Claudias Kinoempfehlungen im März
#Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Film, #Kino
Es gibt so schwierige Dinge im Leben. Ist das eigentlich so, oder machen wir es nur gerne kompliziert, damit wir eine Aufgabe haben, mit der wir uns beschäftigen können, so wie die Damen und Herren im Kino-März?
VOM LOKFÜHRER, DER DIE LIEBE SUCHTE
AB 07.03. // CASABLANCA
Manche Schauspieler kennt man einfach. Wie Pegah Ferydoni, die immer dann auftritt, wenn eine Frau nach Iran oder Türkei aussehen soll. Wenn der Regisseur Emir Kusturica einen Hauptdarsteller suchte, holte er sich gerne Miki Manojlovic. Und wenn ein anderer Filmemacher jemanden wollte, der nach Balkan aussah, war ebenfalls Miki erste Wahl. Jetzt fährt der bekannte Serbe für Veit Helmer als Lokführer durch die kleinen Dörfer um die aserbaidschanische Hauptstadt Baku. Alleine diese Bilder sind schon so schön und der Vorspann so schwelgerisch, dass man sich gerne noch ein Stück zurücklehnt. Herzlich willkommen in einem Märchen, das dich sofort in eine andere Welt beamt. Eine Welt, in der die Menschen noch voneinander Notiz nehmen, in der das Pfeifen des jungen Aziz (Ismail Quluzade) darauf hinweist, dass gleich der Zug durchfährt. Der alte Nurlan verringert das Tempo und doch sind die Leute nicht immer schnell genug und er hat hier und da ein Wäschestück auf seiner Windschutzscheibe. Die Dörfer sind so nah an die Schienen gebaut, dass man als Lokführer Zaungast im Leben der Anderen ist. Kurz vor der Rente ergattert der freundliche Mann einen BH und macht sich auf die Suche. Bei Aschenputtel ging es um einen Schuh, hier ist es wesentlich interessanter, die passende Frau für das Kleidungsstück zu finden. Veit Helmer spinnt ein Netz, das ebenso filigran ist wie der Spitzen-BH und er verzichtet komplett auf Dialoge. Man hört die Menschen reden, obwohl sie nichts sagen. Ich finde es mutig, einen Film zu präsentieren, der so aus der Zeit gefallen ist, der vom Alleinsein erzählt und von unseren Missionen, auf die wir uns begeben. Und das Ende ist so schön, dass man von diesem Lokführer fürs Leben lernen könnte.
MID90S
AM 07.03., 09.03. CASABLANCA // AB 07.03. CINECITTA
Der Beruf Schauspieler beinhaltet eine so große Menge an Langeweile oder Unterforderung, dass es viele hinter die Kamera zieht. Endlich mal Befehlsgeber statt -empfänger sein. Jonah Hill ist einer von ihnen, der, seit er denken kann, den übergewichtigen Kumpel in amerikanischen Erfolgskomödien spielt. Zuletzt übernahm er anspruchsvollere Rollen und hat gar zwei Oscar-Nominierungen verbucht („Wolf of Wall Street“, „Moneyball“). Jetzt kommt er mit einer Coming-of-Age-Geschichte ums Eck, die seine eigene sein könnte. Ja, es geht nur um einen 13-Jährigen, der mit seinem Beavis&Butt-Head-Shirt auf der Suche nach seinem Platz ist. Fußnote: Die beiden von Mike Judge kreierten Zeichentrickfreaks waren dank MTV ein großes Ding in den Neunzigern und wahrscheinlich interessiert der handgemacht wirkende Film auch nur Leute, die in den Achtzigern geboren sind. Andererseits: Skateboardfahren ist heute immer noch cool. Damals war es neu, und Stevie (Sunny Suljic) will unbedingt zu der kleinen Clique dazugehören, die den Skatershop belagert. Die sind einfach zu cool. Jonah Hill komprimiert, bringt alle Schichten unter, Mexikaner, Weiße und Schwarze quetscht er gekonnt in einen Mikrokosmos, der von gleichermaßen bescheuert wie echten Dialogen lebt. Ich könnte da ewig zuhören. Stevie findet Freunde und seine Möglichkeiten, die Welt zu entdecken, beschränken sich nicht mehr auf das Zimmer seines älteren Bruders (auch in der kleinen Rolle einprägsam: Lucas Hedges), der ihn gerne verprügelt. Sogar die Mädchen mögen Stevie, weil er noch nicht in dem Alter ist, wo Jungs zu Arschlöchern werden. Es läuft – und es gibt superschöne Szenen, die mit wenigen Worten Großes erzählen. Ein unglaublich sympathischer Film.
DER FALL SARAH UND SALEEM
AB 07.03. // CINECITTA
Der Regisseur ist im militärisch besetzten Teil von Jerusalem aufgewachsen und sagt, egal, wie dunkel die Zeiten waren, jeder musste weitermachen, nach seinem Glück suchen in der geteilten Stadt. Der Fall, den er erzählt, ist nicht sehr romantisch. Sarah und Saleem haben eine Affäre. Das was überall auf der Welt passiert, bekommt eine politische Dimension, wenn es sich um einen Palästinenser und eine Israelin handelt. Als die beiden zur falschen Zeit am falschen Ort sind, wird ihre Geschichte groß und sehr gefährlich. Die realistische Inszenierung schiebt das Liebespaar samt ihren Ehepartnern in ein bitteres Dilemma. Es werden indirekt viele Fragen gestellt zur Moral und den Prioritäten des Einzelnen. Bist du selbstlos oder willst du überleben? Der Regisseur Muayad Alayan lässt die Situation ganz nüchtern eskalieren. Er folgt seinen vier super gespielten Charakteren durch Jerusalem und zeigt deren Standpunkte. Dabei ist er unglaublich zurückhaltend und wertfrei. Wie schrecklich es ist, sich in Situationen wiederzufinden, die größer sind als man selbst, zeigt DER FALL SARAH UND SALEEM allerdings ganz klar. Und schlimmer noch ist die Wertlosigkeit der Wahrheit. Ein beeindruckender Film.
WINTERMÄRCHEN
AB 21.03. // CASBLANCA
Eine schmutzige Fantasie! So umschreibt der Regisseur seinen Film und er stellt sich am 19.03. im Casablanca allen Interessierten zum Gespräch. Jan Bonny hat einen coolen Namen, doch er führt uns an den Abgrund. Mit festem Griff in unserem Nacken setzt er uns „Wintermärchen“ vor, der eine Zumutung sein soll. Anfangs dachte ich, wie unglaublich gut dieser Film ist. Denn Bonny platziert Kleinigkeiten so, dass er die Charaktere wirklich präzise erklärt. Sein Paar wähnt sich im nationalsozialistischen Untergrund, doch Tommy und Becky sind so unaufgeregt in ihrem Tun, reden über das Hinrichten Anderer mit einer solchen Normalität, dass ich gar nicht richtig erschrecken kann. Sie ist die Härtere, er eigentlich ein Softie, der sogar Empathie für andere hat. Doch er soll liefern, es muss mal wieder knallen, lautet die Devise. Denn das arbeitsfreie Leben aus peinlichem Sex und geklauten Pralinen ist nicht mehr zu ertragen. Dann kommt Maik, wohnt bei den beiden, bespringt Becky, outet Tommi als schwul und es geht los mit der schmutzigen Fantasie. „Wintermärchen“ wird brutal und bezieht sich mit seinen zwei Männern und einer Frau, die in und um Köln Leute abknallen, auf die NSU. Doch da ist mehr. Das ist keine Nacherzählung. Schlimm ist die Erniedrigung, die in diesem Trio Platz findet und am allerschlimmsten ist die Art, wie sie sich selbst aufwerten.
UNSER TEAM
AB 28.03. // CINECITTA
Man muss schmerzresistent sein, um diese Doku anzuschauen. Denn eigentlich kann es keinen (Fußball-) Gott geben, kennt man die Geschichte des brasilianischen Fußballclubs Chapecoense. Just als die Spieler der kleinen Stadt den Einzug ins Finale der Copa Sudamericana schafften, passierte das Unfassbare. Am 28. November 2016 stürzte das Flugzeug mit Spielern und Vereinsmitarbeitern wenige Kilometer vor dem kolumbianischen Zielflughafen ab. 19 Spieler und noch mehr Betreuer starben, drei Spieler überlebten. Die weinenden Frauen, die Stadt in Trauer, das zeigt der Film in seinen Anfangsminuten. Doch dann geht es darum, wie man sich davon befreit. Langsam, zäh. Fußballer reden gern vom Nachvorneschauen, hier bekommt es eine andere Dimension. Ein kraftvoller Film, auch wenn man heulen muss.
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