Theaterwegweiser im November

FREITAG, 1. NOVEMBER 2019

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Nürnberger Alphamännchen, Ossis in Erlangen und ein springender Faust von der Seenplatte. Jede Menge Tanztheater auf vier Bühnen – Götter in allen Sparten - Utopischer Roman als Zwei-Personen-Drama – Wenn Frauen die Männer zum Singen bringen.

Eigentlich ist nach der Papierform der erste Saison-Höhepunkt für Tanztheater mit dem Strawinsky-Doppel von zwei Choreographen ein paar Wochen später im Opernhaus fällig, aber fünf Produktionen & Projekte an vier Orten in Nürnberg und Fürth bringen schon im November goldene Zeiten für die Fans der Bewegungs-Art. Der Gott der Besessenen im Schauspiel (das Publikum bleibt skeptisch gegenüber der Antike, und mag sie so lustvoll sein wie bei Dionysos) erhält überirdische Unterstützung durch Jupiters Auftritt in der Oper. Und ein frisch gekürter, heftigst umstrittener deutschsprachiger Nobelpreisträger ist im Premierenspiegel auch nicht zu verachten. Dazu singen Herren über das Rätsel der Männlichkeit und in der 3. Etage, dem kommunikationsfreundlichen Studio, wird der nächste Roman in Bewegung gesetzt. Übrigens: Wer seine Silvester-Tradition mit Theaterbesuch fortsetzen oder neu begründen will, hat im Vorverkauf 2019 jetzt schon die Wahl zwischen David Bowie, Leonard Bernstein und George Gershwin mit den Musicals „Lazarus“ (Schauspiel), „West Side Story“ (Opernhaus) und „Ein Amerikaner in Paris“ (Theater Fürth).

STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE – Er gehört zu den vielseitigsten Regisseuren des deutschen Gegenwartstheaters, pendelt von größtmöglicher Oper (Wagners „Ring“ in München, Verdis „Simon Boccanegra“ in Salzburg), zu Schauspiel-Klassik mit Tschechow in Dresden und Kleist in Berlin, steht inzwischen wohl auf der Wunschliste jedes zweiten Intendanten. Andreas Kriegenburg hat erstmals Nürnberg auf seinem Terminkalender. Für Henrik Ibsens „Puppenheim“-Drama NORA, auch hier immer wieder als Emanzipations-Elegie auf dem Spielplan, ist er Regisseur und gleichzeitig Bühnenbildner. In der Titelrolle der dramatisch aus Konventionen der Männerwelt ausbrechenden Frau spielt Pauline Kästner, die in ihrer ersten Saison die Roboterpuppe Olimpia im „Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann war. Maximilian Pulst ist der ratlose Ehemann, Julia Bartolome die verständnisvolle Frau Linde.
Premiere: 2. November. Weitere Aufführungen 3., 7., 14., 16., 22. November im Schauspielhaus.

PREMIERE – Der fast vergessene „prognostische Roman“ des Nürnbergers Ludwig Dexheimer, der sich 1930 als Literat Ri Tokko nannte, verfügt über Internet und künstliche Intelligenz. In DAS AUTOMATENZEITALTER entwirft der Autor seine pazifistische Utopie, die an ein Zusammenspiel von technischem Aufschwung und moralischem Fortschritt glaubt. Der Blick richtet sich ins Jahr 2500, wo die Vision der besseren Welt allerdings von Skepsis unterlaufen wird. Kieran Joel, zuletzt mit „Der Zorn der Wälder“ verhalten erfolgreich, inszeniert die Buchdramatisierung auf dem obergärigen Laborgelände des Schauspiels mit Stephanie Leue und Sascha Tuxhorn.
Premiere: 21. November. Weitere Aufführungen 26.11., 6.12., 12.12.

PREMIERE  –  Der „Abend über Männlichkeit mit Liedern von Frauen“ kann eigentlich nicht ohne die Grundsatzfrage „Wann ist ein Mann ein Mahahann“ auskommen, denn Hausmusikerin Vera Mohrs (ihr Nürnberg-Klangbild „Die Musik war schuld“ ist weiterhin zu sehen) hat für die Uraufführung ALPHA in Evergreens gewühlt. Doch es sollen solche sein, die ausschließlich aus der Perspektive von Frauen geschaffen wurden. Kein Platz für Grönemeyer? Wer sich jetzt an den riesigen Nürnberger Erfolg mit den singenden „Sekretärinnen“ erinnert, sollte vorsichtig sein – es geht um die andere Blickrichtung. Jedenfalls sind die Herren als Interpreten nicht ausgesperrt, eher eingesperrt. Unter Regie von Manuel Schmitt pinseln Frank Damerius, Michael Hochstrasser, Nicolas Frederick Djuren, Amadeus Köhli, Yascha Finn Nolting und Cem Lukas Yeginer am besonderen Frauen-Hörbild.
Premiere: 22. November. Weitere Aufführungen 28. November, 14., 29. Dezember in den Kammerspielen.

PREMIERE – In der ersten Saison hatte Intendant Jens-Daniel Herzog sein Versprechen einer bevorstehenden glanzvollen Nürnberger Barockopern-Serie mit Händels „Xerxes“ bestückt und an das Regie-Kollektiv Le Lab weitergereicht. Das ging schief, die ungeschickt dokumentierenden Bilder von abgefilmten Skatern und vorsichtiger hinterher rollenden Sportskanönchen mit Stimme überlagerten die Ausdrucksmöglichkeiten der Klänge. Jetzt versucht es der Chef persönlich mit Barock´n´Roll, er inszeniert Francesco Cavallis LA CALISTO, was ein venezianisches Singspiel mit attraktiven Nymphen und geilen Göttern ist; inzwischen wieder oft gespielt, aber dem Nürnberger Opern-Abonnenten gänzlich unbekannt. Göttervater Jupiter befruchtet die vertrocknende Welt mit Einsatz der Titelheldin, das setzt süffisante Gedanken frei. Julia Grüter, Almerija Delic, Jochen Kupfer und Martin Platz sind im großen Ensemble am Werk. Spezial-Dirigent Wolfgang Katschner eilt wie schon bei Händel wieder herbei, um stilistische Stabilität mit den Philharmonikern zu trainieren.
Premiere: 23. November. Weitere Aufführungen 30. November, 5., 8., 14. Dezember im Opernhaus.

PREMIERE – Eigentlich ist er nur der Autor hinter dem Stück, aber die Inszenierung macht ihn zum Mitwirkenden auf der Bühne. In der Neuproduktion von Peter Handkes KASPAR, wie sie Jan Philipp Gloger nach seinem eigenen Regie-Modell aus Mainz und Wiesbaden passend zur Literaturnobelpreisverleihung auf die Nürnberger Bühne bringt (siehe auch Kulturkommentar Seite 90), tritt das von Worthülsen und Sprachmustern strangulierte fränkische Findelkind auch im Schatten einer Handke-Dreifaltigkeit auf. Drei Dichter kämpfen um ein Mikrophon. Die tragische Drastik der „Sprechfolterung“ des Titelhelden, der nur einen Satz beherrscht, wird in dieser Interpretation durch Entdeckung von Nonsens und Satire abgefedert. Der Text von 1968, damals Experiment in den Kammerspielen, darf jetzt exemplarisch auf die große Bühne. Zu Felix Mühlen und Janning Kahnert, die schon 2016 in Wiesbaden dabei waren, kommt jetzt Maximilian Pulst als dritter Mann.
Premiere: 30. November. Weitere Aufführungen 3., 5., 10., 14., 27. Dezember im Schauspielhaus.

COMEBACK – Das eiskalte Händchen wird wieder gewärmt, Puccinis populärste Oper kehrt nach zwei Jahren im einstweiligen Ruhestand in den Nürnberger Spielplan zurück: LA BOHEME im Arrangement des polnischen weiblichen Regie-Duos Szemeredy/Parditka. Komplett neu besetzt, und darin – eher weniger in der zur Premiere nicht sonderlich originell wirkenden Szenerie – besteht der Reiz. Dass beispielsweise die aus Dortmund gekommene Ensemble-Favoritin im Sopranfach Emily Newton, die zuletzt Elsa in Wagners „Lohengrin“ und Elisabeth in Verdis „Don Carlos“ war, in der ganz anderen Gewichtsklasse der schmachtenden Mimi zu erleben ist. Ihr zur Seite gastiert der philippinische Tenor Arthur Espiritu als Rodolfo – und Dirigent Lutz de Veer legt die amerikanische „West Side Story“ kurz beiseite und stimmt auf französische Künstlerpoesie ein. Andromahi Raptis nimmt er mit, die Maria aus dem Bernstein-Musical singt die kokette Musetta mit Koloratur plus Herz am rechten Fleck.
Termine: 1., 3., 7., 13. Dezember im Opernhaus.

DAUERLÄUFER – Das düstere Rock-Musical LAZARUS, der Pop-Ikone David Bowie sehr persönlicher Nachlass an das Theater, ist wieder zu sehen. Die vorsichtig ins Futuristische abhebende Aufführung voller Nummern aus der Starkarriere und neu dazu komponierten Songs, mit Sascha Tuxhorn an der Spitze eines respektablen Ensembles, war ein Kassenmagnet der vorigen Saison.
Termine: 6., 12. November, dann wieder Silvester im Schauspielhaus.

PREMIERENFRISCH – Der meistgespielte deutsche Gegenwartsautor Roland Schimmelpfennig, mit Stücken wie „Besuch bei dem Vater“ und „Der Goldene Drache“ schon in Nürnberg erprobt, hat die zeitlos durch tausende Jahre Theatergeschichte zirkulierenden „Bakchen“ des Euripides neu in deutsche Kunstsprache übertragen. Das Schauspiel schickt sie unter dem Krawall-Titel DIE BESESSENEN in muntere Untergangsrunden, die im Elend auch komisch werden. Regisseur Jan Philipp Gloger zeigt eine beispielhaft schreckensreiche Gesellschaft mit politischen Prinzipienreitern und göttlichen Anarchisten. Scheinheilige Ordnung wird mit funkelnder Bosheit und lärmendem Lustgewinn aufgemischt. Der Spaß ist blutig, witzig, grell und rätselhaft. Also sehenswert. Termine: 10., 15., 27. November im Schauspielhaus. +++ Bestseller-Autor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) hat vor zwei Jahren mit HEILIG ABEND ein konzentriertes Dialog-Duell fürs Wiener Josefstadt-Theater geschrieben. Der Titel trügt, eine Krippe darf der Zuschauer nicht erwarten. Ausgerechnet zur Stillen Nacht sind ein Polizeiermittler und eine mutmaßliche Terroristin einsam wachend im Verhörraum wortkämpferisch gegeneinander angetreten. Es geht um eine Bombe, die irgendwo um Mitternacht detonieren soll. Kehlmann reizte die Echtzeit-Situation, denn die 90 Minuten dauernde Aufführung gibt sich als abgebildete Live-Übertragung. In der Inszenierung von Mirjam Loibl ist Adeline Schebesch die linksradikale Philosophie-Professorin unter Verdacht und Thomas Nunner attackiert sie als personifizierte Staatsgewalt mit Hang zu verbaler Dienst-Willkür.  Am 27. November, wieder am 14., 18., 26. Dezember in der 3. Etage +++ Ein Waschsalon in der türkischen Metropole ist Treffpunkt für fünf junge Leute, kulturaffin und arbeitslos, die trotz beängstigender gesellschaftlicher Entwicklung den Fluchtreflex verweigern. Ceren Erkans Stück I LOVE YOU, TURKEY!, daheim als kampflustiger Bühnenessay mit klarer Haltung gefeiert, hat es in der arg brav geratenen deutschsprachigen Inszenierung etwas schwer mit dem Ausrufezeichen im Titel. Der Premierenbeifall war gewaltig, die Kritikenbilanz ist widersprüchlich. Von „gruselig-komisch“ über den „lohnenswerten Zeitgeschichte-Crashkurs“ bis zu „auch politisch eine knallhart verpasste Chance“ reicht das Meinungsspektrum der Rezensenten. 7., 16., 30. November in den Kammerspielen.

PREMIERENFRISCH – Im Jahr 1972 war am Nürnberger Opernhaus die Deutschland-Premiere der kurz vorher in Wien erstmals gewagten deutschsprachigen Übersetzung von Leonard Bernsteins WEST SIDE STORY, also elf Jahre nach der Kinofassung, die damals zehn Oscars abräumte. Davor und auch wieder danach hatten die Bühnenrechte-Inhaber aus New York die Aufführung nur nach Original-Modell gestattet. Inzwischen sind die Gebote gelockert, für Nürnbergs zweiten Versuch 2019 war die Choreographin Melissa King (die hier zuletzt geordnetes Tanz-Temperament in „Singin´ in the Rain“ und „Catch Me if You Can“ dressierte) auch für Regie zuständig. Neben einem Spezialisten-Ensemble stimmbegabter Tänzer, die als Straßenbanden der jugendlichen Jets und Sharks gegeneinander kämpfen, sind Tony und Maria, das Romeo-und-Julia-Paar in den Häuserschluchten von Manhattan, aus dem Haus-Ensemble besetzt: Hans Kittelmann und Andromahi Raptis, sonst gerne für Wagner und Mozart im Einsatz, singen „Tonight, Tonight“.
Termine: 10., 17. November im Opernhaus, im Dezember am 2., 6., 15., 23. und doppelt zu Silvester.

PREMIERENFRISCH (UND LETZTMALS) – Schillers strenge deutsche Dramatik auf Verdis emotional hochwirbelnden Klangwellen für den weiträumig gesteckten französischen „Grand Opera“-Rahmen. Das war und ist äußerste Herausforderung für alle beteiligten Interpreten.  Schillers Schicksalsspiel DON CARLOS um die Verknotung von Privatleben und Staatsaktion hat im Lebenswerk des genialen Musikers Giuseppe Verdi gewaltigen Raum eingenommen. Die Opern-Adaption des Dramas, in zwei Jahrzehnten immer wieder korrigiert, gilt trotz beifallumrauschter Aufführungsserien den Kennern als ewig „Unvollendete“. Die Neuinszenierung, mit der die eben zur „Dirigentin des Jahres“ gekürte Joana Mallwitz in Nürnberg die erste, aber in ihrem steilen Karriere-Jahrzehnt insgesamt vierte Verdi-Oper einstudierte, beruft sich auf die französische Urfassung in fünf Akten – und verzichtet weise auf Ballett-Dekoration. Nur mit „großen Leidenschaften“ sei das in dieser Breite zu bewältigen, warnte damals ein kundiger Chronist. Regisseur Jens-Daniel Herzog versteht darunter Zuspitzung, es wird kräftig gemetzelt. Tenor Tadeusz Szlenkier singt die Titelpartie mit etwas Mühe gegen die tosenden Orchesterwogen an, Sangmin Lee als Marquis Posa bewährt sich bestens als durchschlagend heldischer Bariton. Emily Newton, die Königin zwischen Vater und Sohn, erreicht magische Momente im Zusammenspiel mit der Dirigentin, die aber auch überraschend robust durchgreift. Wenn sie denn da ist. Etliche Aufführungen gibt Pult-Star Mallwitz an Lutz de Veer ab – und das frustriert die Fans.
Termine:  1., 4., 7., 11., 16., letztmals 22. November im Opernhaus.

DAUERLÄUFER – Die gespenstische Novelle DER SANDMANN aus dem „Schauerroman“-Zyklus von 1816 gehört zu den bedeutendsten Werken des vielseitigen E.T.A. Hoffmann, nicht nur mit besonderem Appetit von Jaques Offenbachs Oper „Hoffmanns Erzählungen“ geschluckt. Schauerliche Poesie, die den kleinen Nathanael bis ins Liebesleben verfolgt: Die beruhigende Bürgertochter Clara und der erregend puppige Automat Olimpia umschlingen ihn konkurrierend. Letztere ist in der Nürnberger Neuproduktion der Regisseurin Clara Weyde die mechanische Schwester der Internet-Begleiterin Alexa, also was zum An- oder Ausknipsen. Für Gänsehaut reicht das wie an einer Wäscheleine schaukelnde Bildertheater nicht ganz. +++  Eigentlich wollte der legendäre Münchner Theatermacher Dieter Dorn (83) für sein spätes Nürnberger Debüt gerne Becketts gedankenreiches Sandkastenspiel „Glückliche Tage“ mit dem seltener aufgeführten Grotesken-Einakter HERZLICHES BEILEID von Georges Feydeau kombinieren. Becketts strenge Erben untersagten die originelle Idee, man konzentrierte sich zwangsläufig auf den giftigen Spaß des französischen Komödianten und lässt in dieser Klamauk-Kleinkunst einen Hauch von Beckett-Absurdität ahnen. Ulrike Arnold, Thomas Nunner, Yascha Finn Nolting und Süheyla Ünlü treffen sich zum nächtlichen Disput am Bett, wo die Botschaft vom plötzlichen Tod der Schwiegermutter in Schadenfreudentänze mündet. „Ein kleines Juwel ringt um Fassung“ stand über der Kritik. +++ Seit 2012 gibt es diese Inszenierung von Jan Philipp Gloger, seit 2018 mit personellen Korrekturen in Nürnberg. DAS DING von Philipp Löhle, Bericht von der aufschlussreichen Weltreise einer Baumwollflocke, hatte Uraufführung bei den Ruhrfestspielen und der Regisseur brachte den Dramatiker in seine erste Direktion als „Hausautor“ mit. Ergänzt inzwischen mit dem neuen Stück AM RAND (EIN PROTOKOLL), einer mild schaurigen Grenzland-Groteske.
Termine: Der Sandmann am 8., 13. November +++ Herzliches Beileid am 9., 11., 24. November im Schauspielhaus +++ Das Ding“ am 25. November +++ Am Rand am 9., 23. November in den Kammerspielen.

LETZTER AUFRUF – Sie wirbelte das Belcanto-Naschwerk gerne in die Höhe, um es dann mit offenem Mund aufzufangen und mit großem Appetit zu verspeisen. Die inszenierende Choreographin Laura Scozzi war in der  vorigen Intendanz ein Markenzeichen für grell schillernden Comic-Witz und fand bei Rossini den besten Sparringspartner. Dessen ITALIENERIN IN ALGIER, Koloratur-Artistik nach Maß und abgefedert mit viel Ironie, nimmt als letzte Arbeit Abschied von Nürnberg mit noch vier Vorstellungen. Mehrere neue Stimmen im Einsatz (Almerija Delic in der Hauptrolle), aber Tenor Martin Platz bleibt tapfer bereit zum Kampf mit den akustischen Schnörkeln. Eros-Wrestling mit Strapsdekor und Fleischbeschau gehört wieder dazu. Nur noch 3., 5., 8., 24. November im Opernhaus. +++ Reines Männerballett, reines Frauenballett, eine souverän über Grenzen hinweg gemischte Compagnie. KYLIAN / GOECKE / MONTERO, aus drei Choreographien mehrerer Jahrzehnte zur überzeitlichen Behauptung der Gender-Trilogie zielsicher für den heutigen Blick montiert, gehört zu den bedeutendsten Erfolgen der Direktion von Goyo Montero. Weltklasse der Tanzregie trifft in der nachträglichen Mixtur auf schlüssige Gedanken und glänzende Umsetzung durch die bestens trainierte Compagnie der Solisten. Muss man sehen! Nur noch 2., 9. November im Opernhaus.

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

PREMIERE – Eine allseits anerkannte Lehrerin, glücklich verheiratet und Mutter einer Tochter, kämpft mit der Erinnerung an eine länger zurückliegende Affäre. Sie hatte sich, kurz und gewissenlos, in einen Hauptschüler verliebt und versucht, die Sache zu analysieren. Das Monodrama EINE ART LIEBESERKLÄRUNG lässt Variationen von Wahrheit zu, einschließlich der Frage, was der Zuschauer am liebsten glauben würde. Der US-amerikanische Autor Neil LaBute, daheim erfolgreich als Theater- und Filmemacher und im deutschsprachigen Raum zeitweise mit seinen „beunruhigenden  Darstellungen menschlicher Beziehungen“ (Kritiker-Lob) bis in die größten Theater vorgedrungen, mag es gern kleinformatig. Am Gostner Hoftheater, wo zuletzt 2010 sein Stück „Tag der Gnade“ zu sehen war, läuft nun das Solo um Liebe, Angst, Vertrauen und Einsamkeit – während der Deutschland-affine LaBute in Hollywood und am Broadway pausiert und grade in seinem deutschen Vorzugshaus Konstanz Regie führt bei Harold Pinters „Betrogen“. Das Solo am Gostner spielt Michaela Winterstein in Regie von Anke Salzmann.
Premiere: 13. November. Weitere Aufführungen 14., 15., 16., 20., 21., 22., 23., 27., 28., 29., 30. November im Gostner Hoftheater.

GOSTNER HOFTHEATER
Austr. 70, Nürnberg
gostner.de


HUBERTUSSAAL

DAUERLÄUFER – Was soll man bloß von Eltern halten, die ihrem Sohn fahrlässig den zivilen Namen Luka geben, obwohl sie ahnen sollten, dass der Junge später doch so gerne wie Caligula, der wilde Kaiser aus Rom, gerufen würde. Generationskrise unausweichlich. Im Einfamilienhaus am Stadtrand, wo die Erwachsenen behäbig ihre Sinnkrisen sortieren, mag der Junge gar nicht mehr zuschauen beim Scheitern der „Alten“. Zusammen mit dem Nachbarsmädchen zieht er aus Protest ins Treppenhaus und lässt die Erziehungsberechtigten auflaufen. Autor und Regisseur Helwig Arenz forscht in seiner turbulenten Komödie CALIGULA UND DAS MÄDCHEN AUF DER TREPPE auch mal nach Abgründen bei den Zuschauern: Wie entsorgt man seine Eltern? Für drei Abende kommt der vielfache Salto ins Absurde mit dem für jede Art von Wort- und Treppenwitz aufgeschlossenen Darsteller-Quartett  wieder.
Termine: 26., 27., 28. November im Hubertussaal.

HUBERTUSSAAL
Dianastr. 28, Nürnberg
gostner.de


TAFELHALLE

GASTSPIEL – Sie werden in Berlin gefeiert, haben aber auch in Nürnberg über viele Jahre mit denkwürdigen Gastspielen in der Tafelhalle den besten Ruf als Kollektiv. Die CIE. TOULA LIMNAIOS gastiert mit sieben Tänzer*innen als „fließende Einheit“, die dynamisch und vital gegen die Vereinzelung kämpft. Eine Gruppentherapie der Choreographie, in der unter dem Titel TEMPUS FUGIT die Diktatur der Zeit aufgelöst wird. Haydn und Mahler sind die klassischen Musikpaten, „die Horde als Muskel“ und ein „Reigen wie eine einzige gemeinsame Bewegung“ sind versprochen.
Termine: 7. und 8. November in der Tafelhalle.

PREMIERE – Der Choreograf Sebastian Eilers lässt dem Humor in seinen Tanzstücken meistens ein Ehrenplätzchen, aber beim neuen Titel DER TOD UND DAS MÄDCHEN könnte das schwierig werden. Einen Flirt zwischen Realität und Fiktion kündigt er mit seinem Setanztheater an, eine Begegnung von klassischem Ebenmaß (Auslese aus 600 Liedern von Franz Schubert) mit den Hits früh verstorbener Pop-Künstler (Amy Winehouse, The Doors, Nirvana), ein Duell auf beiden Seiten der Grenze zum Jenseits. Das Mädchen als zarte Künstlerseele, der Tod als fest in unserer Realität gründende metaphorische Spiegelung. Eine Begegnung der Generationen über die Musik ist das Traumziel. Melissa Gutierrez und Lucien Zumofen setzen sich an die Spitze, ein Studierenden- und „Bürger“-Ensemble gruppiert sich. Countertenor Johannes Reichert und Pianist Wolfgang Eckert stoßen dazu.
Premiere: 28. November. Weitere Aufführungen 29., 30. November, dann wieder 14., 15. Dezember in der Tafelhalle.
 
TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nürnberg
tafelhalle.de


THEATER PFÜTZE

PREMIERE – Sechs Schauspieler*innen, sechs Sprachen, aber keine Spur von babylonischer Verwirrung. Migration und Immigration sind die Welt-Themen, die das Theater Pfütze in Koproduktion mit Teatro El Galpón aus Uruguay anpackt. Stammgast Marcelo Diaz inszeniert UNTERWEGS – EN EL CAMINO nach der Premiere in Lateinamerika in deutscher Erstaufführung als Bildertheater-Collage über das Verlassen der Heimat, die Sehnsucht, die Hoffnung. Man versteht sich auch über Wortgrenzen hinweg.
Premiere: 6. November. Weitere Abendvorstellungen 8., 16., 22., 23., 24. November im Theater Pfütze.

THEATER PFÜTZE
Äußerer Laufer Platz 22, Nbg
theater-pfuetze.de


THEATER ERLANGEN

PREMIERE – Das Schlagwort der Erlanger Saison lautet „Umbrüche“, ein kleines „Ost-West-Festival“ zum 30. Jahrestag des Mauerfalls soll den Anlass aus der Gedenkreden-Umklammerung befreien. Die passende Stückentwicklung des Erlanger Theaters provoziert mit dem schnoddrigen Titel WELCHE WENDE? Das Team um Regisseurin Franziska-Theresa Schütz und das Schauspieler-Duo Ralph Jung/Alisa Snagowski wollen in der Verarbeitung persönlicher Erfahrungen, wissenschaftlicher Untersuchungen und literarischer Auseinandersetzungen den 30-jährigen Sieg des Systems über die abgehobene Hoffnung der Reformer durchforsten. Auch als Nabelschau (Unterabteilung: „Ossis in Erlangen“), aber vor allem wie ein Modellfall, der nicht mit der Phrasen-Dreschmaschine über „blühende Landschaften“ rattert.
Premiere: 7. November in der Garage, weiter 10., 11. November.

PREMIERENFRISCH – Eine TV-Show direkt aus dem Dschungel Vietnams, mit Popstar-Format, wie es in Deutschland bei VOX unter „Sing meinen Song – das Tauschkonzert“ Stammplatz hat. Hier auf der Bühne ist der Anspruch deutlich höher. Eine Ansammlung von Hitparaden-Idolen versucht sich in der Revue BOMBEN-HITS ´68 – REVOLTE, RAUSCH UND LIEDERTAUSCH an Ruhm-Mehrwert auf Gegenseitigkeit, indem jeder die Erfolge der Konkurrenten neu anders interpretiert. Um Kunst und Kommerz geht es in der Erlanger Uraufführung, die an einer Evergreen-Pyramide entlang klettert und mit dem Einbruch der Realität ins Urwaldstudio alle Optionen zwischen Politthriller und „Lasst mich hier raus“-Ekelkomik hat.
Termine: 18., 19. November im Markgrafentheater.

DAUERLÄUFER – Sechste Saison für den Spielplan-Evergreen, den Regisseur Eike Hannemann hinterließ. Max Mehlhose-Löffler ist jetzt (dritte Besetzung) der Melancholiker in Goethes tragischem Briefroman DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER. Das junge Publikum und/oder die an ihre jungen Jahre zurück denkenden Deutschlehrer bleiben dran: 25., 26., 27. November in der Garage. +++  Als „ein Scherbengericht“ ist Kleists Lustspiel-Klassiker DER ZERBROCHNE KRUG in der Erlanger Inszenierung von Intendantin Katja Ott angelegt. Wie der korrupte Dorfrichter Adam die eigenen Verfehlungen vertuschen und nach Gewohnheitsrecht „bauernschlau“ manipulieren will. Ein zertrümmerter Krug, eine blutige Schürfwunde, viele Ausreden – und der zweifelhafte Sieg des Guten durch den Eingriff „von oben“. Man kann die Bruchstellen in Keramik, Moral und Rechtsprechung aus nächster Nähe betrachten, denn das Komödien-Kunstwerk wird mit nachgerücktem Publikum wie eine intime Verhandlung auf der Hinterbühne gespielt. Ralph Jung gibt den Adam, der die Eve nicht verführen kann: 13., 14. November Markgrafentheater. +++ Im flackernden Licht der „#MeToo“-Debatte hat David Mamets OLEANNA derzeit Spielplan-Ehrenrunden an etlichen Theatern. Die Erlanger Machtspiel-Aufführung gilt als gelungener Beweis für die Haltbarkeit des zeitgenössischen Dramas um echte oder vermeintliche sexuelle Belästigung auf Universitäts-Ebene: 15., 16., 17. November in der Garage. +++ Livetheater als Kinosimulation, Aufführungsrealität in der Fake-Dramatik von Dreharbeiten. Für die Inszenierung von Orwells FARM DER TIERE, dieser klassenkämpferischen Fabel mit der unvergesslichen Zeichentrickumsetzung, versucht die Erlanger Regie von Klaus Gehre eine Version von Live-Film-Inszenierung. Die Tiere, die gegen die ständige Ausbeutung durch Menschen eine Rebellion wagen, haben nichts mit „Bambi“-Niedlichkeit zu tun: 22., 23. und letztmals 24. November im Markgrafentheater.

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


STADTTHEATER FÜRTH

GASTSPIEL – Als „Pamphlet gegen die Unterdrückung“ sieht der preisgekrönte britische Choreograf Aakash Odedra seine Produktion mit der eigenen Company am Arts Center von Abu Dhabi, die auf Welttour ist. Ein dunkles Kellergeschoss bei flackerndem Licht ist der Ausgangspunkt für die Szenen des Stückes #JE_SUIS, wo die weltweite Flucht ins Nirgendwo in explodierenden Metaphern nachgefühlt wird. Der Stil der siebenköpfigen Truppe ist die eigene Mischung aus klassischen, südasiatischen und zeitgenössischen Elementen. Den Klang bestimmt die extra entstandene Komposition von Nicki Wells, der auch selbst live dabei ist.
Termine: 5., 6., 7., 8., 9. November im Theater Fürth.

GASTSPIEL – Direkt von der Mecklenburgischen Seenplatte nahe Neustrelitz springt die DEUTSCHE TANZKOMPANIE ins internationale Fürther Tanztheater-Sortiment. Das Ensemble von Lars Scheibner wagt viel, es setzt Goethes FAUST in Bewegung. Als Handlungsballett mit Fantasiekostümen,  Querschlaggedanken bis ins Heute und auf betont rhythmischem Soundtrack.
Termine: 13., 14., 20., 21. November im Theater Fürth.

PROJEKT – Unter COMMUNITY DANCE und dem Slogan „Theater am eigenen Leib erfahren“ betreibt das Brückenbau-Projekt im zehnten Jahr den Beweis für die nicht völlig unumstrittene These „Jeder Mensch ist ein Tänzer“. Jutta Czurda und Petra Heinl erwarten im Kulturforum ab 4. November an vier Montag Abenden im November (19 bis 20 Uhr) jedermann, der spontan Lust drauf hat, das auszuprobieren.

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de


COMÖDIE FÜRTH

OPERETTEN-JAZZ –  „Hab mich lieb“ ist die zentrale Aussage in Franz Lehars angeblich unsterblicher, aber auf alle Fälle nicht totzukriegender Operette DIE LUSTIGE WITWE, wenn das Flüstern der Geigen dechiffriert ist. In der von Thilo Wolf für seine Combo mit Show-Jazz-Elementen arrangierten Musik als Sound einer dialektfreudigen Comödien-Bearbeitung ist das bis Ende Januar nahezu durchgehend im Haus der Spaßmacher im Angebot. In der Eigenproduktion mit Mundart-Rahmenhandlung springt Hannah Glawari von der Uraufführung 1905 ein halbes Jahrhundert in die 1960er-Jahre, wo der Bandleader mit Klangextrakt nach Ohrwurm-Originalen wie „Ja das Studium der Weiber ist schwer“ wartet. Volker Heißmann lenkt seinen bestens vermarkteten Kleeblatt-Charme auf Danilo, den Frankenprovinzler auf Maxim-Besuch und Martin Rassau übernimmt die arienfreie Komikerrolle des ebenfalls bodenständigen Njegus, die vor zwei Jahren am Nürnberger Opernhaus der Schauspieler Pius Maria Cüppers belebte, im „Allmächd“-Modus. Kerstin Ibald, zuvor schnurrend auf allen Vieren bei „Cats“ auf der Luisenburg Wunsiedel, schreitet divamäßig aufrecht durch die Titelrolle.
Aufführungsserie: Wieder ab 22. November mit kleinen Terminlücken immer weiter bis 26. Januar 2020 in der Comödie Fürth.
 

COMÖDIE FÜRTH
Comödienplatz 1, Fürth
comoedie.de


DEHNBERGER HOF THEATER

PREMIERE – Von einem Requisiteur, der wegen Schauspieler-Ausfall unerwartet vor dem Publikum stehen muss und den Zuschauern endlich mal offen sagen kann, was da los ist mit der Bühnenkunst. Aus seiner Sicht! Das war auch mit Rainer Lewandowskis „Heute weder Hamlet“ ein Dauererfolg (hundertfach in Nürnberg), aber in der etwas anderen Version DIE STERNSTUNDE DES JOSEF BIEDER wurde das Thema noch populärer, weil diesen Text der legendäre Otto Schenk aus Österreich über Jahrzehnte zur autobiografisch aufgepolsterten Solo-Show machte. In Dehnberg schwingt sich der Bamberger Komödiant Arnd Rühlmann aufs Anekdoten-Karussell der Wiener Schule.
Termine: 16., 17. November, auch am 13. Dezember.

DAUERLÄUFER   Eine Eigenproduktion mit sechs Mitwirkenden, das ist fürs Dehnberger das denkbar größte Format. Stammregisseur Marcus Everding ordnete den Edel-Boulevard von Francis Vebers Komödie DINNER FÜR SPINNER zum allseits beschmunzelten Pingpong am Pointen-Spalier.
Termine:  22., 23. November, auch am 29. Dezember.

DEHNBERGER HOF THEATER
Dehnberg 14, Lauf a.d.Peg.
dehnberger-hof-theater.de




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