Theo O.J. Fuchs: Beamen – Pro und Kontra

MITTWOCH, 15. JANUAR 2020

#Comedy, #Kabarett, #Kolumne, #Literatur, #Theobald O.J. Fuchs

Da saß ich im Bus nach Prag und dachte mir, wie unangenehm es sein müsste, von einer Stadt in die andere Stadt gebeamt zu werden. Also mittels Star-Trek-Transporter [https://de.wikipedia.org/wiki/Star-Trek-Technologie]. Man wäre ja im selben Augenblick da, in dem man abgeschickt wird, und würde die schöne Fahrt verpassen. Welche Auswirkungen der abrupte Ortswechsel auf die menschliche Seele hätte, ist noch völlig unerforscht. Zudem ja erst die Seele an sich definiert werden müsste. Das ist sonst ungefähr so, wie wenn man die Verdauung des Monsters von Loch Ness erforschen wollte.

Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sich seit Langem wünschen, das Beamen wäre möglich. Und die sich regelmäßig vertrauensvoll an mich wenden und mich fragen, warum ich, wo ich doch Physik studiert hätte, mich nicht endlich darum kümmern würde. Oder ob ich am Ende zu der »verschworenen Gesellschaft« gehören würde, die von den »Mächtigen« Schmiergeld bekäme, damit wir die »überlegene Technologie« wie das Beamen, freie Energie, unkaputtbare Glühbirnen, die Pille für ewige Gesundheit etc. unter Verschluss hielten. Ich kann diesen Verdacht meistens damit entkräften, indem ich auf die Löcher in meiner Jacke und meine selber reparierte Brille verweise. So viel darf ich verraten: wenn überhaupt, dann werden wir »Verschwörer« nicht mit Geld bezahlt. Wer wirklich reich werden will, sollte einfach nicht Physik studieren. Da wird man höchstens Bundes-kanzlerein oder Science-Slam-Star. Besser Kolumnen schreiben, hihihihi.
Ich sollte an dieser Stelle anmerken, dass Physiker*in ungleich Ingenieur*in ist. Manche meiner Zunftgenossen tun freilich so, als ob. Sie können manchmal sogar tolle Maschinen und Schaltungen bauen, ich jedoch nicht. Ich denke nur über Naturgesetze nach, und wenn ich etwas baue, dann sieht das aus, als hätte es vor 30 Jahren ein Spätaussiedler im Pappkoffer aus Siebenbürgen mitgebracht. Aus Ersatzteilen und Fundstücken planlos zusammengenagelt. Egal was, das Mittelwellenradio genauso wie einen Hasenstall. Allerdings habe ich großen Spaß daran, Geräte aufzuschrauben und darin herumzupokeln. Meistens mögen es Geräte, dass ich sie mit meinen heilenden Fingern anfasse, und funktionieren wieder. Keine Ahnung weshalb. Deswegen reparierte ich immer den Staubsauger meiner Eltern, wenn ich während des Studiums zum Wäschewaschen(lassen) nach Hause fuhr. Wo mein Vater mich mit der Wartung der Elektrogeräte beauftragte. Wenn ich schon so lange dieses »mysteriöse Zeug« studierte.
Doch zurück zum Thema. »Beamen« und »Klonen« liegen ganz nahe beisammen. Man  wird beide Aufgaben mit der gleichen Technik lösen, da sie sich quasi nur minimal unterscheiden.
Eindeutig ist die Sache, wenn beim Beamen das Original aus technischen Gründen sowieso aufgelöst werden muss, um an alle Informationen zu kommen. Wenn also Position und Zustand der irgendwas um die sechs mal zehn hoch siebenundzwanzig Atome meines Körpers nur gemessen werden können, wenn die Maschine mich in sechs mal zehn hoch siebenundzwanzig Einzelteile zerlegt.
Doch geht’s vielleicht auch ohne Zerstörung? Für Testpersonen wäre das wahrscheinlich ein relativ beruhigendes Feature. Rein theoretisch könnte ein Ingenieur – vielleicht beraten von einem Physiker – folgendes Konzept ersinnen. Erstens ein physikalisches Objekt in digitale Information umwandeln, zweitens mittels Datenübertragung »verschicken« und drittens woanders wieder materiell zusammensetzen, also »auferstehen« lassen.
Bei allen drei Schritten hat die Technik bereits gewaltige Fortschritte gemacht. Für die Digitalisierung von realen Objekten wird jeden Tag eine neue Methode erfunden. In der medizinischen Diagnostik sind mittlerweile Dutzende Verfahren zur Bildgebung bekannt, die funktionieren, ohne dass man den Patienten in unangenehm dünne Scheiben schneiden muss: Kernspin, Röntgen, Infrarot, Ultraschall, Radiowellen, Terahertz, Elektronen-Pinzetten undundund – alles wird eingesetzt und liefert unfassbar viele Informationen über den Körper einer Person, die im Computer gespeichert werden. Was man mit Fug und Recht behaupten kann, ist, dass das nächste Teilproblem zufriedenstellen gelöst ist: Um das Original zu zerstören reicht in der Regel eine Badewanne voll Schwefelsäure.
Zur Datenübertragung muss nicht viel gesagt werden. Klar – so ein ausgewachsener Mensch enthält schon eine ordentliche Menge Bits und Bytes. Bestimmt mehr als zehn hoch siebenundzwanzig. Und es sieht so aus, dass bisher kein Provider in der Lage ist, Katzenfotos und Netflix-Serien schneller als das Licht zu versenden. Doch wenn man sich mit seinem Clan nicht gerade in einem Funkloch niedergelassen hat, ist die eigentliche Versendung einer digitalisierten Person das geringste Problem. Im bayrischen Wald oder im Spessart wird man allerdings etwas Geduld aufbringen müssen. Da heißt es für den Enkel, rechtzeitig loszubeamen, damit der Kaffee bei Oma nicht kalt wird.
Schließlich verläuft auch die Entwicklung von 3D-Druckern rasant. Schon heute kann man künstliche Gewebe und Organe ausdrucken oder redet zumindest davon. Gedrucktes Holz und Nahrung aus dem 3D-Drucker sind momentan der »ganz heiße Scheiß in diesem krass heißen business«, wie es ein Experte auf diesem Gebiet sicherlich nicht ausdrücken würde.
Doch wieso dauert das alles noch so lange? Nürnberg könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Wenn alle Einwohner mithelfen würden:
die Studenten und Professoren von sämtlichen Hochschulen und High-Tech-Firmen, GFK, DATEV, VAG, SÖR, das Amt für Statistik und Informationstechnik und die historische Bratwurstküche – dann könnte es in nicht allzu langer Zeit heißen: »Beam-Stadt Nürnberg«. Oder »Nürnberg – Stadt des Teleportierens«. Das stünde dann auf den Ortsschildern und auf den braunen Hinweistafeln für Touristen an der Autobahn. Holländer und Ungarn würden dran vorbei fahren und sich denken: »Jawoll, die wissen wie‘s geht! Das nächste Mal nehmen wir in die Berge oder zur Nordsee nicht mehr das Auto, sondern steigen in einen Familien-Beamer, Made in Nürnberg.«
Und auch für die Bewohner der Metropolregion wäre es vorteilhaft. Bei aller Sympathie – die Preise für Öffis in Nürnberg sind nichts anderes als irrsinnig. Es gibt Stimmen, die fordern einen eigenen Flughafen für Fürth, damit Ryan Air eine Verbindung zwischen den Nachbarstätten einrichten kann. Die Tickets wären definitiv billiger als die für die U-Bahn vom Plärrer bis Lorenzkirche.
Definitiv wird es eine Art Risikobewertung geben. Beispielsweise wird man eine Einverständniserklärung unterschreiben müssen, in der gewarnt wird: »Von 10.000 Menschen, die dieses Gerät zum Teletransport verwenden, verschwinden 2 unterwegs spurlos (geringes Risiko).« Wie üblich wäre das Risiko bei den teuren Geräten geringer, so dass reiche Menschen viel seltener im Beamer stecken bleiben als arme. Isjalogisch.
Die Alternative, bei der das Original erhalten bleibt und an einem anderen Ort eine wirklich saugute 3D-Kopie von einem selbst entsteht, ist freilich die sicherere, was das Backup bei einem Systemabsturz angeht. Bloß existiert man danach zwei Mal. Muss sich um zwei Leben kümmern, zwei Familien ernähren, zwei Staubsauger reparieren. Spätestens, wenn beide Kopien noch einmal den »Beamer reiten«, sind‘s vier Klone. Dann acht, sechzehn und so weiter. Am Ende irgendwas wie zehn hoch siebenundzwanzig. Na toll! Der feuchte Traum eines jeden Narzissten!
Meiner Meinung nach jedoch der heikelste Punkt bei der Sache: Wenn ein Menschlein erfolgreich in Information umgewandelt wurde – will eines überhaupt wieder woanders »ausgedruckt« werden? Oder bleibt eines lieber erst einmal auf der Festplatte liegen, bis es Lust hat, wieder aufzuerstehen? Werde ich mich irgendwann den Satz sagen hören: »Meine Frau ist auf diesem USB-Stick gespeichert, den ich der Hosentasche herumtrage. Sie möchte ausgedruckt werden, wenn das Wetter wieder besser ist.«?
Man müsste sich dringend Gedanken machen, wie man mit einem digitalisierten Menschen kommuniziert. Aber sollte das klappen, dann hätte man quasi im Vorübergehen eine Zeitmaschine erfunden. Zumindest eine, mit der man in die Zukunft reisen kann. Jedenfalls in eine Zukunft, in der man das Ausdrucken von Menschen nicht bereits wieder verlernt hat. In diesem Falle sähe man ja blöd aus der Wäsche, während man auf einer Festplatte eingesperrt wäre und nicht mehr heraus käme.
Andererseits bieten sich vor der Wiederauferstehung noch ganz neue Möglichkeiten. Denn wer will schon in exakt der selben Form, die digitalisiert wurde, wieder erzeugt werden? Da dürfen es ruhig ein paar kleine Verbesserungen sein! Stichwort: Digitales Botox. Und wahlweise fünf Kilo abnehmen oder zehn Zentimeter großer werden.

Zu guter Letzt sollte man sich, ehe man den Beamer besteigt, erkundigen, wie lange am anderen Ende der Reise das Ausdrucken dauert. Denn nichts ist ärgerlicher, als wenn man erst halb gedruckt ist und der Toner ausgeht, so dass man auf die Lieferung der Ersatzkartusche warten muss. Und sich darauf verlassen, dass ein Klon, der schon komplett materialisiert ist, dem Paketboten die Haustür öffnet.
 
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UND WAS MACHT THEO WIRKLICH UND SONST SO?
Ob Schnee oder nicht, im Winter ist Theo täglich mit der Schneefräse unterwegs. Am Neujahrmorgen hingegen bläst er mit dem Laubbläser den Feuerwerkfeinstaub von den Straßen, zwecks der Optik.
Sein neuer Roman heißt „Der zweite Krautwickel“ und erscheint um Weihnachten herum bei ars vivendi. Mal sehen, ob uns der Weihnachtsmann davon verschont.




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