Theaterwegweiser im März

SONNTAG, 1. MäRZ 2020

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Seeräuber treffen Jungfrauen im Opernhaus, Game-Theater bei Grundig, ein deutscher Spiesser in Erlangen und Rachefeldzug in Fürth – Das verkleinerte Gotteshaus und eine aufgelöste Arbeitsfabrik bieten Platz für etwas andere Spiele: zwischen dem Wrestling der Klassiker, der Machtergreifung der Roboter und dem ewigen Seufzer „ach…“ ankern englische Piraten trotz Brexit mitten auf deutschem Spassmachergelände und Cowboys galoppieren durch Niederbayern.

Gleich zwei neue Spielstätten will das Staatstheater Nürnberg in diesem Monat erobern. Zusätzlich zum Opernhaus mit Gluck-Saal die Gustav-Adolf-Gedächtniskirche (für die Neuauflage von Udo Zimmermanns vielgespielter Kammeroper „Die weiße Rose“), zusätzlich zu Schauspielhaus/Kammerspiele/3. Etage das ehemalige Grundig-Areal (für ein Projekt mit Game-Theater über die Zukunft der Arbeit). Unter den neu präsentierten Autoren des Monats in der Region fallen Heinrich Mann (mit „Der Untertan“ in Erlangen), Bernard Marie Koltès (mit „Rückkehr in die Wüste“ in Fürth) und Sibylle Berg (mit „Wonderland Ave“ im Gostner Hoftheater) sowie durchaus auch endlich mal wieder Karl Valentin (mit „Sturzflüge im Zuschauerraum“ in Dehnberg) auf. Dazu der Klassiker Heinrich von Kleist (neu am Schauspiel Nürnberg mit seinem allseits geschätzten „Amphitryon“, aber ebenso als Freistil-Vorlage im Musikduell und als Naherfahrung im Scherbengericht doppelt in Erlangen). Die Tanztheater-Fans sind mit zwei Produktionen plus Gala-Auftrieb an sechs Terminen in Nürnberg und fünf hochkarätigen Gastspiel-Abenden aus Israel in Fürth gut versorgt.


STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE   Man kann diesen bei uns nahezu unbekannten Modellfall großbritannischer Opernkomik des 19. Jahrhunderts großflächig zumindest auf dem Hoheitsgebiet deutscher Opernhäuser als Ausgrabung deklarieren. Daheim und teils auch in den USA galten der Autor William Gilbert und der Komponist Arthur Sullivan als legendäre Serientäter, die 14 gelegentlich von Kritikern auch spitzfingrig als heimliche Operetten-Alternative einsortierten Werke (eigentlich sind sie etwas mehr mit Albert Lortzings kauzigen Lustspielereien als mit Jacques Offenbachs ätzender Satire vergleichbar) gemeinsam schufen, ehe sie sich über weitergehende künstlerische Perspektiven zerstritten. „Marionettentheater“ nannte der nach Höherem strebende Musiker die parodistischen Szenenentwürfe des Partners irgendwann abfällig. In ihrer frühen Phase, als die Puppen noch frischer tanzten, hatten sie ab 1879 besonderen Erfolg mit der Nonsens-Komödie DIE PIRATEN VON PENZANCE, die in Nürnberg von Schauspiel-Spaßmacher Christian Brey („Komödie mit Banküberfall“, „The Legend of Georgia McBride“) nach eigenen Regeln der Aktualität adaptiert wird. Möge seine Inszenierung dem Fluch der Karibik entkommen. Erzählt wird von Brexit-Piraten an Cornwells Küste, die auf höhere Töchter und furchtsame Polizisten treffen und in ihren erstaunlichen Gauner-Statuten ausdrücklich einen immerwährend fürsorglichen Umgang mit Waisenkindern festlegen. Für die bis kurz vor Probenbeginn offene Hauptrolle des Piratenkönigs kehrt der Sänger Hans Gröning zurück, der im Vorjahr in der tragischen Titelpartie von Wolfgang Rihms „Jakob Lenz“ großartig war. Ob er auch „komisch“ kann? Kapellmeister Guido Johannes Rumstadt versucht es ebenfalls, er legt Massenets Tragödie „Manon“ beiseite und studiert die erheiternde Rarität ein.
PREMIERE:  7. März. Aufführungen 10., 23., 26. März im Opernhaus.

PREMIERE   Das 2010 gegründete und seither zwischen freier Szene und festen Bühnenpartnern in ganz Deutschland schwirrende Theaterkollektiv mit dem schönen Namen „Prinzip Gonzo“ macht sich mit Hilfe der Schauspieler*innen-Profis des Staatstheaters (Annette Büschelberger, Frank Damerius, Amadeus Köhli, Felix Mühlen, Maximilian Pulst) auf die Suche, eine sinnstiftende Alternative zum anödenden Einerlei des 40-Stunden-Lohnerwerbs zu finden und nennt das Ganze „spielbare Utopie“. Im Projekt NO WORK AND ALL PLAY werden die Bühne, Computer- und Gesellschaftsspiele miteinander verbunden und der Interaktion mit dem willigen Publikum geöffnet. Ein freundlich radikaler Denksportansatz mit eigens entwickelter Software. Die ursprüngliche Idee, dafür ein stillgelegtes Arbeitsamt zum Spielraum zu machen, ging allerdings buchstäblich ins Leere. Das Gebäude am Ring steht nicht zur Verfügung, jetzt wird das ehemalige Grundig-Areal zum Schauplatz der Aktion. Auch leer, auch symbolfähig. Irgendwie scheint das Produkt zur Inszenierung von Sibylle Bergs Stück über die Machtübernahme durch Maschinen (siehe Gostner Hoftheater) zu passen. Andererseits bleibt eigenwilliger Pragmatismus garantiert: Agentur für Arbeit und das Nürnberger Haus des Spiels sind neben den Kulturstadt-Aktivisten von N2025 die Koproduzenten des Abends, der nur im März zu erleben ist.
PREMIERE: 5. März. Weitere Aufführungen 10., 12., 18., 19., 21., 22., 26., 28 März im ehemaligen Grundig-Areal.

PREMIERE   Die Kammeroper des auch mit seinen großen Werken („Die wundersame Schustersfrau“, „Der Schuhu und die fliegende Prinzessin“) in Nürnberg früher oft gespielten Dresdner Komponisten Udo Zimmermann, ist eine für zwei Sänger und 15 Instrumentalisten geschaffene Hommage an die Widerstandsgruppe um die Geschwister Scholl, die an der Universität in München gegen die Nazis auftrat. Sie gehört inzwischen zu den heimlichen Klassikern des zeitgenössischen Musiktheaters. Erst 1967 und dann im Neuanlauf 1986 entstanden zwei sehr unterschiedliche Fassungen mit bis heute international weit mehr als 100 Produktionen. In Nürnberg gab es DIE WEISSE ROSE mit der denkwürdigen Gudrun Ebel als Sophie Scholl per Rauminszenierung von Heinz Lukas-Kindermann im Alten Rathaussaal, jetzt übernimmt Andromahi Raptis, die Maria aus der „West Side Story“, beim neuerlichen Versuch. Annika Nitsch inszeniert in der Backstein-Hülle der Südstadt-Kirche Gustav Adolf.
PREMIERE: 27. März. Weitere Aufführungen 31. März, 1./2./4. April in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche.

PREMIERE   Der abschließende Seufzer, das fundamentalste „Ach…“ der Theatergeschichte, hat diesem Stück ein ewig unlösbares Rätsel als Stempel aufgedrückt. Es schwebt zwischen Glück, Melancholie und Zweifel. Kleists Lustspiel AMPHITRYON bedient sich aus dem Mythen-Sortiment der Antike – ein immer wieder gern stellvertretend für die Moral der Obrigkeiten in Stellung gebrachtes Universum von Göttern auf Abwegen. Regisseurin Anne Lenk, 2018 mit der neuen Schauspieldirektion als Hausregisseurin nach Nürnberg gekommen, ist inzwischen durch ihre erste Berufung zum Berliner Theatertreffen, im Mai 2020, geadelt. Molières „Menschenfeind“ vom dortigen Deutschen Theater brachte ihr die Nominierung, und das stellt insofern einen Bezug zur Nürnberger Produktion her, als das Kleist-Lustspiel einst „nach Molière“ entstand. Aber: Nur Tschechows „Die Möwe“ als knirschend überdrehte Groteske und die tastende Studio-Dramatisierung von Roman Ehrlichs düsterem Buch „Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens“ stehen bisher in Anne Lenks noch etwas schütter wirkender örtlicher Schauspielhaus-Bilanz. Alkmenes alles umfassender Seufzer, als sie von Jupiter verlassen wird, der in Gestalt des Gatten Amphitryon eine offenbar göttliche Liebesnacht bescherte, kommt aus dem Mund von Anna Klimovitskaya, die Titelrolle spielt Sascha Tuxhorn, als Jupiter greift Tjark Bernau außerirdisch ein.
PREMIERE: 21. März. Aufführungen 26., 28., 31. März im Schauspielhaus.

PREMIERE   Das Mladinsko Theater aus Ljubljana (Slowenien) steht für „radikal zeitgenössisches Theater“, die Regisseurin Eva Nina Lampic gehört zum jungen Ensemble. Ihre erste Inszenierung in Deutschland wird mit einem Team von dort und Nürnberger Schauspielern realisiert. HALT MICH AUF hat als Hauptfigur eine junge Frau, die sich von einem Minijob zum nächsten bewegt, während grade ihre Wohnung generalsaniert wird und die Not nicht kleiner werden will. Lieber wäre sie Schauspielerin, doch es klappt nie mit ihrem großen Monolog. Aber auch ein Bauunternehmer fühlt sich unverstanden vom Protest gegen seine Aktivitäten und eine Biotechnologin müht sich damit ab, im Büro beschäftigt auszusehen. Annika Henrich beschreibt lächelnd Figuren, die hektisch um ihre Position im Leben strampeln. Der erste Entwurf zum Stück gewann in Graz einen Publikumspreis. Die Uraufführung des weiterentwickelten Textes gehört zum „Import/Export“-Wochenende des Staatstheaters, das in diesem Jahr den Dialog mit Slowenien, dem Land, das „geographisch und kulturell ein Bindeglied zwischen Mitteleuropa und dem Balkan“ sei, gewidmet ist. Und, wenn es denn weiter gut geht mit der Vorauswahl, 2025 neben Nürnberg die zweite Kulturhauptstadt  Europas stellen könnte. Im Ensemble Pauline Kästner, Thomas Nunner, Pius Maria Cüppers, Cem Lukas Yeginer, Nicolas Frederick Djuren.
PREMIERE: 12. März. Aufführungen am 19., 21. März / Kammerspiele.

LETZTER AUFRUF IN DER OPER   Regisseur Immo Karaman hatte 2010 für die damalige Neuproduktion von Giuseppe Verdis NABUCCO dem oft im Verona-Pomp gefangenen Werk einen Befreiungsschlag verpasst. Das flächige Bibelspiel mit dem populären Dreivierteltakt-Chor inszeniert er als verkappte Stummfilm-Hommage. Er wurde damals vom Publikum dafür gefeiert und auch die jetzt abschließende zweite Serie hatte ausverkaufte Häuser. In der neu besetzten Wiederaufnahme übernahm der stimmgewaltige Sangmin Lee, der absolute Bariton-Favorit des Hauses, die Hauptrolle des vorchristlichen Königs Nebukadnezar, als seine Tochter Abigail kam als Gast die italienische Sopranistin Katia Pellegrino, die in dieser Partie zwischen Essen, Leipzig und den Domstufen von Erfurt unterwegs ist. Am Pult: Dirigent Björn Huestege. +++ Jules Massenets in Deutschland eher als Randerscheinung geltende, opernweltweit höher geschätzte MANON, ist ein Melodram feinster französischer Art, das tragische Stationen einer scheiternden Sehnsucht in leuchtenden Tönen ausmalt. Die renommierte Regisseurin Tatjana Gürbaca radierte die Schnörkel historisierender Ausstattungsverpackung weg, sie stellt die kritische Frage nach „Frauen im Warenkreislauf“ der Männergesellschaft. In der Titelrolle zeigt die reisende Sopranistin Eleonora Marguerre, die vor einem Jahr schon als Gast die Natascha in „Krieg und Frieden“ sang, viel schauspielerisches Potenzial in sprunghaften Entwicklungen zwischen Unschuld vom Lande, Unterwelt-Vamp in Paris und Abstürzender im T-Shirt-Elend. Stimmlich fehlt die schwebende, sanft erblühende Wärme, aber die hat der stämmig Puccini singende Tenor-Partner Tadeusz Szlenkier, der wie für die Qualifikation zum Paul-Potts-Pokal schmettert, auch nicht zu bieten. Die Regie verheddert sich in den eigenen Trash-Behauptungen, Dirigent Guido Johannes Rumstadt entschlackt mit Blick auf die aufwendig kühle, verwirrend gedankenvolle Szene bei der musikalischen  Einstudierung die Massenet-Lieblichkeit und stachelt das Ensemble im Kampfmodus an.
AUFFÜHRUNGEN: NABUCCO am 8. und (letztmals) 11. März +++ MANON am 1., 22., 28. März und (letztmals) 10. April im Opernhaus.

GALA MIT GÄSTEN   Das eigene Ensemble präsentiert Ballettdirektor Goyo Montero bei der alljährlichen INTERNATIONALEN BALLETT-GALA mit handverlesenen Ausschnitten aus dem Repertoire. Dazu kommen Abgesandte bedeutender Compagnien mit luxuriösen Schnipseln ihres Könnens, um den choreographischen Fleckerlteppich, den solche Galas letztlich kultivieren, reizvoll zu machen. Ein Paar aus Zürich zeigt Pas-de-deux-Schöpfungen von Christian Spuck und William Forsythe, ein anderes aus Monaco kommt mit Maillot-Arbeiten, die vitalen Solisten von Gauthier Dance Stuttgart bringen Solo- und Duo-Nummern mit, das Dance Collectiv „Human Fields“ und zwei Moskauer Solisten sind beim zweieinhalbstündigen Marathon auch im Einsatz.
AUFFÜHRUNGEN: 13., 14. März im Opernhaus.

TANZTHEATER   Einmal pro Jahr greift Ballettchef Goyo Montero nach den Sternen, manchmal erwischt er dabei auch Wolken. Sein Zauberwald-Tanzstück frei nach Shakespeares berühmtem A MIDSUMMERNIGHTS DREAM war 2018 ein multimusikalisches Poeten-Projekt, das zur Körpersprache den Sound zwischen Altmeister Mendelssohn Bartholdy und Neutöner Owen Belton mischt. Notfalls darf es im Montero-Universum der Collagen und Zitate auch, zielsicher reitend durch Nacht und Wind, sogar erlkönigliche Leihgaben von geleasten Dichterfürsten geben, um die Stimmungslage abzusichern. Zum Finale nach turbulentem Solisten- und Kollektiv-Einsatz spaziert aber in der Tanz-Adaption ganz werktreu der sagenhafte Puck des Original-William staunend durchs Parkett. Der preisgekrönte Alexsandro Akapohi, derzeit auffälligster Solist de Compagnie, tritt wieder in sein spezielles Schrittmuster für den jugendlichen Charmebolzen. Die Philharmoniker sind live dabei.
AUFFÜHRUNGEN: 21., 27. März.

LETZTER AUFRUF IM BALLETT   Tanz-Ikone Pina Bausch gab ihrer ewig wundervollen Modell-Interpretation von „Le Sacre du Printemps“ den deutschen Titel „Frühlingsopfer“,  Goyo Montero betitelt die Uraufführung seiner Tanz-Version, die er schon vorweg zum Meilenstein der eigenen Karriere erklärte, einfach „Sacre“ und holte den Kollegen Douglas Lee für die Inszenierung des dämonischen Puppenspiels „Petruschka“ zum Opernhaus-Doppel STRAWINSKY dazu. Ein Abend, der also ganz dem russisch-amerikanischen Komponisten und seiner besonderen kritischen Zuneigung für den Tanz gewidmet wird. Um es vorsichtig zu sagen: Zu Meilenstein-Dimensionen hat es der Strawinsky-Abend choreografisch in beiden Teilen nicht ganz geschafft, er ist im Vergleich zu anderen Schöpfungen eher grundsolide und hat gegenüber der voranpreschenden musikalischen Live-Dynamik gelegentlich das Nachsehen. Was das jubelnde Publikum nicht stört. Ausverkauft sind die Vorstellungen immer, deshalb muss am 17. März die geplante „Midsummer Night“ einem Zugabe-Strawinsky weichen. Wer auch dafür keine Karten mehr bekommt, muss nicht in Panik verfallen – nächste Saison kehrt „Strawinsky“ garantiert in den Spielplan zurück.
AUFFÜHRUNGEN: 6. März und letztmals 17. März im Opernhaus.

ROTLICHT-RECHERCHE   Im Zusammenhang mit dem Titel der Uraufführung wirkt der Begriff „Rechercheprojekt“ ein wenig anzüglich. Was soll´s! In SEX ARBEIT ging der gelernte Betriebswirtschaftler und Tourismus-Experte Wenzel Winzer im Auftrag der Kunst auf die Suche nach der Wahrheit im Geschäft mit der Lust. 14,5 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr stehen in Deutschland bei diesem besonderen Wirtschaftszweig im kombinierten Rot- und Zwielicht in der Statistik. An der engen Gasse der Frauentormauer, wo die Nürnberger zu früheren Zeiten, als Gesundheitsministerin Käthe Strobel noch nicht mit dem Sexualkunde-Atlas aufklärerisch geholfen hatte, flüsternd den arg missverständlichen Begriff „Freudenhaus“ verorteten, beginnt dieser Doku-Abend der gemischten Gefühle um „Facetten der Prostitution“ mit den drei Schauspielerinnen Anna Klimovitskaya, Lisa Mies und Adeline Schebesch.
AUFFÜHRUNG: 17. März und 2. April in der 3. Etage Schauspielhaus.

SPEKTAKEL MIT TRAVESTIESHOW   Ein eher jämmerlicher Elvis-Imitator wird der blanken familiären Not gehorchend zum Star unter den Drag Queens: In der Deutschland-Premiere von Matthew Lopez´ THE LEGEND OF GEORGIA MCBRIDE tauscht der eigentlich fast bürgerliche Ehemann (Mietrückstand, Räumungsklage, schwangere Ehefrau – wie das Leben halt so spielt), der eine kleine King-Karriere im Presley-Outfit versuchte, nach der Trendwende im Schießbuden-Entertainment den Fummel auf der höheren Erregungsstufe der damenhaften Herren. Playback-Show, Tanz, Glitzer, Glamour und nur noch wenig Original-Gesang: Regisseur Christian Brey lässt nichts aus, was zwerchfellerschütternd an unseren Geschmacksnerven und dem Applaus-Reflex zupfen kann. Yascha Finn Nolding, hochtouriger Komödiant aus „Herzliches Beileid“ und „Alpha“, spielt King/Queen, die Langzeit-Lokalmatadore Pius Maria Cüppers (im fliegenden Kostüm- und Grimassenwechsel) und Michael Hochstrasser (als abgestuft brummiger Grantler) sind zuverlässige Größen im Komiker-Team.
AUFFÜHRUNGEN: 3., 13., 25. März und 1. April im Schauspielhaus.

SATIREN VOM HAUSAUTOR   Der Staatstheater-„Hausautor“ Philipp Löhle lieferte den Text für eine weitere Nürnberger Uraufführung. In seiner satirischen Völkerschau ANDI EUROPÄER schickt er ein Team als Querschnitt Deutschlands nach Afrika, um die dortige Bevölkerung von den Gedanken einer Flucht nach Europa abzubringen. Die Zukunftsangst der Deutschen, verinnerlicht in der plappernden Figur einer Helferin, die treuherzig „europäische Werte vor dem Zugriff fremder Völker schützen“ will. Inspiriert wurde der Autor durch tatsächlich zirkulierende Denkspiele aus einem Bundesministerium. Die zwischen Zürich, Wien und Berlin inszenierende Tina Lanik, die im Vorjahr ihr Nürnberger Debüt mit der Puccini-Oper „Madama Butterfly“  hatte, übernahm die Uraufführung, die sich neben den beiden anderen Löhle-Produktionen von Jan Philipp Gloger im Spielplan einreiht. Ergänzt im März mit dem Vorgänger-Auftragswerk AM RAND (EIN PROTOKOLL), einer mild schaurigen Grenzland-Groteske im Regie-Zugriff des grade am Opernhaus Zürich mit der Operette „Die Csardasfürstin“ in anderer Stimmungslage befassten Schauspieldirektors.
AUFFÜHRUNGEN: ANDI EUROPÄER am 14., 27. März, 1. April  +++ AM RAND am 16. März in den Kammerspielen.

HIGHLIGHT IM REPERTOIRE   Die aktuelle Einladung ins Festival-Tableau der Bayerischen Theatertage 2020 unterstreicht die Bedeutung dieser Aufführung, die in den nächsten Wochen außergewöhnlich oft, nämlich an sechs Abenden im Schauspielhaus zu sehen ist.  In der Produktion von Peter Handkes  Spiel um KASPAR, das Spartenchef Jan Philipp Gloger im Herbst 2019 wie bestellt zur Literaturnobelpreisverleihung auf die große Nürnberger Bühne brachte, tritt das von Worthülsen und Sprachmustern strangulierte fränkische Findelkind auch im Schatten einer Handke-Dreifaltigkeit auf. Drei Dichter kämpfen um ein Mikrophon, also die Deutungshoheit. Die tragische Drastik der „Sprechfolterung“ des Titelhelden wird in dieser Sicht durch Entdeckung bzw. Beförderung von Nonsens und Satire abgefedert. Felix Mühlen, Janning Kahnert und Maximilian Pulst sind die doppelte Trilogie von Handke und Kaspar. Eigentlich war die Produktion als aufgefrischtes Remake einer Jahre zurückliegenden Mainzer Inszenierung gedacht, doch dann kam die überraschende Nachricht vom Nobelpreis für Handke und die heftig einsetzende Debatte um die politischen Irrläufe des Preisträgers. Der Schauspieldirektor schaffte mit seinem glänzenden Ensemble das Kunststück, diese aktuelle Wendung nicht nur als Doku-Anhang zu zitieren, sondern mit eigener Haltung derart überzeugend zu verarbeiten, dass der Nürnberger „Kaspar“ zum hinreißenden, so überzeitlichen wie pointiert aktuellen Gegenwartstheater geriet.
Die Aufführung („Toll!“ schrieb der Kritiker der „Süddeutschen“, und knapper als mit diesen fünf Anschlägen kann man es kaum richtig treffen) wurde dem selbstbewussten Autor durchaus gerecht, aber eben auch seinen wütenden Kritikern. Es ist zweifellos die derzeit beste Aufführung im Spielplan.
AUFFÜHRUNGEN: 1., 7., 8., 14., 27. März und 2. April / Schauspielhaus.

EIN KASSENSCHLAGER   Das Puppenheim, das sonst wie ein Treibhaus zu diesem Frauenschicksal gehörte, hat der deutschlandweit renommierte Regisseur und Bühnenbildner Andreas Kriegenburg rigoros abgeschafft. Bei seiner ersten Nürnberger Inszenierung, Henrik Ibsens Drama NORA, schiebt er die Emanzipations-Elegie aus der Rückblende energisch in die Comedy-Gegenwart und baut ihr eine schicke Galerie als eisig elegantes Eigenheim. Die Titelrolle der Frau, die nun also vom plappernden Zeitgeist gesättigt die Konvention der infantilen Ironie als Hausmittel gegen Depressionen pflegt und erst spät zur Andeutung von Tragik durchbricht, spielt Pauline Kästner. Durch und durch Pointen-Artistin im Wirbel heiterer Fragezeichen. Maximilian Pulst ist der ratlos mitwitzelnde Ehemann, Julia Bartolome die halb und halb verhängnis- und verständnisvolle Freundin. Alle treten ständig rein und raus aus dem Rollenspiel, kokettieren mit dem gutgelaunten Publikum und noch lieber mit sich selbst. Die für viele ausverkaufte Vorstellungen sorgenden Zuschauer nehmen das clevere, wenn auch Ibsen allzu lässig ignorierende Drei-Stunden-Format als willkommenen Spaß in Überlänge. Der Dichter grüßt grübelnd aus weiter Ferne.
AUFFÜHRUNGEN: 15., 29. März im Schauspielhaus.

LETZTER AUFRUF   Ein dickes Buch in ausgedünnter Bühnenfassung: DIE FÜRCHTERLICHEN TAGE DES SCHRECKLICHEN GRAUENS nach dem Wälzer von Roman Ehrlich verabschiedet sich im Studio-Spielplan. Ob man den komplexen, sehr dicken und arg düsteren Roman wirklich in ein 150-Minuten-Kammerspiel verwandeln kann, ist auch nach der bemühten Nürnberger Teilinterpretation  ungewiss. Es geht um gruselige Cineasten-Selbstversuche, bei denen sich eine sektiererische Gruppierung im Kneipen-Nebenzimmer regelmäßig zur Abschöpfung von individuellen Ängsten trifft, um aus den Erkenntnissen vielleicht einen B-Movie zu drehen. Regisseurin Anne Lenk ignorierte die zweite Hälfte des anspruchsvollen Buches und richtete die erste fürs Duo-Drama mit Tjark Bernau und Sina Dresp ein. Das hat Reizmomente, bleibt der Vorlage aber geradezu zwangsläufig viel von ihrer elegisch düster sich ausbreitenden Kraft schuldig.
AUFFÜHRUNGEN: 11. März und (letztmals) am 3. April in der 3. Etage.

SCHAUSPIELER SINGEN   Wer sich an den riesigen Nürnberger Erfolg mit den singenden „Sekretärinnen“ erinnert, sollte hier vorsichtig mit der Einstufung sein – es geht um die andere Blickrichtung. Für den „Abend über Männlichkeit mit Liedern von Frauen“, der männchengerecht oder auch tierisch ernst den Titel ALPHA trägt, hat Vera Mohrs mit ihrem Team in Evergreens gewühlt. Solche, die ausschließlich aus der Perspektive von Frauen geschaffen wurden – und nun exklusiv von Herren als Interpreten vorgeführt werden (müssen). Komplizierte Verhältnisse. Unter Regie von Manuel Schmitt pinseln Frank Damerius, Michael Hochstrasser, Nicolas Frederick Djuren, Amadeus Köhli, Yascha Finn Nolting und Cem Lukas Yeginer am sehr besonderen Frauen-Hörbild. Und der männliche Teil des Publikums wird per Fragebogen zur sofort ausgewerteten Selbstanalyse aufgefordert, was in jeder Vorstellung neue Aspekte bringen könnte. Oder eben ein gemeinschaftlich angestimmtes „Neue Männer braucht das Land“.
AUFFÜHRUNGEN: 1./7./23. März in den Kammerspielen.

IM REPERTOIRE   Der meistgespielte deutsche Gegenwartsautor Roland Schimmelpfennig, mit Stücken wie „Besuch bei dem Vater“ und „Der Goldene Drache“ schon in Nürnberg erprobt, hat die zeitlos durch tausende Jahre Theatergeschichte zirkulierenden „Bakchen“ des Euripides neu in deutsche Kunst-Sprache übertragen. Das Schauspiel schickt sie unter dem Krawall-Titel DIE BESESSENEN in muntere Untergangs-Runden, die im Elend auch komisch werden. Regisseur Jan Philipp Gloger zeigt in der Nr. 2 seines langfristig angelegten Antiken-Projekts eine beispielhaft schreckensreiche Gesellschaft mit politischen Prinzipienreitern und göttlichen Anarchisten. Der Spaß ist blutig, witzig, grell und rätselhaft. Also sehenswert. +++ Bestseller-Autor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) schrieb vor zwei Jahren mit HEILIG ABEND ein konzentriertes Dialog-Duell fürs Wiener Josefstadt-Theater. Der Titel trügt, eine Krippe muss der Zuschauer nicht erwarten, man kann das zu jeder Jahreszeit spielen. Ausgerechnet zur Stillen Nacht sind ein Polizei-Ermittler und eine mutmaßliche Terroristin einsam wachend im Verhörraum wortkämpferisch gegeneinander angetreten. Es geht um eine Bombe, die irgendwo um Mitternacht detonieren soll. Kehlmann reizte die Echtzeit-Situation, denn die 90 Minuten dauernde Aufführung gibt sich als abgebildete Live-Übertragung. In der Inszenierung von Mirjam Loibl ist Adeline Schebesch die linksradikale Philosophie-Professorin unter Verdacht und Thomas Nunner attackiert sie als personifizierte Staatsgewalt mit Hang zu verbaler Dienst-Willkür. +++ Ein Waschsalon in der türkischen Metropole Istanbul ist Treffpunkt für fünf junge Leute, kulturaffin und arbeitslos, die trotz beängstigender gesellschaftlicher Entwicklung den Fluchtreflex verweigern. Ceren Erkans zeitnahes Stück I LOVE YOU, TURKEY!, daheim als kampflustiger Bühnenessay mit klarer Haltung gefeiert, hat es in der arg brav geratenen deutschsprachigen Inszenierung etwas schwer mit dem Ausrufezeichen im Titel. Der Premierenbeifall war gewaltig, die Kritikenbilanz ist widersprüchlich. Von „gruselig-komisch“ über den „lohnenswerten Zeitgeschichte-Crashkurs“ bis zu „politisch eine knallhart verpasste Chance“ reicht das Meinungsspektrum der Rezensenten. Irgendwie haben sie ja alle recht.
AUFFÜHRUNGEN: DIE BESESSENEN am 6., 24. März im Schauspielhaus. +++ HEILIG ABEND am 13., 25. März in der 3. Etage +++ I LOVE YOU, TURKEY am 6., 24., 29. März in den Kammerspielen.

MUSICAL-BESTSELLER   Das ist die durchweg am schnellsten ausverkaufte Vorstellung des Staatstheaters.  Leonard Bernsteins nach New York versetztes „Romeo und Julia“-Musical WEST SIDE STORY, das in Hollywood von Steven Spielberg in Zweitverfilmung vorbereitet wird. Auch in Nürnberg live ist es der zweite Versuch (nach der deutschen Erstaufführung 1972) und 2019 war die Choreographin Melissa King für Regie mit sanfter Reform zuständig. Sie setzte auf Tempo und Turbulenz, vor allem im Tanz, etwas verhalten in den Sketchen dazwischen. Neben einem Spezialisten-Ensemble sind Tony und Maria, das Shakespeare-Paar in den Häuserschluchten von Manhattan, aus dem Haus-Ensemble besetzt: Hans Kittelmann und Andromahi Raptis, sonst eher für Mozart im Einsatz, singen euphorisiert „Tonight, Tonight“.
AUFFÜHRUNGEN: Nur zwei (weitgehend ausverkaufte) Aufführungen am 15., 29. März im Opernhaus. Der Vorverkauf für Vorstellungsserien im Juni/Juli läuft aber schon.

STAATSTHEATER NÜRNBERG. Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg.
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

PREMIERE   Sie gilt als die spitzeste Zunge der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur und kann sich vor Auszeichnungen grade gar nicht retten. Sibylle Berg schreibt monströs geniale Romane wie zuletzt „GRM - Brainfuck“, ätzende Kolumnen, süffisante Miniporträts für Jan Böhmermanns TV-Wucherungen – und immer wieder frei durch die Fantasie schwingende Theatertext-Partituren mit wunderlicher Bodenhaftung, die es als konkrete poetische Alternative mit den Jelinek-Textflächen aufnehmen können. In ihrem Stück WONDERLAND AVE., das in einer Wonderland Avenue spielt, haben die Maschinen die Macht übernommen. Die Roboter, die eigentlich den Menschen dienen sollten, geleiten das „Humankapital“ an ein sanftes Ende und die Autorin malt gnadenlos hoffnungsfroh die Zukunft aus, in der unser Globus erleichtert aufatmet, weil nur noch fröhlich blinkende Geräte existieren. Silke Würzberger inszeniert die steil formulierte Berg-Tour mit Johanna Steinhauser, Thomas Witte, Barbara Seifert und Helwig Arenz.
PREMIERE: 18. März, weitere Aufführungen 19. bis 21., 25. bis 28., 1. bis 4. April im Gostner Hoftheater.

GOSTNER HOFTHEATER, Austr. 70, Nürnberg.
gostner.de


TAFELHALLE   

GASTSPIEL   Anna Konjetzky versammelt sieben Tänzer*innen für ihr Projekt DIVE – A CELEBRATION und choreografiert, scratcht, sampelt und mixt aus deren Identitäten eine Handlung, die sich selbst aufbaut und sogleich wieder dekonstruiert. In Musik, Wort, Körpersprache und Szenenfolge. Ein „Fest der Heterogenität“ ist angekündigt, die Frage nach dem Gemeinsamen, das nicht aus dem Drang zur Vereinheitlichung sondern aus Differenzierung besteht. Die renommierten Münchner Kammerspiele sind Kooperationspartner dieser Produktion.
AUFFÜHRUNGEN: 18., 19. März in der Tafelhalle.

PREMIERE   Mit Fünf-Personen-Ensemble geht Regisseurin & Choreografin Beate Höhn die neue Produktion des co>labs-Theaters an: NUR MUT! – EINE HÄUTUNG fragt nach dem Rassismus der „weißen“ Gesellschaft, streut Zweifel an der öffentlich behaupteten Toleranz und setzt Hoffnung dagegen. Konzeptskizzierung: Welche Mechanismen schreiben die europäische Kolonialvergangenheit und ihre Konsequenzen immer und immer wieder in die (deutsche) Gegenwart ein? Welche Abwehrreaktionen greifen? Welche Kräfte kommen in Rage, wenn Rassismus zum Thema gemacht wird – sodass Machtstrukturen ins Wanken geraten?  co>labs will heiße Luft zu dünnem Eis machen. „Darauf zu tanzen und den Wunsch nach einer Welt, frei von Demütigung und Grausamkeit in seinem ganzen Pathos zu einer innerlichen Auseinandersetzung mit sich selbst werden zu lassen: Das bewegt das Team um Beate Höhn, das wollen sie bewegen.
PREMIERE: 26. März. Weitere Aufführungen 27., 28., März, 3., 4. April.

TAFELHALLE, Äußere Sulzbacher Str. 62, Nürnberg.
tafelhalle.de


THEATER ERLANGEN

PREMIERE   Sein größtes Idol ist der deutsche Kaiser (nein, nicht Franz I, sondern Wilhelm II), er liebt den schneidigen Nationalismus und seine eigene Mitgliedschaft mit Schmiss in der Schlagenden Verbindung, terrorisiert die Familie und passt sich jederzeit willig den Mächtigen an: Diederich Heßling ist DER UNTERTAN im Satire-Roman von Heinrich Mann. Unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg geschrieben, aber erst danach veröffentlicht. Der jüngere Bruder des Autors, der insgesamt feinsinniger gestimmte Thomas Mann, lehnte das Werk schroff ab, dafür wurde es von Glossen-Großmeister Kurt Tucholsky bejubelt. Als Wolfgang Staudte 1951 eine (heute legendäre) Verfilmung für die DEFA der DDR drehte und dafür den Staatspreis erhielt, schlug die Zensur der jungen Bundesrepublik in ungebremster Ignoranz zu. Man fühlte sich ertappt und verbot die Aufführung des cineastischen Kunststücks allen Ernstes über viele Jahre, erlaubte sie dann nur mit kräftigen Zensur-Schnitten, ehe endlich Vernunft und Kunst siegten. Für Erlangen schuf Regisseur Matthias Kaschig jetzt seine eigene Fassung aus Buch und Film für fünf Schauspieler.
PREMIERE: 7. März. Weitere Aufführungen 13., 14., 29., 30. März im Markgrafentheater.

GASTSPIEL   Jacques Offenbach und Johann Nestroy, was für eine Operettenpaarung: HÄUPTLING ABENDWIND ist die kühne Kombination von französischem Esprit und Wiener Schmäh. Das Hofer Theater nahm die nicht ganz geschmacksneutrale Kannibalen-Geschichte von 1862, wo zwei Häuptlinge herausfinden, dass sie die Ehefrau des Andern verspeist haben, mit dem Freibrief des schwarzen Volkstheater-Humors und dem Vertrauen auf Offenbachs übermütigen Sound-Esprit auf. Nach Erlangen kommt das wie ein Nachhall des fränkischen Faschings.
AUFFÜHRUNG: 11. März im Markgrafentheater.

GASTSPIEL   Musiktheater in der Wrestling-Arena: Die Berliner Gruppe „glanz & krawall“ (sie heißt wirklich so) lässt in CATCH3000 einen Zweikampf zwischen Musik von Claudio Monteverdis Tancredi e Clorinda (1624) und Text von Kleists peinigender Penthesilea (1807) los – beide haben bei der nicht nur in Wort und Klang triefenden Freistil-Begegnung die blutige Abschlachtung der bzw. des Geliebten zum Thema. Na denn, viel Spaß.
AUFFÜHRUNGEN: 25., 26. März auf der Hinterbühne Markgrafentheater.

DAUERLÄUFER   Der andere Kleist, sein literarisch wertbeständiger Lustspiel-Evergreen DER ZERBROCHNE KRUG, gerne auch auf den weiten Szenen der Freilichtspiele als lachbarer Klassiker ausgebreitet, rückt in Erlangen dem Zuschauer so nah wie nie. Auf der Hinterbühne läuft der Prozess des Scherbengerichts gegen Dorfrichter Adam um die Bruchstellen in Keramik, Moral und Gesellschaft quasi unter der Lupe. Katja Ott inszenierte Kleist-Klassik fast zum Anfassen. +++ Eine Erlanger Stückentwicklung zum Jubiläum „30 Jahre Mauerfall“ hat den herausfordernden Titel WELCHE WENDE?. Eine Paartherapie zwischen Wiebke West und Olaf Ost, die sich lieben und miteinander streiten. +++ Duncan Macmillan lässt in ALL DAS SCHÖNE den Schicksalsschlägen trotzend seinem Protagonisten einfach eine Liste nur mit den Dingen anfertigen, die ihm Freude bereiten. +++ Regisseur Eike Hannemann, der Spezialist fürs Kleinkunstformat großer Themen (man erinnert sich gern an „Winnetou“ in Nürnberg) hat Goethes DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER mit Livekamera aufgerüstet und so einen Dauerläufer geschaffen. Da wühlt sich bereits der dritte Titelheld durch das melancholische Briefdrama mit Todesfolge. Max Mehlhose-Löffler, der grade auch bei Kleist und Heinrich Mann dabei ist, demonstriert Vielseitigkeit in der Rolle des jungen Schwärmers.
AUFFÜHRUNGEN: DER ZERBROCHNE KRUG am 22., 23. März auf der Hinterbühne Markgrafentheater, WELCHE WENDE? am 11., 12. März, ALL DAS SCHÖNE am 19., 20. März, WERTHER am 21., 24., 25. März in der Garage.

THEATER ERLANGEN, Theaterplatz 2, Erlangen.
theater-erlangen.de


THEATER FÜRTH

PREMIERE   Tatort ist die französische Provinz der 1960er-Jahre und der Titel RÜCKKEHR IN DIE WÜSTE verweist auf die dortigen Lebensgefühle als Beispiel ewiger Vorurteile. Eine Frau, die einst aus dem Kaff flüchten musste, kehrt aus Algerien auf Rachefeldzug zurück zu den Peinigern. Eine knallharte Familiengeschichte wird wie eine Parabel der morschen Gesellschaft entwickelt. Mit giftigem Humor und bedrückender Melodramatik. Der mit 41 Jahren gestorbene Autor Bernard Marie Koltès, der in seiner kurzen Karriere wie eine plötzlich explodierende Leuchtrakete durch die Theaterwelt flog, gilt heute fast als Klassiker des französischen Theaters. Zunächst stritt man sich in Fachkreisen, ob er ein Blender oder ein Genie ist, aber Regiegrößen wie sein Freund Patrice Chéreau, aber auch Schaubühnen-Guru Peter Stein in Berlin führten ihn auf. Nach dem frühen Tod entwickelte sich schnell die Legende vom großen Ausnahmepoeten, die inzwischen etwas verblasst ist. Eine Opernfassung seines Stückes „Quai West“ gab es in Nürnberg, Aufsehen erregte die „Rückkehr in die Wüste“ zuletzt 2015 in der Inszenierung von Altmeister Roberto Ciulli vom Theater an der Ruhr, die mit viel rauem Witz arbeitete. Fürs Fürther Theater nimmt sich der von Nürnberg nach Berlin und zurück pendelnde Barish Karademir, der hier zwischen Gostenhof, Fürth und Tafelhalle mit pointierten Interpretationen von R. W. Fassbinder und Falk Richter beachtliche Erfolge feierte, den tragikomisch operierenden Text mit großem Ensemble vor.
PREMIERE: 7. März. Weitere Aufführungen 10., 11., 12., 13., 20., 21. März im Fürther Theater.

GASTSPIEL   Im Kino war das ein großer Erfolg mit Senta Berger (als pensionierte Rektorin auf der Suche nach dem Sinn des Lebens) in Regie ihres Sohnes Simon Verhoeven. Komödie mit Gesinnung und Elyas M`Barek sozusagen. Inzwischen wird WILLKOMMEN BEI DEN HARTMANNS, wo sich die gehobene bürgerliche Familie einen Migranten zur Bestätigung der eigenen Unfehlbarkeit ins Haus holt, auch live ohne Promi-Bonus nachgespielt. Die Dialoge garantieren gut geöltes Boulevardtheater, die Tournee hat mit Michael Bleiziffer einen Routinier als Regisseur.
AUFFÜHRUNGEN: 17., 18. März im Fürther Theater.

GASTSPIEL   Ein Wiedersehen mit dem schon vor fünf Jahren in Fürth gefeierten israelischen Ensemble der KIBBUTZ CONTEMPORARY DANCE COMPANY, berühmt für ihren enormen Sog der Emotionen. Man erinnert sich sofort an ihre explosive Ästhetik, die damals die Zuschauer elektrisierte. Mit ASYLUM, dem jüngsten Stück, mischt sich Chefchoreograf Rami Be’er in die Debatte um die afrikanischen Flüchtlinge im Land und deren Abschiebung ein. Identität, Fremdartigkeit, Sehnsucht, Freiheit und Heimat sind seine Themen.
AUFFÜHRUNGEN: 25., 26., 27., 28., 29. März im Fürther Theater.

GASTSPIEL   Zwar erinnert der Titel an einen Kino-Klassiker mit Gary Cooper und als Genre für die Theaterproduktion HIGH NOON wird tatsächlich der Begriff „Endzeit-Western-Spektakel“ angegeben, aber damit lockern sich die Verbindungen zum Hollywood-Knalleffekt doch schon beträchtlich. Es geht um den „modernen deutschen Cowboy“, welcher nach Einschätzung der Interpreten „katholisch, traditionsbewusst und stolz auf seine Heimat“ ist. Ein Abenteurer, der in Niederbayern auf Karl May oder wenigstens einen Abdruck vom Schuh des Manitou wartet. Bis ein Virus die globale Träumerei bedroht und die Frage auftaucht, ob man eine Mauer bauen muss gegen die Welt da draußen. Das Theater an der Rott und das Kollektiv Pandora Pop wagen sich mit dem Fürther Theater im Rahmen der „Doppelpass“-Initiative aufs freie Feld der Gedankenflüge, wo nicht nur der Colt locker sitzt.
AUFFÜHRUNGEN: 27., 28., 29. März und 3., 4. April im Fürther Kulturforum.

STADTTHEATER FÜRTH, Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de


DEHNBERGER HOF THEATER

DAUERLÄUFER   Mit dem Verkleidungs-Ulk CHARLEYS TANTE, im Kino von Heinz Rühmann bis Peter Alexander ausgebeutet, lässt sich weiterhin auch Stimmung im Theater machen. Marcus Everding schuf für den Verkleidungs-Jux auf Mini-Bühne die passende Neufassung. In Dehnberg gehört das inzwischen zum Spielplan-Fundus: 27., 28., 29. März. Ein Abend ist reserviert für DIE STERNSTUNDE DES JOSEF BIEDER, das Solo des Requisiteurs, der die unerwartete Chance, endlich mal selbst auf der Bühne zu stehen, aus vollem Herzen genießt: 20. März.

PREMIERE   Er ist unvergessen als süßlicher Prälat in „Der Bulle von Tölz“, rückte als Bußprediger vom Nockherberg den konservativen Machthabern ihr Weltbild zurecht und stellte als Intendant der Luisenburg das Musical neben das Volkstheater. Mit STÜRZFLÜGE IM ZUSCHAUERRAUM kehrt er zurück zu den Wurzeln: MICHAEL LERCHENBERG SPIELT KARL VALENTIN. Der Um-die-Ecke-Denker und Volkssänger aus München, dessen Gehirnakrobatik bis heute unvergleichlich bleibt, hat ein weiteres Comeback längst verdient: 6. März.

DEHNBERGER HOF THEATER, Dehnberg 14, Lauf/Pegnitz.
dehnbergerhoftheater.de

 




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