Claudias Kinoempfehlungen im April

MONTAG, 1. APRIL 2019

#Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Film, #Kino

Filme zeigen einen kleinen Ausschnitt, ein Action-Abenteuer oder die Zeit vorm Verlieben – und dann verschwinden sie. Die April-Filme sind anders. Das Wetter mag uns wankelmütig begegnen, geht immer, bevor man sich daran gewöhnen kann. Die Filme bleiben und zeigen fast ein ganzes Leben.

ANOTHER DAY OF LIFE
AB 04.04. // CASABLANCA
Wenn einer immer dahin will, wo es knallt, kann man sein Leben schwer im Kino erzählen, so ohne Bilder. In Polen gab es 1975 genau einen Auslandsreporter mit einem Faible für Gefahr. Das war Ryszard Kapuscinski. Der Journalist hat Bücher über seine unglaublichen Erlebnisse in Angola geschrieben, und eins davon, ANOTHER DAY OF LIFE, wurde jetzt verfilmt. Clevere Idee, mit Animation zu arbeiten und reale Bilder einzufügen. Es geht den Regisseuren Raúl de la Fuente und Damian Nenow mehr um Information, als um künstlerischen Wert. Denn da dominiert immer wieder das blutige Rot, die Zeichnungen wirken unaufwendig zweidimensional, die Bewegungen sind abgehackt und, was ein bisschen komisch ist, der Journalist wirkt durch seine anfängliche Selbstinszenierung nicht besonders sympathisch. Das bremst das Interesse an dem Film, scheint aber im Nachhinein ungerechtfertigt. Im Abspann erfährt man ein paar Dinge über den polnischen Autor, die den ersten Eindruck revidieren. Aber das kommt ein bisschen spät. Daher bleibt bei mir das Gefühl, dass man diesen Film hätte besser machen können.
 



DARK EDEN
AB 11.04. // CASABLANCA
Auch im schönen Kanada gibt es dreckige Jobs. Fort McMurray war ein recht verschlafener Ort, bevor man dort mit viel Aufwand Öl zu fördern begann. Zwischenzeitlich lebten dort 100.000 Menschen und die Immobilienpreise waren wahrscheinlich so hoch wie in München. Aber die Lage war paradiesisch, wie zu Goldgräberzeiten. Auf den Ölsandfeldern verdingten sich die Menschen in langen 12-Stunden-Schichten und zogen ansonsten im nordischen Niemandsland sinnfrei ihre Kreise. Man verdiente eine Menge, auf Kosten der Umwelt und der eigenen Gesundheit. Jasmin Herold ist vor ein paar Jahren dort gestrandet und hat diese Doku über Fort McMurray gedreht. Nacheinander erzählen Lobbyisten, Profiteure und Leidtragende ihre Geschichte. Doch es gibt auch ihre eigene: Die Regisseurin hat sich dort verliebt, ist hin- und hergerissen zwischen Bleiben und Gehen. Klingt spannend, ist aber recht langweilig inszeniert, dem ganzen Film fehlt jegliche Dramaturgie und das Persönliche wird unbebildert am Rande erzählt. Geduldig lässt sie jeden zu Wort kommen, kommt aber selbst nicht zum Punkt. Im Grunde ist es bei ihr wie beim famosen „Unser Team – Nossa Chape“ (seit 28.03. im Cinecitta): Man will was erzählen, dann übernimmt das Leben das Drehbuch. Diese Unberechenbarkeit zeigt der brasilianische Fußballfilm perfekt, sie überhaupt nicht.  



BORDER
AB 11.04. // CASABLANCA
Wenn ihr Nasenflügel zuckt, dann ist er dran. Derjenige, der gerade durch den Zoll will. Frau Tina wird ihn überführen, sie kann seine Angst riechen, wittert Scham und Schuld, deckt auf, was keiner sehen will. Die Hundefrau – wie ich sie nenne – ist hochsensibel und versteht sich gut mit Tieren, die in ihr ein vertrautes Wesen sehen. Die Grundidee von BORDER ist ziemlich gut. Tina fühlt sich als Außenseiterin, verrichtet brav ihren Dienst, steckt zurück und lebt mit einem unangenehmen Typen zusammen. Doch eines Tages, für uns schon nach zehn Minuten, ist da einer, der aussieht wie sie. Das gleiche aufgeschwollene Gesicht, schlechte Zähne, eine ähnliche Physiognomie. Die beiden stechen heraus, müssen sich kennenlernen. Vore scheint selbstbewusster als Tina und weiß auch viel besser, wer er ist. Und nun kommt die eigentlich spannende Konstellation ins Schleudern. Denn da ist die Geschichte von Tina und ihrer Besonderheit. Sie wird sich selbst befreien. Da ist aber überdies die Entdeckung eines Kinderschänderrings und die Verquickung des beruflichen und privaten Erzählstrangs. Plus Fantasyelemente, die manchem über die Geschmacksgrenze hinausgehen. Das ist eine Menge Holz und nimmt, nennt mich Spießer, befremdliche Ausmaße an.
 


VAN GOGH
AB 18.04. // CINECITTA
Wer will schon in Paris leben? Raus aus dem versnobten Quatsch und rein in die gute Landluft, sagte sich Vincent Van Gogh, als er fröhlichere Farben entdecken und malen wollte. Doch in den französischen Dörfern erwartete ihn nicht nur Idyll und Freundlichkeit. Zwar gibt es eine Madame, die ihm eine Kammer und ein Bett zur Verfügung stellt, doch er stößt auch etliche Leute – und vor allem deren Kinder – vor den Kopf. Der niederländische Künstler brachte sich oft selbst in Schwierigkeiten, litt an Stimmungsschwankungen und verkaufte vor allem keines seiner vielen Bilder (was wiederum die Stimmung gehoben hätte). Sein enger Freund und Künstlerkollege Paul Gauguin hält es nicht mehr mit ihm aus und so hat Julian Schnabel in diesem Biopic nicht viel Positives zu erzählen. Aber das macht nichts, denn er hat Willem Dafoe in der Hauptrolle. Und den haben wir spätestens seit „The Florida Project“ als Lieblingsschauspieler wiederentdeckt. Wenn einer Wahnsinn und Wut kann, dann er. Und wie dankbar ist eine Rolle als missverstandener Künstler im Kampf gegen Ignoranz.
 


ATLAS    
AB 25.04. // CASABLANCA
Ein Mann wie ein Baum. Man sieht es Walter (Rainer Bock, der Grandiose aus „Einsamkeit und Sex und Mitleid“) gar nicht an, aber der kann schleppen. Freilich geht es mehr um die Last auf seinen Schultern. Sein Chef sagt, er ist – seit 30 Jahren - der einzige unter den Möbelpackern, auf den er sich verlassen kann. Dabei ist das kein Kompliment. Walters Boss ist ein Arschloch und seine Geschäfte werden immer brutaler. Entmietung heißt das Zauberwort. Blöd, dass Walter bei einem Job seinen Sohn wiedererkennt. Der ist unbeirrbar auf Rachefeldzug für die Gerechtigkeit, will nicht aus seiner Wohnung ausziehen. Allerdings weiß Walter wie gefährlich es ist, sich denen zu widersetzen, die mittlerweile auch für seinen Chef arbeiten. Die drohen nicht nur. Walter will helfen, auch wiedergutmachen, was er versäumt hat, als der Junge ohne ihn aufwuchs. Das wird ein wilder Ritt.
Also vorsicht, wer hier eine zärtliche Annäherung von Vater und Sohn erwartet ... Denn Walter, ganz Mann, sagt natürlich nix. Also schauen wir dem feinen Ensemble zu, wie es immer tiefer in die Sackgasse sinkt. Es folgt der Super-Service, da ich dauernd dachte, den Film gab es irgendwie schon mal. Falls es jemandem geht wie mir, er heißt „Zwischen den Jahren“.
 
 




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