Theo O.J. Fuchs: Der zweite Krautwickel-Auszug
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Ein Auszug, Seite 55 – 57: Vater und Tochter – »Meine Tochter ist noch nicht zu Hause, darf ich kurz bei Ihnen warten? Es ist so ungemütlich im Treppenhaus, und sie scheint vergessen zu haben ...«
»Ihre Tochter?«, fragte Krautwickel, der sich gründlich überlegt hatte, ob er die Tür öffnen sollte, als es ungefähr eine Woche nach seinem Einzug zum zweiten Mal geklingelt hatte. Oder eben nicht. Aber der robuste Herr mit dem buschigen Schnauzbart und dem bürstenförmig geschorenen weißen Haarschopf hatte ihm selbst durch den Türspion Respekt eingeflößt.
Inzwischen bewegte er sich sehr viel selbstbewusster in der Wohnung und hatte in weiser Voraussicht geübt, so über die knarrenden Dielenbretter hinwegzusteigen, dass er lautlos den Türspion erreichen und ins Treppenhaus spähen konnte.
Instinktiv hatte Krautwickel die unbeugsame Hartnäckigkeit erkannt, die da draußen in der harmlosen Figur eines etwas kantigen, kurz, aber kraftvoll gewachsenen Mannes stand, der mit einem dicken, unzerbrechlichen Daumen den Klingelknopf so fest drückte, als wollte er ihn durch die Wand in die Wohnung schieben.
»Ja, Neumeier mein Name, Anja ist meine Tochter«, hatte der alte Herr erklärt und, indem er Krautwickels verständnislosen Blick richtig deutete, hinzugefügt: »Sie wissen schon, die junge Dame im dritten Stock …«
Da fiel Krautwickel der vom Wetter zerfledderte Papierstreifen ganz oben am Klingelschild wieder ein.
Sowie sie sich an den Küchentisch gesetzt hatten, erklärte Neumeier hastig, dass er auf keinen Fall lange stören wolle und nicht mehr als – seinetwegen – eine Stunde Krautwickels Geduld in Anspruch zu nehmen beabsichtige; wenn jener natürlich nichts dagegen habe, schon jetzt sei er unendlich dankbar für die Aufnahme.
Inzwischen verstand es Krautwickel, mit der italienischen Gerätschaft umzugehen, und fragte, obwohl er Misstrauen gegen den Vater seiner Nachbarin hegte, aus Höflichkeit, ob er ihm eine Tasse Kaffee anbieten könne. Herr Neumeier lobte dann auch überschwänglich den wirklich und wahrhaftig meisterhaft gebrauten Kaffee und wollte unbedingt wissen, woher er, Krautwickel, diese italienische Zaubermaschine beziehe, denn vielleicht sei für ihn, Neumeier, dieser ungeplante Besuch ja ein unverhoffter Anlass, sich selbst so einen Apparat anzuschaffen, der ganz abgesehen vom köstlichen Kaffee auch noch extrem chic aussehe, vermutlich sogar seiner Tochter gefallen würde, was er hernach, wenn die junge Dame endlich nach Hause zurückgekehrt sei, sogleich in Erfahrung bringen würde …
Und während Vater Neumeier im plätschernden Plauderton fortfuhr, überflüssige Nichtigkeiten aneinanderzureihen, schwitzte Krautwickel sprichwörtlich Blut und Wasser. Er wusste nicht, war es der Espresso, der die Hitze in ihm befeuerte, oder das Bewusstsein, dass nebenan, auf dem grünen Sofa im Wohnzimmer, im selben Moment das Skelett einer abgeschnittenen Hand lag?
An jenem ersten Tag, den er damit verbracht hatte, die Wohnung des Toten zu durchsuchen, war ihm nämlich entgangen, dass sich das Sofa zerlegen ließ. Zwei Tage später hatte ihn dann ein bestimmtes Ereignis auf den Gedanken gebracht, dass es in dieser Wohnung womöglich mehr Verstecke gab, als ein unbefangener Beobachter auf den ersten Blick ausmachen konnte.
Und so hatte er die Kommode, die CD-Regale und den Kleiderschrank von der Wand gerückt, das Hängeschränkchen in der Küche abmontiert (Werkzeug fand sich in der Kommode), unter das Spülbecken gespäht und den Sicherungskasten inspiziert. Unter dem Sitz des grünen Sofas entdeckte er dann folgerichtig die flache Pappschachtel.
Zusätzlich war er auf ein weiteres Indiz gestoßen, dass Krautwickel vor vier Jahren beim Einzug den Hausrat neu angeschafft hatte. Unter einem der beiden herausnehmbaren Polster lag ein Fetzen Papier, der sich als Lieferschein herausstellte. Darauf waren die Adresse und als Datum der 14. März 2002 vermerkt.
Der Triumph über die Entdeckung des Lieferscheins war jedoch rasch verflogen, denn in der Schachtel fand er, sorgfältig auf einen Stapel hauchdünnen grauen Packpapiers gebettet, das Skelett einer Hand. Die Gebeine waren mit schwarzem Faden verbunden, das ganze Gebinde endete mit den Unterarmknochen und wirkte ausgesprochen dilettantisch. Das Packpapier kam Krautwickel ostisch vor – es war holzig und vergilbt, und er bildete sich ein, es röche nach DDR (die er einmal als Jugendlicher eher unfreiwillig auf einer Klassenfahrt besucht hatte).
Er versuchte vergeblich, sich einen Reim auf den Knochenfund zu machen. Es gab keinerlei Anhaltspunkte, für welchen Zweck die knöcherne Hand aufbewahrt wurde, noch dafür, wer das Präparat hergestellt hatte oder der Spender des Materials gewesen sein mochte. Er konnte nicht einmal die krasseste Variante ausschließen, dass der alte Krautwickel einen Menschen ermordet und zerlegt, die Knochen aufpoliert und letzten Endes als Trophäe aufbewahrt hatte. Jäger hingen dieser Marotte schließlich auch seit unvordenklichen Zeiten an, warum also nicht der frühere Bewohner dieser Behausung?
Selbst wenn es sich nur um ein makabres Geburtstagsgeschenk oder einen Dachbodenfund handelte – jede Polizei der Welt würde, unabhängig davon, welchem Zweck die Hand hier diente, in Erfahrung bringen wollen, wieso sie nicht ordnungsgemäß auf einem Friedhof in zwei Meter zwanzig Tiefe zur ewigen Ruhe gebettet worden war.
Außer den Knochen fand Krautwickel in dem Pappkarton exakt fünf Patronen für eine Schusswaffe. Ob die Munition scharf war oder nicht, konnte er als Laie nicht entscheiden. Vollkommen unvorbereitet war er allerdings nicht auf den Fund.
Und das kam so: …
[... weiter geht´s im Buch, das Ihr Euch nun kaufen müsst!]
THEOBALD O. J. FUCHS: DER ZWEITE KRAUTWICKEL
Der Kriminalroman ist 2019 im ars vivendi verlag erschienen.
ISBN 978-3-7472-0095-7
curt verlost 1 - nein, 2! - exklusive, von Theo höchstselbst signierte und damit einzigartige Exemplare.
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mit dem Betreff “Theos zweiter Krautwickel” senden und Daumen drücken. Einsendeschluß ist der 29.02.2020
Fotos: Katharina Winter, immer im Bilde: Theobald O.J. Fuchs
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THEOS FLOTTER DREIER IM FEBRUAR:
12.02.: Der Fuchs präsentiert am 12.2. um 19 Uhr sein neues Buch in der Gostenhofer Buchhandlung, Eberhardshofstr. 17, Nbg.
gostenhofer-buchhandlung.de
13.02.: Theo ist um 14 Uhr Gast bei den Mittagslesungen im Künstlerhaus (Glasbau/KunstKulturQuartier) und bringt wohl seine Kalenderkrimis mit.
14.02.: Im Modul26 sind die zwei vermutlich renommiertesten Cartoonistinnen Deutschlands zu Gast: Miriam Wurster & Katharina Greve. Neue Gasse 26. Einlass 19.30, Beginn 20 Uhr, Eintritt 10 Euro.
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