Claudias Kinoempfehlungen im Juni
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Bei der störrischen Hausfrau fangen wir an, hangeln uns an besonders hübschen Exemplaren entlang und fast überall begegnen wir in diesem Monat dem Tod.
BURNING
AB 06.06. // CASABLANCA
Schon erstaunlich, wie man aus einer Kurzgeschichte einen Film von 2 Stunden und 28 Minuten machen kann. Die Geschichte von Haruki Murakami liefert auf zehn Seiten die Vorlage zu BURNING. Der südkoreanische Regisseur Lee Chang-dong zeigt schon beim Kennenlernen von Jongsu und Haemi, das wird nicht 08/15. So schnell wie die beiden im Bett landen, so langsam wird der Rest erzählt, nicht ohne ständig die Erwartungen auszulachen. Die faszinierende Haemi fliegt nach Afrika und Jongsu soll derweil ihre Katze füttern. Als sie zurückkommt, werden auch seine Erwartungen enttäuscht. Denn sie bringt den steinreichen Ben mit, und Jongsu stellt sich in die zweite Reihe. Ganz verkappter Schriftsteller, der sich seine Passion noch nicht zutraut, geht das Leben fortan zu dritt weiter, voller unausgesprochener Gedanken, im Sinn asiatischer Zurückhaltung. Es geht nicht um eine Liebesgeschichte rostiger Lieferwagen versus polierter Sportwagen. Es könnte um Kommunikationsprobleme gehen oder einen irrsinnig eingefädelten Rachefeldzug. Vielleicht soll die Wirtschaft und damit die Gesellschaft des Landes kritisch begutachtet werden. Obwohl wir mannigfach in die Irre laufen, bis der Regisseur an der Leine zieht, sind wir ihm nicht böse, sondern ergeben uns seiner Überlegenheit, die er sehr bescheiden präsentiert. Ein Film über den ihr sprechen werdet.
JIBRIL
AB 06.06. // FILMHAUS
Zwei Menschen, die nicht zueinander können, weil er im Knast und sie draußen in der Welt sitzt. Eine super Geschichte für einen Film. Maryam hat den coolen Deutschen mal kurz bei einer Hochzeit gesehen. Der Zufall will es, dass die Irakerin Gabriel im Gefängnis was vorbeibringen soll. Sie ist geschieden, hat drei Mädchen und würde sich gerne so verlieben wie in der arabischen Telenovela, die sie jeden Abend schaut. Gabriel und sie sehen sich öfter, es entwickelt sich eine irgendwann gar nicht mehr so platonische Beziehung. Ich sag mal nicht Liebe, denn es geht darum, Dinge zu definieren. In dieser Konstellation ist viel Raum für Notizen, wir können uns den anderen malen wie wir wollen. Die Idee ist gut, aber das Kinodebüt verschleudert sein Potenzial indem es konsequent die Realität ausblendet. JIBRIL bleibt wahnsinnig theoretisch und ist bei unwichtigen Details versessen auf Authentizität. Mir fehlt hier der Fokus, habe vergeblich auf eine Schlusspointe gehofft.
RAMENSHOP
AB 06.06. // CASABLANCA
Filme über das Essen sind beliebt. Natürlich wird zubereitet, gelächelt und gekocht, passiert das in Japan ist das filigran und fremd. Und Masato, dem sympathische Nudelmann aus Takasaki, folgen wir gern. Er ist dermaßen nett, obwohl ihn sein Vater komplett ignoriert in der gemeinsamen Suppenküche. Als der Papa plötzlich stirbt, packt der Junge fast ebenso unerwartet seinen Koffer, um zu seinen Wurzeln zu reisen. Singapur, das Heimatland seiner Mutter, ist sein Ziel, er will Verwandte finden, um die Geschichte seiner Eltern besser zu verstehen. Wider die Vernunft brachten diese zwei Kulturen zueinander. Das erforscht sich fein und es ist süß, wenn er erzählt, dass er nach dem Tod seiner Mutter ihre Schürze aufbewahrte und sie niemand waschen durfte. Und überhaupt funktioniert dieser Wohlfühlfilm nur wegen seines Hauptdarstellers. Trotzdem tu ich mir diesmal schwer ohne Geruch und Geschmack der Begeisterung zu folgen, wenn er auf der Leinwand behauptet, dass es gut schmeckt.
BRITT-MARIE WAR HIER
AB 13.06. // CINECITTA
Sie hat es gern, wenn es sauber ist und die gute Britt-Marie mag auch ihr Hausfrauenleben. Routine und Struktur beruhigen ihre Seele. Dann lässt sie, gewiss recht spontan, ihren Mann sitzen und will auf eigenen Beinen stehen. Die Stellenangebote nach einer 40-jährigen Auszeit sind mau und so begibt sich Britt-Marie in die schwedische Pampa und arbeitet als Fußballtrainerin für Vorstadtkids. Ich liebe Filme, in denen einer von Null anfängt und dieser hier ist ein prachtvolles Exemplar. Britt-Marie erzählt ihre Geschichte in klaren Worten, mit schlüssigen Vergleichen. Und da hat diese Ü60-Frau doch nach 19 Minuten Blickkontakt mit einem neuen Mann. Da hör ich doch die Nachtigall, aber in erster Linie bringt sie sieben Strolchen Manieren bei und lernt dafür einige Fußballregeln. In so einem kleinen Dorf bekommt man seine Chance. Alles an diesem Film ist so unaufgeregt, ganz besonders das wahrhaftige Spiel von Pernilla August. Auch wenn der Film vom gleichen Vorlagengeber stammt wie „Ein Mann namens Ove“ ist dieser hier eben nicht knorrig und schroff, sondern einfach ein glaubwürdiges Erlebnis. Meine Top-Frau des Monats!
SUNSET
AB 13.06. // CASABLANCA UND FILMHAUS
Nachdem meine beiden Favoriten FUCK FAME und EIN FETTER SOMMER nicht in Nürnberg gespielt werden, rutscht SUNSET nun in diese Runde. Statt dick bzw. berühmt im Jetzt verzweifelt im Jahr 1913, das ist doch mal flexibel. Man sollte nicht zwingend Hüte, wohl aber Kostüme mögen, wenn man sich diesen 140-Minüter gibt. Wir folgen der jungen Iris nach Budapest, wo sie im Laden ihrer verstorbenen Eltern als Hutmacherin arbeiten möchte. Der Herr sagt Nein, aber irgendwie bleibt sie doch. Findet heraus, dass sie einen Bruder hat, doch selbstredend gibt es ein noch größeres dunkles Geheimnis. Also sucht Iris Leiter und sucht. In Schrittgeschwindigkeit und mit immer gleicher Mimik geht sie durch die Stadt, wir mit der Kamera hinterher, stets ihren Hinterkopf im Blick. Was will uns der Ungar erzählen, der mit „Son Of Saul“ die Welt erschüttert und die Kritiker euphorisiert hat? So genau weiß ich es nach zermürbenden zweieinhalb Stunden nicht, denn bei so viel Etikette und Selbstbeherrschung fällt es selbst dem Skandal schwer, Wucht zu entfalten.
O BEAUTIFUL NIGHT
AB 20.06. // CASABLANCA
Dank Thees Uhlmann wissen wir, dass man mit dem Tod durchaus seine Zeit verbringen kann. Der Tomte-Mann erklärt in seinem Buch „Sophia, der Tod und ich“ wie das aussehen kann. Nicht ganz so lustig, dafür aber deutlich durchgeknallter wird es bei O BEAUTIFUL NIGHT. Da hockt schon mal ein Vogel auf Juris Brust und reißt ihm das Herz raus, alles live und in Farbe. A propos hocken: Als der zerzauste Juri nichts Gutes ahnend vor dem schwarzen Vogel flüchtet, geht er ins schäbigste Casino der Stadt. Dort sitzt der Tod mit einem Würstchen, begrüßt ihn und mokiert sich über die Umgangsformen. Kommt zusammen, schräge Typen und nehmt ihn hin, diesen schrägen Film. Schwarz wie die Nacht, surreal und exzentrisch.
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