Ausbildung im Ausnahmezustand
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Noch nie waren Mangel und Bedarf an Fachkräften so hoch wie heute. Laut einer DIHK-Befragung kann aktuell jeder dritte Betrieb seine Lehrstellen nicht mehr besetzen und jeder zehnte Betrieb sagt, er bekomme nicht einmal mehr eine Bewerbung. Warum ist es so schwierig, Nachwuchs zu rekrutieren? Andersrum gedacht: Noch nie waren Ausbildungen so attraktiv wie heute, denn längst zocken die Youngsters auch hier um Extraleistungen und Goodies aller Art. “Eine Chance für alle!”, meint nicht nur Stefan Kastner, Leiter des Geschäftsbereichs Berufsbildung bei der IHK Nürnberg für Mittelfranken.
CURT: Herr Kastner, Arbeitsmarkt und Ausbildungsmarkt entwickeln sich in verschiedene Richtungen. Nie war es für Firmen schwieriger, Auszubildende zu bekommen, als heute.
STEFAN KASTNER: Azubis sind gefragt wie nie, weil einerseits demografisch bedingt weniger Jugendliche auf den Markt kommen und immer noch der Trend zu höheren Schulabschlüssen bzw. Studium anhält. In Mittelfranken sind die Ausbildungszahlen aber seit einigen Jahren trotzdem leicht steigend. So gesehen gibt es zwar mehr Azubis, aufgrund der guten Wirtschaftslage würden die Betriebe aber gerne noch mehr Azubis einstellen.
Ist ein Studium bei jungen Menschen einfach angesagter oder sind Ausbildungen perspektivisch generell unattraktiv?
Viele Jugendliche haben meines Erachtensfalsche Vorstellungen von einer dualen Ausbildung. Mit einer anschließenden Weiterbildung kann man das gleiche Qualifikationsniveau erreichen wie über die Hochschulen. Mit dem Unterschied, dass man ab dem ersten Tag eigenes Geld verdient. Und perspektivisch ist eine duale Ausbildung alles andere als unattraktiv: gemäß dem Fachkräftemonitor der bayerischen IHKs fehlen allein in Mittelfranken in den nächsten Jahren einige Tausend Fachkräfte. Über 80 Prozent dieser gesuchten Fachkräfte sollten über die duale Aus- und Aufstiegsfortbildung kommen, nur ein geringer Anteil von rund 15 Prozent dagegen über die akademische Schiene.
Oft suchen Firmen klassisch mit Anzeigen, die nicht für Smartphones optimiert sind oder haben hochschwellige, antiquierte Formulare. Junge Menschen holt man heute ganz anders ab …
Mittlerweile suchen Firmen durchaus auch „digital“, z.B. über die IHK-Lehrstellenbörse, ein bundesweites Portal, in dem ich nach Berufen und Regionen nach offenen Ausbildungsplätzen suchen kann – auch mit dem Smartphone. Und viele der dort gelisteten Ausbildungsbetriebe möchten auch die Bewerbungen nur noch in digitaler Form.
Der Azubi-Mangel liegt auch daran, dass Bewerber immer höher qualifiziert sein müssen – durch den gestiegenen globalen Wettbewerbsdruck. Das schließt viele junge Menschen bereits im Vorfeld aus, sodass sie sich auf viele Stellen gar nicht erst bewerben. Dabei sind – siehe IT-Branche – gute Noten längst nicht mehr entscheidend. Müssen die klassischen Branchen hier endlich umdenken?
Das tun sie bereits. Gerade bei den technischen Berufen – wozu auch die sehr beliebten Fachinformatiker zählen – stellen wir einen Anstieg bei den Azubis fest, die von der Mittelschule kommen.
Ein besonders großer Mangel herrscht bei traditionellen Handwerksberufen und in der sehr stark leidende Gastronomie/Hotellerie.
Bei den Gastronomie- und Hotellerieberufen liegt das vermutlich mehr an den unregelmäßigen Arbeitszeiten. Da wählen wohl viele Jugendliche heute dank des großen Angebotes lieber andere Berufe, wo das anders geregelt ist. Eigentlich schade, denn auch diese Branche bietet viele Karrierechancen.
Schon sehr lange nicht gab es weniger Bank-Azubis als heute. Es gibt aber auch immer weniger Filialen und Schalter – eine klassische und leicht zu erkennende Folge der digitalen Entwicklung.
Vermutlich ist infolge der Digitalisierung der Bedarf an klassischen Bankkaufleuten nicht mehr so groß. Dafür etablieren sich neue Berufe wir beispielsweise der Kaufmann/-frau im E-Commerce, der übrigens auch im Finanzsektor ausgebildet werden kann.
Battle for Talents: Viele Firmen (nicht nur in der IT-Branche) kooperieren mit Schulen oder Hochschulen, bieten Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten, werben mit Auslandsaufenthalten, verschenken Goodies wie Smartphones, Bahn-Karten und Fitnessstudio-Mitgliedschaften. Ist das der Weg?
Sicher sollte die Berufswahl nicht von solchen „Goodies“ abhängen – aber auch Dank sozialer Medien spricht es sich heute schneller rum, in welchem Betrieb gut ausgebildet wird. Und wenn die Ausbildungsqualität steigt, dann ist das ja durchaus positiv.
Die Ausbildungssituation wird nicht besser, das Leben immer digitaler. Fluch und Segen gleichzeitig. Bitte abschließend ein ermutigender Tipp für junge Menschen im Ausbildungsalter ;)
Gerade momentan gibt es so viele Möglichkeiten, über die Ausbildung ins Berufsleben zu starten. Wichtig ist gute Info im Vorfeld - dazu zählen auch Praktika in verschiedenen möglichen Ausbildungsbetrieben. So kann ein „Fehlstart“ vermieden werden. Und wenn der Betrieb wirklich einmal nicht passt, so ist das auch kein Beinbruch, denn viele Betriebe suchen engagierten Nachwuchs.
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Dipl.-Hdl. Stefan Kastner
Leiter Geschäftsbereich Berufsbildung
www.ihk-nuernberg.de
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STATISTIK / MITTELFRANKEN
Anzahl Neueintragungen Azubis / Stand je 31. Dezember
2002: 7.174 Neuverträge
2006: 8.169 Neuverträge
2010: 8.480 Neuverträge
2014: 8.390 Neuverträge
2017: 8.447 Neuverträge
2018: noch nicht vorhanden
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JOBS / siehe auch curt Magazin 02-2019
OPTIK SCHLEMMER / Nürnberg
sucht:
Auszubildende/r zum/zur Augenoptiker/in
Augenoptikermeister/in oder Augenoptikergeselle/-gesellin
Infos + Kontakt: www.optikschlemmer.de/jobs
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