständigen eine kuriose Neuheit, die erfolgreich geheim gehalten wurde.

Die Berufsgruppe machte in den vergangenen Tagen massiv auf diese Schieflage aufmerksam. Offenbar mit Erfolg: In der Landtagssitzung am Montag, 20.04., äußert sich Markus Söder zu Details des “größten Rettungsschirms in der Geschichte Bayerns”. Man habe den Missstand erkannt und werde sich dem Vorbild Baden-Württembergs anschließen, das heißt: 1.000 Euro monatliches Überbrückungsgehalt für Künstlerinnen und Künstler. Oder zumindest die Möglichkeit, diese 1.000 Euro zu beziehen. Allerdings: Nach ersten Aussagen Markus Söders bezieht sich das nur auf rund 30.000 Künstlerinnen und Künstler, die in der Künstleroszialkasse sind. Mitglied in der KSK zu werden, das wissen freiberufliche Künstler, ist nicht ganz einfach und mit diversen Voraussetzungen verbinden.

Das alles heißt nicht, dass Künstlerinnen und Künstler bis hierhin keine Soforthilfen bekommen hätten. Es gibt Geschichten von Überweisungen genauso wie die der abgelehnten Anträge. Gleichwohl herrschte bei jenen, die Geld bekommen hatten, die Angst, diese Summe könnte bei einer Überprüfung irgendwann zurückgefordert werden. Weil es letztlich in drei Monatsmieten floss und nicht in einen Leasingwagen.

Spätestens seit vergangener Woche begehrten Kulturschaffende auf. Leonhard F. Seidl, Schriftsteller aus Fürth, kommentierte die Situation in der taz aus der Perspektive eines Schreibers, der von der freiberuflichen Arbeit leben kann: “Der bayerische Umgang mit Schrift­steller*innen in der Corona­krise kommt einem Massaker an Büchern gleich. Bedroht die Existenz derer, die uns mit lustvollen Reisen in andere Lebenswelten beschenken.”

Der Fürther Schlagzeuger Florian Fischer wandte sich derweil direkt an die Landtagsabgeordnete aller Fraktionen. “Ich wollte einfach mal nachfragen:”, erklärt Fischer am Samstag am Telefon, “wisst ihr eigentlich, dass wir von diesen Hilfen ausgeschlossen sind, nur weil wir zu einer anderen Berufsgruppe gehören?” Es sei eben einfach nicht wahr, dass derzeit allen Selbstständigen geholfen werde. “Ich habe momentan faktisch ein Berufsverbot. Und das geht nicht nur mir so, sondern auch irgendwelchen berühmten Solisten oder den Leuten, die in Kirchen Bach-Oratorien singen oder denjenigen, die beim CSU-Dinner Mucke machen.”


In seiner E-Mail heißt es unter anderem: In anderen Betrieben gibt es Kurzarbeitergeld. Verdi hat sogar eine Anhebung erkämpft. Das Kurzarbeitergeld dient zur Absicherung der Arbeitnehmer aber auch zur Entlastung der Arbeitgeber. In dieser Krise arbeite ich weiter, auch wenn ich keine Auftritte habe – ich nehme an, das gilt genauso für meine Kollegen, weil wir es uns nicht leisten können, 3 Monate nicht zu üben, um dann noch eine angemessene Leistung auf der Bühne zu bringen. Ich übe jeden Tag. Im Moment im Keller meiner Oma, weil alle anderen Orte nicht mehr zugänglich sind. Ich habe also immer noch Arbeit und bin somit weiterhin mein eigener Arbeitgeber, nur wird mir keine Entlastung meines Betriebes vorgeschlagen, wie es im Sinne des Kurzarbeitergeld geschieht, sondern ich werde auf ALGII hingewiesen. Dies bedeutet eine klare Benachteiligung für meinen Betrieb gegenüber denen, die Kurzarbeitergeld beantragen können.

Und Flo Fischer erhielt rasch Antworten. Die SPD verwies auf ihren laufenden EInsatz für einen Rettungsschirm für Künstler*innen (hier geht´s zur Pressemeldung), auch darin werden bereits monatliche Zahlungen vorgeschlagen. Auch die Grüne Fraktion hatte das Thema erkannt und kündigte an, sich um parlamentarische Initiativen zu bemühen. Verena Osgyan schreibt: “Da Künstlerinnen und Künstler oft kein anderes betriebliches Kapital als sich selbst haben ist es umso wichtiger, sie zu schützen und auch hier staatliche Mittel dafür einzusetzen, dass alle Kulturschaffenden in dieser Ausnahmesituation Hilfe bekommen.”

Als unfreiwillig komisch hingegen fielen die Antworten der Mitglieder der Landratsfraktion der Freien Wähler auf: Nach der dringlichen Bitte um Auskunft, wies das Bayrische Wirtschaftsministerium Flo Fischer auf die bestehenden Regeln hin. Soforthilfen seien nicht daraus ausgerichtet, den ausfallenden Gewinn zu ersetzen. “Private laufende Kosten (private Miete, private Krankenversicherung etc.) sind kein erwerbsmäßiger Sach- und Finanzaufwand, sondern Kosten für die private Lebenshaltung.” KünstlerInnen, Solo-Selbstständigen stünde daher der erleichterte Zugang zum ALG II zur Wahl.

Also in kurz: Ein betroffener Musiker schreibt: Aus dieser Regelung ergibt sich jenes Problem. Die Freien Wähler antworten: Lieber Herr Fischer, anbei die Regelung. Zitat: “Wir hoffen, die Auskünfte helfen Ihnen weiter und wünschen Ihnen alles Gute, bleiben Sie gesund.” Das ist schon fast hämisch.

Es ist richtig, dass Bayern die Möglichkeit eröffnete, auf Arbeitslosengeld zuzugreifen. Auch diese Maßnahme ging an der Lebensrealität von Künstler*innen vorbei, zunächst einmal natürlich, weil diese nicht arbeitslos sind, sondern weiterhin prpben, komponieren, schreiben, etc. Zum anderen, weil zwar die Vermögensprüfung ausgesetzt wurde, die Einnahmen aus freiberuflicher Arbeit in diesem Zeitraum (z.B. eine Gema-Ausschüttung) aber dennoch verrechnet werden können. Die Probleme, die entstehen, wenn Solo-Selbstständige auf Grundsicherung zugreifen, hat die Bayrische Staatszeitung gut zusammengefasst.

Die CSU-Politikerin Petra Guttenberger zuletzt nahm Fischers Mail tatsächlich zum Anlass, das Anliegen nach oben weiterzureichen, an Florian Herrmann, bayrischer Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien. “Nachdem viele Künstlerinnen und Künstler,” schreibt sie, “in genau dieser Form leben wie Herr Fischer, bitte ich dies noch einmal intensiv einer Überprüfung unterziehen zu lassen, damit wir nicht in einigen Wochen als ein Land ohne Kulturschaffende außerhalb der Staatstheater dastehen werden.”

Frau Guttenberger wies, wie Flo Fischer und viele andere, darauf hin, dass es auch anders geht, nicht bundesweit, sondern föderal. Sowohl Baden-Württemberg als auch Berlin sehen bereits vor, dass sich Solo-Selbstständige ein vorübergehendes Gehalt auszahlen können, um Lebenserhaltungskosten zu überbrücken. Ein ähnliches Modell soll es nun also auch in Bayern geben. Auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat derweil angekündigt, bei den Bundeshilfen Nachbesserungen vornehmen zu wollen, verwies dabei aber wiederum auf die bestehenden Programme. Es wird letztlich die Praxis zeigen, wer wann wie viel bekommt und, nicht unwichtig, zu welchen Bedingungen.

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Für viele Freiberufler im Kunst- und Kulturbereich waren die vergangenen Wochen nicht nur mit finanziellen Schwierigkeiten, sondern auch mit großer Unsicherheit verbunden: Wo kann ich was beantragen, bin ich antragsberechtigt, wann kommen die 1.000 Euro pro Monat oder doch nicht oder für wen? Ein Teil Unsicherheit wird auch in den kommenden Tagen bleiben, dafür ist die Lage einfach zu neu und komplex und scheiße. Klar ist aber nach der heutigen Pressekonferenz von Markus Söder und Kultusminister Bernd Sibler, dass der Rettungsschirm vergrößert wird: 200 statt 90 Millionen kommen in den Topf. Das ist nötig, damit auch Menschen, die nicht in der Künstlersozialkasse versichert sind, Zugriff darauf haben. Dazu gehören dann zum Beispiel Techniker, Maskenbildner aber auch freie Journalisten, etc. Die Zahl der Begeünstigten verdopple sich von 30.000 auf 60.000. Nachzuweisen ist ein substantieller Beitrag zum Einkommen aus der freien künstlerischen Arbeit.

50 Millionen Euro stehen außerdem für “Spielstätten” (Söder) bzw. “Veranstaltungsbetriebe” (Sibler) bereit, die bis zum Jahresende unterstützt werden sollen. Söder nannte explizit 700 kleine und mittlere Theater und 260 Kinos. Sibler sprach von “Kleine und mittlere Spielstätten aus den Bereichen Theater, Kunst, Kleinkunst, Musik und Kabarett.” Musikschulen und Laienmusikgruppen wie Chöre können ebenfalls je 1.000 Euro beantragen, für sie stehen insgesamt 10 Millionen Euro zur Verfügung. Söder: “Es ist der Versuch, Kultur in der Breite durch Förderung zu erhalten.” Außerdem gibt es einen ersten Hoffnungsschimmer für die Rückkehr von kulturellen Veranstaltungen: "Wir glauben, dass wir Perspektiven für die Zeit nach Pfingsten entwickeln sollen”, so Söder. Man wolle sich dabei an den Hygieneschutzmaßnahmen in Kirchen orientieren. Am 20. Mai soll die Ministerpräsidentenkonferenz über ein solches, bundesweites Konzept entscheiden.

Die Software, so Sibler, ist installiert, die Anträge können auf den Weg gebracht und ab nächster Woche heruntergeladen werden.
Die entsprechenden Anträge findet man, sobald es sie gibt hier:
https://www.stmwk.bayern.de/index.html

Einen guten Überblick über die Hilfsprogramme findet ihr hier:
https://bayern-kreativ.de/aktuelles/corona-erste-hilfe/

Die gesamte Pressekonferenz zum Nachschauen:
https://youtu.be/9zf-x75-YOQ


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MAGAZIN  19.04.-01.06.2024
T7. Ein bisschen größer als ein VW-Bus ist dieser Raum schon, der sich T7 nennt, weil er am Taubenweg Haus Nummer 7 liegt. Aber das Bild eines KulturPalasts muss man und Frau wohl korrigieren. Egal, Platz ist in der kleinsten Hütte. Für Kultur allemal. Dass dieses Kultur-Wohnzimmer vor der Haustüre Nürnbergs und Fürth funktioniert, hat es beim Eröffnungswochenende mit LaBrassBanda-Gründer, Echo-Gewinner, Mozarteum-Professor und Tuba-Spötter Andreas Hofmeir (samt Piano-Original Johannes Billich aus Fürth) bewiesen. Menschliche Wärme und juchzende Stimmung im intimen Rahmen. So kann’s weitergehen. So soll’s weitergehen.  >>
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