Theobald O.J. Fuchs: Der Nürnberg-Fürther Volkskanal
#Autor, #Comedy, #Kabarett, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs
Wir verbessern die Welt – subtil, raffiniert, kreativ und effizient. Diesmal mit einem aktuellen Beitrag zur Lösung der gesamten Verkehrswegeproblematik im Nürnberg des frühen 21. Jahrhunderts, mit Aussicht auf die Zeit nach dem Auto. Eine Zeit, die schneller kommen wird, als die ganzen Klingonen denken, und zwar sowas von!
Die Rechnung im 20. Jahrhundert lautete: Wenn es mehr Verkehr gibt, muss man mehr Straßen bauen. Diese Rechnung hat sich aber längst als falsch erwiesen. Mehr Straßen führten zu mehr Verkehr, doch wer Nürnberg und seinen komatösen Stadtrat kennt, weiß, dass die Logik im Rathaus nicht anders lauten konnte als: Dann bauen wir eben mehr Straßen! Und als dann noch mehr Autos kamen, bauten sie noch mehr Straßen! Immer mehr: MEHR AUTOS! NOCH MEHR AUTOS!! NOCH VIEL MEHR AUTOS!!!
Wer Augen im Kopf hat, um zu sehen, der sieht es: Der Frankenschnellweg ist eine Totgeburt, von Beginn an dysfunktional. Er verwandelt sich für viele Stunden am Tag in nichts anderes als einen riesigen perversen Parkplatz von den Rampen bis zur Kurgartenbrücke. Fahrer schlagen sich bei laufendem Motor die Hände am Lenkrad blutig, kostbares Leben bläst tausendfach sinnlos durch den Auspuff.
An dieser Stelle fragen sich aufmerksame Beobachter: Warum gibt es in Gostenhof eine Untere, Mittlere und Obere Kanalstraße? Weshalb sind an der Kreuzung der A73 mit der Rothenburger Straße die Fahrstreifen von einer Brachfläche getrennt, die so groß ist wie ein Fußballplatz und voller Gestrüpp und Müll? Weshalb wird der gesamte Westen bis zur Stadtgrenze von einer hässlichen Autobahn zerschnitten und verpestet?
Hierauf gibt es genau eine Antwort und die lautet: Weil hier früher der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal verlief, ehe der alles zerstörende Automobil-Wahnsinn ausbrach wie der Rinderhirnbrand.
Ein übles Problem – doch es gibt eine Lösung, die beste aller Lösungen sogar, die ich hiermit der Weltöffentlichkeit präsentiere: Wir bauen wieder einen Kanal zwischen Nürnberg und Fürth, und zwar da, wo er hingehört, auf die Trasse der A73, von Gibitzenhof, über Gostenhof, Seeleinsbühl, Doos bis hoch nach Poppenreuth. Den NÜRNBERG-FÜRTHER VOLKSKANAL.
Dieses Projekt sollte sich innerhalb von fünf Jahren bewältigen lassen. Es bedeutet frische Natur auf einem Streifen von über zwanzig Kilometern Länge. Die Belästigung von zehntausenden Anwohnern durch asozialen Straßenverkehr wird der Vergangenheit angehören.
Der NÜRNBERG-FÜRTHER VOLKSKANAL garantiert saubere Luft, drastisch weniger Lärm, null Abrieb, keinerlei Feinstaub, keine Unfälle. Die halbe Stadt wird mit einem Schlag ökologisch und sozial dermaßen aufgewertet, dass man es im Kopf kaum aushält. Doch noch wichtiger als die Belästigungen, die man beseitigt, sind die Möglichkeitsräume, die sich öffnen. Auf zwanzig Kilometern Länge entsteht das Sozio-Biotop UFER NORIS. Am südlichen Ufer des NÜRNBERG-FÜRTHER VOLKSKANALs verläuft der Radschnellweg, der als Direttissima die Städte verbindet. Zwei Spuren auf drei Metern Breite, daran anschließend zehn Meter Wasserfläche, dann sieben Meter breite Parzellen, immer abwechselnd private Gemüsegärten, Schreberbuden, Datschen, Obstgärten und Gebäude für kleine Firmen, Werkstätten, Labore, alle mit Solar-Dächern und Zugang zum Ufer. Auf der Rückseite der entspannte Rad- und Fußweg. Über dem Radschnellweg ebenfalls ein schräges Solardach, das nach Süden schaut.
Aus alledem, insgesamt zusammen und totaliter, ploppen tausende neue Ideen und Jobs hoch, neue Unternehmen entstehen, Innovationsräume öffnen sich, aber auch unabsehbar gewaltige Möglichkeiten für Sport, Erholung und Kultur am Wasser, um nicht final von einem geradezu beneluxischem Flair im Herzen von Franken zu sprechen. Erst der NÜRNBERG-FÜRTHER VOLKSKANAL macht Nürnberg wahrhaft und tatsächlich zu einer Kulturhauptstadt des 21. Jahrhunderts.
Hier werden Boote designt, gebaut, repariert, verliehen. Hier sitzen die Programmierer der autonomen Steuerung des Bootsverkehrs, denn alle Boote sind elektrisch und fahrerlos. Es gibt kleine Transporter für Handwerker, große für die Lasten, mittlere für Paketdienste, kleine für Expresslieferungen und individuelle Zustelldienste. Natürlich auch verschiedene Schiffsbusse für Pendler, computergesteuerte Wassertaxis, Großgruppenboote, Ausflugsschiffe. Je nach Bedarf regeln die Rechner die Slots für die Fahrzeiten – wenn der Berufsverkehr nachlässt und am Wochenende, dann ist Raum und Zeit für Freizeitsportler.
Und wie wird die neue Wasserstraße gebaut? Ja, ohne Scheiß: Nürnberger und Fürther Bürger graben eigenhändig, emissionsfrei, selbstorganisiert und gemeinschaftlich! Sie schürfen das Gold der Handarbeit: Schaufeln, statt Kieser-Training; Schubkarren schubsen, statt Indoor-Klettern; Lasten rudern, statt Ruderbank bei McFitness. Wer mitgräbt – Privatpersonen, Gruppen und Familien oder Kollektive – erschaufelt sich das Recht auf die eigene Parzelle, je eine von schätzungsweise bis zu 4.000 Abschnitten auf der ganzen Strecke. Hier kann man einen Garten gestalten, ein Unternehmen gründen, eine Gaststätte oder einen Laden betreiben oder ein Atelier einrichten. Das Anrecht auf die Parzelle gilt lebenslang, Parzellen können weder zusammengelegt noch verkauft werden, sondern bleiben Eigentum der gemeinnützigen NÜRNBERG-FÜRTHER-VOLKSKANAL-GESELLSCHAFT. So wie das gelbe U-Boot, mit dem Touristen zum Karpfen-Watching in vier Meter Tiefe tauchen.
Und irgendwann, wenn sich das 21. Jahrhundert schon dem Ende zuneigen wird, wird Nürnberg als leuchtendes Vorbild unter den Städten der Welt herausragen, als eine Metropole, welche die charakterliche Größe besaß, Fehler zu erkennen und wiedergutzumachen. Und es in einer kollektiven Anstrengung schaffte, an den KFZ-Faschismus verlorene Gebiete in lebenswerten und wirtschaftlich erfolgreichen Stadtraum zurückzuverwandeln, als Beispiel für viele andere Städte, die sich die Pest des Autos vom Hals schafften.
UND WAS MACHT THEO SONST SO?
Naja, immer nicht so viel. Ein bisschen Forschung und so, hier und da mal irgendwas lehren. Wissen wir nicht so genau, ist auch egal. Ansonsten wälzt er sich im Ruhm und lässt sich bewundern, denn seine Sucht ist die nach Aufmerksamkeit.
Diese kann man leibhaftig erleben bei seiner Lesung am Mittwoch, 20.02.2019, 19:30 Uhr, im Kulturladen Schloss Almoshof, mit musikalischer Ergänzung durch Michael Ströll.
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