Theo O.J. Fuchs: Learning to self me
#Comedy, #Kolumne, #Kultur, #Theobald O.J. Fuchs
»Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, behauptete mein Vater stets, wenn wir ins Haus gerannt kamen und von spektakulären Ereignissen berichteten. Wenn zum Beispiel auf der Wiese. hinter dem Hügel hinter dem Wald hinter unserem Haus ein Ufo gelandet war. »Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, sagte mein Vater und marschierte los, gefolgt von einer Kinderschar, die vor Vorfreude beinahe platzte. Kreischend und kichernd, die Hand vor den Mund gepresst, springend und tanzend folgten wir meinem Vater über den Hügel durch den Wald bis zu der Wiese, auf der angeblich das Ufo gelandet war. Alle sehnten sich nach dem Moment, in dem wir wie aus einem Mund »reingelegt!« brüllen würden.
Man kann sich vorstellen wie groß unsere Enttäuschung war! Denn da stand dann tatsächlich ein Ufo und wir waren die Gelackmeierten.
Mein Vater sprach zur verdutzten Kinderschar: »Ich weiß gar nicht, was ihr nur habt? Passt doch alles«, machte kehrt und spazierte belustigt pfeifend zurück zum Dorf. Erst Jahre später habe ich begriffen, dass er uns reingelegt hatte und das Ding gar kein echtes Ufo gewesen war.
»Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, sagte er auch, als wir behaupteten, auf der Wiese, hinter dem Wald hinter dem Hügel, sei ein Vulkan ausgebrochen. Da lief es haargenauso ab und zuletzt lachte mein Vater am Besten.
»Davon »Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, behauptete mein Vater stets, wenn wir ins Haus gerannt kamen und von spektakulären Ereignissen berichteten. Wenn zum Beispiel auf der Wiese. hinter dem Hügel hinter dem Wald hinter unserem Haus ein Ufo gelandet war. »Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, sagte mein Vater und marschierte los, gefolgt von einer Kinderschar, die vor Vorfreude beinahe platzte. Kreischend und kichernd, die Hand vor den Mund gepresst, springend und tanzend folgten wir meinem Vater über den Hügel durch den Wald bis zu der Wiese, auf der angeblich das Ufo gelandet war. Alle sehnten sich nach dem Moment, in dem wir wie aus einem Mund »reingelegt!« brüllen würden.
Man kann sich vorstellen wie groß unsere Enttäuschung war! Denn da stand dann tatsächlich ein Ufo und wir waren die Gelackmeierten.
Mein Vater sprach zur verdutzten Kinderschar: »Ich weiß gar nicht, was ihr nur habt? Passt doch alles«, machte kehrt und spazierte belustigt pfeifend zurück zum Dorf. Erst Jahre später habe ich begriffen, dass er uns reingelegt hatte und das Ding gar kein echtes Ufo gewesen war.
»Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, sagte er auch, als wir behaupteten, auf der Wiese, hinter dem Wald hinter dem Hügel, sei ein Vulkan ausgebrochen. Da lief es haargenauso ab und zuletzt lachte mein Vater am Besten.
»Davon muss ich mir selbst ein Bild machen«, sagte er allerdings nicht, als wir ins Haus stürmten und ihm aufgeregt mitteilten, dass Bernd mit dem Kopf zwischen den Gitterstäben eines Scheunenfensters stecken geblieben war. Mein Vater sagte nur »Ja, ja, verarschen kann ich mich selber!« und fuhr fort, seine Kabel zu schnitzen. Wir Kinder fütterten Bernd eine Woche lang, bis Hilfe kam, über den Hügel auf der anderen Seite der Wiese hinter dem Wald. Bernd hat das Abenteuer soweit ganz gut überstand, außer dass seitdem seine Ohren abstehen.
Wovon mein Vater sich nie ein Bild machte, war er selbst. Niemand machte früher ein Bild von sich selbst. Kein Mensch wäre auf diese Schnapsidee gekommen. Wie auch? Die Kameras waren so schwer, dass drei Leute das Objektiv in der Waagerechten halten mussten, während der Vierte die Spiralfeder für den Zündmechanismus aufzog.
Ein Bild von sich selbst? Wie unsinnig war das einmal, wie absurd! Man hatte doch Spiegel, mindestens einen in jedem Haushalt. Da konnte man alle zwei, drei Jahre hineinsehen, dann hatte man sein Selbstbildnis. Bums, aus, fertig.
Das psychologische Selbstbild war noch vor wenigen Hunderttausend Jahren etwas ganz anderes. In meiner Vorstellung habe ich einen Bierbauch und kurze dicke Finger, ich kriege graue Haare am Kopf und Falten am Hals, meine Gelenke wackeln manchmal auf eine Art und Weise, die mir bisher unbekannt war, und ich werde vergesslich … wo waren wir stehen geblieben? Ach ja, genau: Beim krassen Kontrast zwischen Selbstbild und Fremdwahrnehmung. Fremde sehen in mir immer so eine Mischung aus Chuck Norris und Albert Einstein. Manchmal auch Yoko Ono, aber das ist eigentlich mein Geheimnis.
Ich bin ja einer, der immer jeden Trend ganz vorne dran mitmacht. Sozusagen das absolute role model für die ganze Straße: Mode, Elektronik, Serien-Drogen, Schoßhunde, Frisurensport und Gemüse-Verfilmungen. Und die ganze Straße heißt: Die Fürther vom Plärrer bis zur Stadtgrenze. Eine große Verantwortung bedeutet das, aber ich bin ihr gewachsen.
Dass die Sache mit den Fotos von mir selbst ein solcherart brisanter Dauersprengsatz werden würde, das hätte ich freilich nie geglaubt. Angefangen hatte das, als es mir oben am Kopf juckte. Ich tastete mit den Fingern in meinen Haaren und erspürte etwas Weiches, Spitzes, sehr Kleines, weit Hervorstehendes. Ich erschrak zu Tode! Kriegte ich jetzt auch ich einen der gefürchteten Weisheitszähne? Ich hatte schon zu viel von den Schmerzen gehört, die eine Entfernung dieser sägezahnzackigen Kalkdorne am Kopfe verursacht – vor allem dem Friseur beim Herausziehen mit der Wurzelhakenbürste.
Ich grübelte drei Tage und drei schlaflose Nächte, dann hatte ich eine Lösung: »Ich mache ein Foto von meinem Hinterkopf!« rief ich und weckte meine Frau, um ihr die frohe Botschaft mitzuteilen.
»Soll ich nicht besser einfach nachsehen?« gähnte sie.
»Shit«, dachte ich. »Stimmt.« Bei dem Zeck am Rücken hatte diese Technik letzthin auch schon einwandfrei funktioniert. Doch einmal im Lichte der Welt, lehnte die Idee kategorisch ab, wieder ins Reich der ungeborenen Geisteskinder zurückzukehren. Ich grübelte weiter. Dann schließlich der erlösende Einfall: um sich selbst anzusehen, brauchte man nichts anderes zu tun, als sich von vorne zu fotografieren! Da dachte ich: »Mensch, du alter Huckenkobold, da haste wieder mal eine formidable Idee! Doppeldaumenhoch!«
Und zu meiner Frau sagte ich: »Schau mal, ich habe mich selbst fotografiert. Ich werde es Selbstie nennen.«
»O.k.«, lautete die Antwort. »Nice. Aber wäre es nicht besser, beim nächsten Mal würde ich die Selbstie von dir machen? Ein Scheißname übrigens, klingt wie ›Bestie‹.«
Ich übersetzte den Begriff augenblicklich in Englische und wusste sofort: dieses Ding würde das nächste große Ding sein. Sich selbst zu fotografieren. Mit der Kamera im Handy. Das hatte Potenzial, das würde die Menschen begeistern.
Doch ehe ich die Idee publik machen und viral schicken konnte, musste ich die üblichen technischen Probleme in den Griff kriegen. Wie festlegen, wo das Selbst aufhört und der Rest der Welt beginnt? Wie die eigenen Hände auf das Bild bekommen? Überhaupt: Wie sehen, was man sieht? Ich probierte und probierte, bis es endlich klappte. So kam das Selfie in die Welt.
Nur eines, das erwies sich als unmöglich. Die eigenen Füße, am besten barfuß in einem Liegestuhl im Garten oder am Meer, abzulichten. Zu kompliziert das Ganze. Außerdem: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass das jemanden interessieren würde, in dem ganzen Internet nicht. Füße – nur die eigenen krummen, schwieligen, abgewetzten, kartoffelösen, hornigen, klumpelnden, pichenden, schimmelnden und wurstigen Füße auf dem Bild. Am Ende noch mit miserabel lackierten Zehennägeln. Nein – das ist unrealistischer Blödsinn!
Dann schon eher die mit roten Lippenstift gezogenen Umrisse von Kadavern. Zum Beispiel von auf der Straße totgefahrenen Tauben oder Burgern. Schon eher. Wir bleiben dran.
[Fotos: Immer im Bilde Theo Ohje. Fuchs, Foto: Katharina Winter]
UND WAS MACHT THEO WIRKLICH UND SONST SO?
Naja, immer nicht so viel. Ein bisschen Forschung und so, hier und da mal irgendwas lehren. Wissen wir nicht so genau, ist auch egal.
Ansonsten wälzt er sich im Ruhm und lässt sich bewundern, denn seine Sucht ist die nach Aufmerksamkeit.
THEOS TERMINE IM SOMMER
Kryptisch. Nix. Erst im Herbst wieder.
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