100 Prozent sauber: AfB
#Business, #Computer, #Nachhaltigkeit, #Technik
Das Ettlinger Unternehmen mit Standort in Nürnberg schreibt sich Nachhaltigkeit und soziales Engagement auf die Fahnen. Und versorgt auf diese Art auch die curt-Redaktion mit PCs.
Lars Keller schaut in eine Gitterbox voller aufgerollter Kabel. Kabel, wie jeder sie daheim hat, in einer Schublade, die man niemals öffnet, über deren Herkunft und Verwendung man nichts weiß. Noch, wie man sie, die Kabel, denn gegebenenfalls, wenn man mal dazu käme, entsorgen sollte. „Für viele Menschen ist das einfach Schrott“, sagt Keller. „Aber wir sagen, das sind auch Rohstoffe. Im Endeffekt ist da überall Metall drin.“
Lars Keller ist Niederlassungsleiter von AfB und als Abgesandter der Zentrale in Ettlingen zu Besuch beim Kollegen Mario Andric in Nürnberg. Der Laden in der Nürnberger Südstadt liegt etwas versteckt, ein Schaufenster mit Laptops in Aldi-Nähe, der Eingang ums Eck. Die Wenigsten, die davor stehen bleiben, werden sofort begreifen, worum es geht. Und was das heißen soll: „Social & green IT“.
Das ist schnell erklärt: AfB übernimmt ausgediente PCs und Laptops von Unternehmen, reinigt die Festplatte rückstandslos von sämtlichen Daten und bringt die aufbereitete Ware wieder in den Verkauf.
47 Prozent der MitarbeiterInnen sind schwerbehindert. Zu den Kunden von AfB gehören unter anderem Siemens, Generali, der Münchner Flughafen ...
Eine Firma dieser Größenordnung, erklärt, Keller, tauscht etwa alle drei bis fünf Jahre die interne IT aus. „Was mache ich dann damit?“ Früher wurde das Material gern an Mitarbeiter weitergegeben. Dann schaut aber unter Umständen auch das Finanzamt ums Eck – Stichwort: geldwerter Vorteil – und man erspart sich die Bürokratie und wenn doch nicht, übernimmt die Firma am Ende automatisch die Gewährleistung für ein gebrauchtes Teil. Und weil auf diesen Teilen geschützte Daten in den Tiefen der Festplatte stecken, landeten sie häufig in der Schrottpresse.
Paul Cvilak war der Meinung, dass das nicht sein muss. 2004 setzte er seine Idee um und gründete AfB, das heute 380 Menschen in fünf europäischen Ländern beschäftigt. „Wir haben das Ziel, das größte gemeinnützige IT-Unternehmen zu werden“, sagt Keller. „Und ich glaube, das sind wir schon.“
Computer nehmen, Daten löschen, Computer verkaufen – eigentlich hört sich das Geschäftsmodell von AfB ziemlich einfach an. Ist es freilich nicht. „Sie kennen das,“ sagt Keller, „wenn Sie eine Datei aus dem Papierkorb löschen, ist sie auch nicht wirklich weg.“ Der Lösch-Prozess, den Geräte bei AfB durchlaufen, dauert zwischen zwei und vier Stunden. Und ist manchmal vergeblich. Etwa 66 Prozent der Geräte dürfen in den Verkauf, weil sie zu 100 Prozent leer sind.
Der Prozess beginnt aber noch früher: „Wir holen alle Geräte selbst ab und transportieren sie als Gefahrgut, auf dem Weg halten wir den Datenschutz ein, dann kommen sie in ein Sperrlager.“ Andric, der stellvertretende Niederlassungsleiter in Nürnberg, öffnet das Sperrlager im ersten Stock. Jeder Kunde hat hier seinen eigenen, verschlossenen Colli. Die Kunden müssen sicher sein, dass penibel mit ihrer Ware umgegangen wird. Ein Leak würde einen irreparablen Reputationsschaden für AfB bedeuten.
Am Ende des Ganges sitzt ein Mitarbeiter an der Löschstation. Der Prozess steht bei 5 Prozent. Bis zu 50 Laptops werden hier zuweilen parallel geleert. Der Mitarbeiter, der heute Vormittag da ist, ist gehörlos. „Das heißt, er kann seine Arbeit genauso gut machen wie jeder andere auch“, so Keller. „Aber bei einem Mitarbeitergespräch brauchen wir einen Dolmetscher. Das gehört dazu, das ist normal.“
Viele Menschen säßen noch immer dem Irrtum auf, dass Behinderung auch weniger Leistung bedeute. Man müsse die Menschen einfach nur entsprechend ihrer Fähigkeiten einsetzen. Die Idee von AfB fußt auf diesen drei Säulen: grün, sozial, aber auch wirtschaftlich. Im Gegensatz zu vielen bekannten, integrativen Einrichtungen ist AfB ein privates Unternehmen der freien Wirtschaft. Es handelt sich nicht bloß um ein soziales Unternehmen, das Ganze muss sich schon auch rechnen.
Anscheinend tut es das. In der Slowakei baut AfB momentan seinen 20. Standort auf. Die Unternehmen einerseits haben ein Interesse daran, ihre sensible Ware in die Hände der Reinigungsprofis zu geben. Die Aspekte Nachhaltigkeit und Inklusion nimmt man da gerne mit. Die Endkunden im Laden andererseits freuen sich über die günstigen Laptops und PCs, die zwar Second Hand, aber mit Garantie verkauft werden. Keller: „Ja, es handelt sich um gebrauchte Ware. Aber um Business Modelle, die umso länger halten.“
Nicht alle. In Nürnberg, ganz oben unter dem Dach, steht auch einer von sieben Schreddern, die AfB gehören. Wie gesagt: 66 Prozent der abgeholten Geräte können wiederverwertet werden. Bleiben 34 Prozent von etwa 360.000 Geräten im Jahr 2018, sprich, etwa 122.400 Festplatten. Der Schredder macht aus ihnen feine, zarte Metall-Cornflakes, die in einer Gitterbox einen Hügel formen. Auch das: Rohstoffe, die recycelt werden. Lars Keller nimmt einen Splitter in die Hand: „Und wer es schafft, daraus wieder eine Festplatte zu bauen, hat es auch wirklich verdient.“ [ath]
AFB STORE NÜRNBERG – SOCIAL & GREEN IT.
Peter-Henlein-Str. 27, Nbg. Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa 10-14 Uhr.
www.afb-group.de
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