Warum wir jetzt ein Kulturprojekt organisieren

FREITAG, 27. MäRZ 2020, NüRNBERG

#Dr. Marian Wild, #Locked in, #Locked out

Es ist der 27. März 2020. Marian Wild, unser Kurator von LOCKED IN – LOCKED OUT, erzählte damals, was wir mit dem Projekt erreichen wollen und worum es ihm und uns dabei ging und geht:

Krisen sind monströs. Lange eingeübte Bewältigungsmechanismen versagen, jeden Tag ändern sich bisher unumstößliche Gewissheiten. Niemand, auch keine Expertin und kein Experte, kennt das Ergebnis der laufenden Ereignisse. Jede Intuition, jede gefühlsmäßige Einschätzung dieser grenzenlosen Situation versagt bei uns. Die humanitäre Katastrophe dringt aus Norditalien, Spanien, Iran und New York zu uns, tausende geliebte Menschen mit tausenden Biografien fallen dem Virus zum Opfer, der kein Täter ist, auf den man seine Ängste projizieren könnte, sondern vielmehr eine dunkle Naturgewalt. Er lässt uns mit der Frage allein, wer an den Vorgängen Schuld hat, genauso wie mit unseren Ängsten, unseren täglichen Problemen und einer unsicheren Zukunft.

In einer solchen Situation hat jeder Teil einer Gesellschaft seine konkrete Aufgabe: Eine idealerweise kompetente Politik modelliert die Struktur der neuen, veränderten Lebenswelt, die journalistischen Medien verbreiten die Erkenntnisse, hinterfragen die Entscheidungen und achten auf die weitgehende Wahrung unserer gesellschaftlichen Grundrechte. Das medizinische Personal versorgt die Erkrankten und schützt die Gesunden, die Wissenschaft und Forschung analysiert den unbekannten Gegner, gibt ihm Namen, entreißt ihm seine Eigenschaften, Geheimnisse und Schwachstellen und findet schnellstmöglich Heilmittel, Testmethoden und Impfstoffe.

Eine Aufgabe der Kultur ist es in diesen Zeiten, der gesichtslosen Bedrohung Bild, Ton, Wort und Körper zu geben, sie begreifbar und verstehbar zu machen. Sie spiegelt sich in den persönlichen Erlebnissen von uns allen, darum soll LOCKED IN – LOCKED OUT zum Corpus für diesen Spiegel werden. Die Spiegelbilder sind die Äußerungen von Nürnberger Kulturschaffenden jedes Bereichs, die während der Krise auf sie reagieren, wie wir alle mehr oder weniger isoliert von der restlichen Gesellschaft. Diesen Prozess machen wir auf www.curt.de bereits seit der ersten Quarantänewoche für alle online zugänglich (KLICK).

LOCKED IN ist also ein virtueller öffentlicher Raum für die Nürnberger Kulturschaffenden, in einer Folge von Beiträgen vermittelt von mir persönlich. Jede und jeder Kulturschaffende, der oder die in seinem Lebenslauf eine wichtige Verbindung zu Nürnberg findet, konnte sich bewerben und der curt-Leserfamilie Einblicke in Schaffen und aktuellen äußeren und inneren Zustand geben.
Schon das ist für uns alle wichtig. Wenn die Zukunft unabsehbar ist, helfen unserer Meinung nach zwei Dinge: eine Zukunftsperspektive und jemand, der die Situation teilt. Diese gemeinsame Beleuchtung der Situation vollziehen wir hier, und das bereits seit den ersten Tagen der Corona-Maßnahmen.

Die weitere Perspektive schaffen wir mit LOCKED OUT. Unser Ziel ist es nach der Krise eine große Sammlung jener Werke öffentlich auszustellen, die während der Krise entstanden sind, die Auswahl erfolgt ausschließlich nach kuratorischen Gesichtspunkten. Ob es Malerei, Skulpturen, Fotografien, Medienkunstwerke, Musikstücke, Gedichte, Schmuck, Grafiken, Plakate, Zeichnungen oder Modekreationen werden ist den Teilnehmenden dabei freigestellt. Gewaltig werden soll die Ausstellung aber in jeder Hinsicht – unserer Phantasie sind aktuell keine Grenzen gesetzt und die Teilnehmerliste ist bereits beachtlich. Wir als Kulturschaffende sind soziale Seismographen, wir nehmen Veränderungen wahr, für die unsere Gesellschaft noch keine Worte hat, und übersetzen sie in Kunstwerke. Oder eben in Ausstellungen.

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LOCKED IN – LOCKED OUT

LOCKED IN. curt bittet die Nürnberger Künstlerinnen und Künstler, ein Quarantäne-Kunstwerk zu erschaffen und den Prozess selbst per Homevideos, Fotos, Texten …  zu begleiten.
LOCKED OUT. Sobald die Krise vorbei ist, also alle Altersgruppen wieder ohne Gesichtsmaske und Sicherheitsabstand bei einander stehen können, stellen wir die Werke physisch mit einem von Marian kuratierten Ausstellungskonzept in Nürnberg aus.

Da sich inzwischen die Lockdown-Situation stark im Vergleich zu März und April verändert hat, können wir leider auch wegen der Stoßrichtung des Projekts keine neuen TeilnehmerInnen mehr aufnehmen! Vielen Dank für euer Verständnis.

Infos und teilnehmende KünstlerInnen: KLICK!




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#Dr. Marian Wild, #Locked in, #Locked out

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NüRNBERG. Doppelinterview mit Alexandra Klobouk & Hans-Joachim Wagner       
von Marian Wild

Im letzten Teil unserer Interviewreihe geht es noch einmal um die Frage, wie man die Zeit, die vor rund 80 Jahren mit einem verheerenden Weltkrieg endete, im Heute zugänglich halten kann. Im
Interview dem Dezember-curt ging es um Otto Ernst Krakenberger und seine Mitwirkung an Graphic Novel und interaktivem Chatbot. Im folgenden Doppelinterview habe ich Alexandra Klobouk, Autorin und Illustratorin des Krakenberger-Buchs, sowie Hajo Wagner, Leiter der Stabsstelle Ehemaliges Reichsparteitagsgelände, zu dem Thema befragt. 

Allen Lesenden und Mitwirkenden, und besonders dir, lieber Hajo, vielen Dank für das Interesse und die kollegiale gemeinsame Arbeit, Licht in die komplexe Situation zu bringen, in der wir uns aktuell mit diesen Themen bewegen! Ich bin überzeugt, dass wir in Zukunft in vielen Bereichen unseres Lebens neue Wege beschreiten müssen, das geht aber nach meiner festen Überzeugung nur, wenn wir die schon durchdachten Gedanken auf diesem Pfad, transparent für alle, mitzunehmen gestatten.
Love, Marian  >>
DOKUMENTATIONSZENTRUM REICHSPARTEITAGSGELäNDE. Im letzten Gastbeitrag hat Barbara Kreis, emeritierte Professorin für Architekturgeschichte, verschiedene wahrnehmungspsychologische und architektonische Untiefen der Beschäftigung mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände herausgearbeitet. Über ihre Thesen spreche ich im folgenden Interview mit Hajo Wagner. Alle von mir gestellten Fragen wurden von Hajo schriftlich beantwortet, wie immer gab es keine inhaltlichen Eingriffe.  >>
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