Laras Literaturkolumne: Ulf! Geschafft!
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Liebe Leserinnen und Leser der Curt-Literaturkolumne, in dieser Ausgabe mal nichts Neues, dafür ein Nachspüren von etwas, das im Curt schon in der letzten Ausgabe groß besprochen wurde – und das nicht nur von meiner Seite.
Mit ULF ist ein wahrer Literaturfestivaltraum in Erfüllung gegangen – das meine ich genauso schwülstig: Über 200 BesucherInnen pro Tag aus Nürnberg und außerhalb haben sich der (freien) deutschen Literaturlandschaft ausgesetzt – diversen Stimmen und Formaten innerhalb des Z-Baus, wie in der Stadt. Sahen dabei zu, wie AutorInnen, während sie auf Sportgeräten strampelten, live lasen, fieberten bei der Vergabe des Literaturnobelpreises mit den Gästen auf der Bühne, hörten nebenbei Literatur auf Chinesisch, Portugiesisch, Norwegisch, Türkisch, Englisch, Arabisch, Ungarisch und Deutscher Gebärdensprache. Versammelten sich in einer Radioküche um ein Sofa, tranken Unmengen an Schnaps mit einem literarischen Wirtshaus-Chor, erlebten einen interaktiven Buchladen, fallende Gedichte, Regale voller Comics, Tische voller Bücher der Literaturschaffenden und Gespräche über Literatur, ihre Machart, die Themen, die die einzelne AutorInnen beschäftigen – bekamen Einblick darin, was die gegenwärtige Literatur verhandelt und so viel mehr. Teil dieses Taumels waren ebenso Nürnberger Autorinnen und Autoren, Menschen, die sich hier vor Ort mit Literatur auseinandersetzen, sie in Szene setzen, sich ihr aussetzen wie zum Beispiel Bird Berlin, Marius Geitz, Anna Hofmann, Joshua Groß, Jan-Niklas Jäger, Magdalena Kratzer, Brigitte Liebe, Eve Massacre, Lukas Münich, Lisa Neher, Diana Ruhe, Christian Schloyer, Elmar Tannert, Andreas Thamm, Carolin Wabra, Madeleine Weishaupt, in Formaten und Kollektiven wie Roy – Literarisches bei Schnaps, Lyrik-To-Go, Suppkultur, Prizesin Haralt, Studio Stulle, Eisenbarth&Meisendraht, Wortwerk, Comic Café oder Kollektiv Naiv. Und das sind auch nicht mal alle, die ich hier aufgezählt habe. Mit ULF nach Nürnberg zu kommen, literarische Fährten aufznehmen, aufzumachen und weiterzuverfolgen – ein integraler Bestandteil des Festivals, der schon im Oktober 2018 begann: Damals fand die erste Lesung des ULF-Vorprogramms in Nürnberg statt. An sechs Terminen haben wir Lesereihen, unter anderem aus Berlin, München und Köln zu Gast gehabt, an Orten wie dem Mops in Gostenhof, der Casablanca Kinokneipe oder im Heizhaus. Was uns bereits zeigte: Nürnberg hat Bock auf Literatur, ist mega interessiert und sucht Austausch. Ich erinnere mich an eine Lesung, die wir mit der ROY-Anthologie letztes Jahr im Herbst bei einem großangelegten Kulturfest in der Südstadt hatten: Als ich fragte, inwiefern wir Honorare bekämen, antwortete man mir, dass nichts vorgesehen sei, im Gegenteil: die Werbung und das Marketing, was für ROY dabei rausspringe, reichen doch. Wir machten damals die Lesung, und waren gleichzeitig nicht so glücklich dabei, hatten wir weder das Gefühl, ernstgenommen oder in irgendeiner Form wertgeschätzt zu werden. Dennoch wir wollten Literatur sichtbarer in der Kulturlandschaft Nürnbergs machen, eben weil sie, wie es aussah, keinen Platz darin haben sollte. Wir wollten Menschen ansprechen, in Dialog mit ihnen kommen – das mag idealistisch klingen, aber das muss und darf es auch sein (daraus wurde dann eh nichts, weil unser Slot nicht wirklich kommunziert wurde von Seiten der OrganisatorInnen, und somit so gut wie niemand von der Lesung wusste). Wie schon oft beschworen in dieser Kolumne ist Literatur ein ganz wichtiges Bindeglied innerhalb der Gesellschaft, befähigt zum Austausch und Kommunikation in geschützen Räumen. Mittlerweile hat sich auch was von städtischer Seite getan: Ein Literaturtisch wurde ins Leben gerufen, eine eigene Stelle für Literatur sogar und auch ULF wurde finanziell unterstützt. Mit Blick auf die Nürnberger Literaturschaffenden, den VeranstalterInnen und dem Nürnberger Publikum, die wir bei ULF kennengelernt haben, sowie dem aufkommenden Interesse der Stadt Nürnberg gegenüber Literatur, bin ich nicht nur neugierig, sondern freue ich mich auf das, was hier noch literarisch passieren kann. Sicherlich nicht sofort und auf der Stelle, aber langfristig und nachhaltig.
Für diesen Monat sage ich Ciao – ein bisschen ULF sitzt mir noch in den Gliedern, vier Tage Festival heißen auch: zwei Jahre Vorbereitung, neun Monate intensive Arbeit, vier Tage Aufbau und vier Tage Abbau. Auch das kann Literatur: einen köperlich wirklich fertig machen. Vielleicht sollte ich auch mal auf so ein Sportgerät steigen.
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Laras Empfehlungen für den Oktober:
Lese- und Vortragsreihe
„EURE HEIMAT IST UNSER ALBTRAUM“
MIT FATMA AYDEMIR UND HENGAMEH YAGHOOBIFARAH
DO, 03.10., 20 UHR / DESI NÜRNBERG / VVK AB 10,-, AK 12,-
Wie fühlt es sich an, tagtäglich als „Bedrohung“ wahrgenommen zu werden? Wie viel Vertrauen besteht nach dem NSU-Skandal noch in die Sicherheitsbehörden? Was bedeutet es, sich bei jeder Krise im Namen des gesamten Heimatlandes oder der Religionszugehörigkeit der Eltern rechtfertigen zu müssen? Und wie wirkt sich Rassismus auf die Sexualität aus?
Dieses Buch ist ein Manifest gegen Heimat – einem völkisch verklärten Konzept, gegen dessen Normalisierung sich 14 deutschsprachige Autor*innen wehren. Zum einjährigen Bestehen des sogenannten „Heimatministeriums“ sammeln Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah schonungslose Perspektiven auf eine rassistische und antisemitische Gesellschaft. In persönlichen Essays geben sie Einblick in ihren Alltag und halten Deutschland den Spiegel vor: einem Land, das sich als vorbildliche Demokratie begreift und gleichzeitig einen Teil seiner Mitglieder als „anders“ markiert, kaum schützt oder wertschätzt. Das DESINTEGRATIONSBÜRO präsentiert: „HAYMATLOS“
Kritische Perspektiven auf Heimat, Integration und den neuen deutschen Nationalismus Lese- und Vortragsreihe in der Desi Nürnberg
Workshop + Lesung
THE POETRY PROJECT / BERLIN:
POESIE-WORKSHOP-PRÄSENTATION
SA, 19.10., 20 UHR / THEATERKNEIPE LOFT (GOSTNER) / FREI
Seit Dezember 2015 treffen sich geflüchtete und hier aufgewachsene Jugendliche zum Gedichteschreiben, in Berlin und deutschlandweit. Geschrieben wird in Farsi (Persisch), Arabisch, Englisch und Deutsch – über Themen, die die Jugendlichen bewegen, zum Beispiel, warum sie kamen, was ihnen begegnet ist auf dem Weg hierher, was sie erwarten, von Deutschland, von ihrem neuen Leben, was sie vermissen. In einem Tagesworkshop können Nürnberger Jugendliche mit den Berliner Jugendlichen des Poetry Projects gemeinsam poetische Texte verfassen und als Abschluss öffentlich vortragen. Die Präsentation wird durch Livemusik von Jugendlichen aus dem „Theaterprojekt International“ abgerundet.
Anmeldung für den Workshop unter:
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// Workshop-Termine: Fr., 18.10., 16–19:30 Uhr, Probebühne Gostner Hoftheater
5. LYRIKNACHT
SA, 26.10., 20:30 UHR / KÜNSTLERHAUS NBG / VVK AB 11,-, AK TBA
Gedichte sind Aliens. Sie sind außerirdische – besser gesagt: transalltägliche Artefakte am Rande des Sprachzusammenbruchs. Heute Lichtjahre entfernt von Kalenderbotschaften, sprachlicher Weinverkostung oder herzverschmerzter Gefühlsartikulation. Unter dem Mikroskop der Poesie werden Parasiten zu außerirdisch anmutenden Lebewesen. Mit deren „Strategien der Wirtsfindung“ beschäftigt sich Brigitta Falkner – in dichterischer, grafisch-filmischer wie biologischer Hinsicht – und präsentiert eine der gegenwärtig aufregendsten Lyrik-Darbietungen überhaupt. An ihrer Seite: Kinga Tóth, Simone Kornappel, Jùlia Lema Barros und Anne Munka als ausgesprochene Multitalente, die mehrdimensional die Medien Sprache, Klang und Licht bereisen. Und auch Miriam Markl, die sich dem Tanz verschreibt, wird mittels „Soundbody Methode“ ein klangliches Paralleluniversum bereisen. Konzeptioniert und kuratiert ist das Poesie-Event erneut vom Nürnberger Lyriker Christian Schloyer.
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Unsere Kolumnistin Lara Sielmann, geboren und aufgewachsen in Berlin, arbeitet als Kulturschaffende und Journalistin in Nürnberg und Berlin. Lara freut sich über themenbezogene Fragen, Anregungen und Tipps – einfach per E-Mail an
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