Claudias Kinoempfehlungen im September
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Adios, du schöner Sommer. Er geht seines Wegs und lässt uns zurück mit Filmen über das Leben, über die wir nachdenken, jetzt da wir mehr Zeit für Ruhe haben.
DIE WURZELN DES GLÜCKS
AB 05.09. / CINECITTA
So stark sie in der Realität auch stinken, im Film mag ich Schweine. Und da rede ich jetzt nicht von „Babe“ oder Bayern mit einem „Schweinskopf al dente“, sondern von einem Ferkel wie dem hier, das in einem israelischen Film mitspielt und den Namen Judas hat. Es gehört dem Arzt in Ruhestand, Dr. Rosenmerck, gespielt von James Caan, der, einst in der Bronx geboren, mit 80 Jahren eine großartige Performance abliefert. Der Kinofreund erinnert sich an ihn seit „Der Pate“ und „Misery“. Als sturer Häuptling einer zerrütteten Familie legt er hier keinen Wert mehr auf dieselbe und hat sich nach Israel zum Schweinezüchten zurückgezogen. Kein Hobby, mit dem man sich im Heiligen Land auf Anhieb Freunde macht. Es gelingt dem Alten aber dennoch, denn irgendwann geben der Rabbi und er ihren Kleinkrieg auf und merken, dass sie sich besser leiden können, als sie wollen, beziehungsweise es die Religion erlaubt. WURZELN DES GLÜCKS ist ein Film der Worte, es gibt schöne Gespräche zwischen Menschen, die als Monologe eingesprochen werden. Politisches und Tragisches wird elegant eingewoben und es geht nicht darum, wie es ausgeht, sondern wie es ist, das Leben ... Fraglos ist Caan der beste Kauz des Monats.
SYNONYMES
AB 05.09. / FILMHAUS, CINECITTA, E-WERK KINO
Manchmal gibt es diese Filme: Man schaut relativ fasziniert zu und wenn er aus ist, weiß man nicht so recht, warum. Yoav, ein junger Israeli, zieht mit Sack und Pack nach Frankreich. Er hat nichts, findet aber schnell zwei Freunde und ist integrationsbesessen. Daher ist SYNONYMES meist eine Satire, was man aber nicht so direkt merkt, da all das Seltsame recht selbstverständlich erzählt wird. Das macht den interessanten Teil aus. Ein paar Sachen wird man sich merken, vor allem, dass der Hahn französisch ist. Wundern würde es mich nicht, wenn das im Integrationskurs gelehrt würde. Es gibt großartige Szenen in diesem Film, aber zu einem guten Ganzen will er nicht recht zusammenlaufen. Das liegt vielleicht daran, dass der Regisseur sein eigenes Leben erzählt, was spannend ist. Aber da fehlt manchmal die Distanz.
DIEGO MARADONA
AB 05.09. / CINECITTA, CASABLANCA
Nach der wirklich schönen Doku über Toni Kroos habe ich mich vielleicht zu gierig an Diego Maradona gemacht. Soll man nicht, andererseits schau ich alles, was mit Fußball zu tun hat. Die aufgeräumte, schön strukturierte Kroos-Doku steht im kompletten Gegensatz zu dem Film über den selbstherrlichen Maradona, der sich, mittlerweile an die 60, oft als Karikatur seiner selbst zeigt. Chaotisch wirft der britische Regisseur, der sich bereits um das Mädchen hinter dem Namen „Amy“ (Winehouse) kümmerte, mit Infos um sich. Die Bilder sind alle aus dem Archiv, da ist die Wirkung antiquiert, und die fragmentarische Herangehensweise erstickt jede künstlerische Entwicklung. Bleiben die Infos: Man kapiert schnell, dass der Druck auf dem argentinischen Ausnahmespieler immer groß war und er damit nicht umgehen konnte in einer Zeit, in der Fußball noch politisch sein konnte. Diego und Maradona sind zwei Paar Schuhe, habe ich verstanden. Letzterem will es nicht in den Kopf, dass aus einer losen Bekanntschaft ein Kind entsteht. Der Boris Becker von Neapel also. Er nervt, er polarisiert. Das jedenfalls schafft die Doku.
IDIOTEN DER FAMILIE
AB 12.09. / CASABLANCA
Drei Brüder und eine Schwester haben ein Problem: Ginnie, ihre kleinste Schwester. Die 26-Jährige ist geistig behindert und soll ins Heim, damit die älteste Schwester (einziger Lichtblick: Jördis Triebel) endlich mal ein Leben hat. Alles, was der Zuschauer wissen muss, wird umständlich erklärt, und kaum ist alles aufgesagt, hat der eine Bruder ein Saxophon um den Hals und der andere spielt Klarinette. Ginnie wirft das Besteck auf den Boden und die Nachbarin schaut mal im Bikini vorbei. Ungemach, ick hör dir trapsen. Zwei der drei Brüder geben sich vertraut mit der kleinen Schwester, doch letztlich sind alle hilflos. Die Mutter hatte weiland keine Kraft mehr, noch ein fünftes Kind aufzuziehen, über die Gründe wird wild spekuliert, jeder zementiert seinen Platz im Familiengefüge und nach 30 Minuten stehen bereits die wüstesten Theorien im Raum und es ist alles gesagt. Doch wir müssen noch 70 Minuten weiter durchhalten mit Charakteren, die null ausgearbeitet sind. Spaß ist anders.
MEIN LEBEN MIT AMANDA
AB 12.09. / CASABLANCA
Die besten Filme sind die, denen man schon zuschauen mag, bevor die eigentliche Geschichte beginnt. MEIN LEBEN MIT AMANDA ist so ein Ding. David ist 24 und stolpert durch sein Leben in Paris. Er kümmert sich um ein Mietshaus und verdient damit ansatzweise Geld. Gerade hat er bemerkt, dass das neue Mädchen aus Zimmer 104 durchaus interessant ist. Doch der Regisseur lässt David gegen die Wand laufen. Seine Schwester stirbt und ihre Tochter Amanda hat keinen Vater. Soll er jetzt eine Siebenjährige erziehen und wer erzieht da wen? Achtung, das ist keine der Schnulzen, in denen jemand plötzlich ein Kind hat und sich das Leben ändert. Denn wie der Regisseur Sandrine sterben lässt, erzählt eine zweite Geschichte. Es geht um Trauer und um das Leben in Frankreich. Für mich ein Riesentipp, weil es hier Dialoge gibt, die so sind, wie man eben redet, weil hier Menschen aufploppen, die man nicht kennt und doch sofort einordnen kann. Und schließlich weint Vincent Lacoste so herzzerreißend, dass sich alles so wahr anfühlt, wie das im Kino oft eben nicht klappt. Zusammen mit „Die Wurzeln des Glücks“ Träger der September-Krone!
SYSTEMSPRENGER
AB 19.09. / CASABLANCA (GESPRÄCH MIT DER REGISSEURIN AM 21.09.)
SYSTEMSPRENGER hat mit seiner unglaublichen Lautstärke nach weniger als fünf Minuten mein System gesprengt. Doch ich wollte ihn unbedingt sehen, weil Helena Zengel eine so unglaubliche Schauspielerin ist. Die 11 Jahre alte Berlinerin hat mich in „Die Tochter“ so beeindruckt, dass ich mich durch den „Systemsprenger“ durchkämpfen wollte. Sie spielt ein Mädchen, das in Sekunden von Euphorie zu Aggression schwenkt, von liebenswert zu unerträglich. Benni überfordert ihre Mutter und all die, die ihr nach allen Regeln der Pädagogik helfen wollen. Mir hätte es geholfen, wenn der Film etwas ruhiger angefangen hätte, außerdem bin ich nicht sicher, ob man ein Kind diese Rolle spielen lassen soll. Aber abgesehen davon lohnt es sich, den Kampf mit diesem unvergesslichen Drama auszufechten. Es kostet Kraft und ich war wirklich verwundert, dass SYSTEMSPRENGER unser Oscar-Kandidat für 2020 ist. Wer weiß, vielleicht klappt es 40 Jahre nach der „Blechtrommel“ ...
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