Theater Wegweiser Februar
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David Bowie konkurriert in Nürnberg mit Wolfgang Amadeus Mozart und Paul Abraham. Mehr geht wirklich nicht! Schade, dass die genialischen Herren den Wettkampf zwischen Musical (mit Schauspielern), Oper (mit Sängern) und Operette (mit Sängern und Schauspielern) nicht mehr erleben.
EIN POP-STAR FÄLLT VOM NÜRNBERGER HIMMEL UND DAS UNIVERSUM VERGLÜHT IN ERLANGEN
Ansonsten wäre zu melden, dass schon gleich wieder Halbzeit ist rundum in der laufenden Theatersaison. Zeit für den Aufschwung zu weiteren Höhepunkten, besonders für das zunehmend weniger fremdelnde neue Staatstheater-Team um Intendant Jens-Daniel Herzog mit Schauspielchef Jan Philipp Gloger und Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz. Opernfreunde, die für den illustrationsfreien Klang der Konzerte nicht zu begeistern sind, konnten vom vielgerühmten Charisma der jungen Philharmoniker-Chefin bislang allerdings nur in einer einzigen Produktion etwas erleben (sie dirigierte immerhin die meisten der wenigen Vorstellungen von „Krieg und Frieden“), müssen also auf Wagners „Lohengrin“ Ende Mai warten – oder ihr Debüt an der Münchner Staatsoper, eine der beiden dortigen Mallwitz-Auftritte bei den Sommerfestspielen mit Donizettis „Liebestrank“ besuchen.
Erlangen zählt weiter den 300. Geburtstag des Markgrafentheaters an, in Fürth tanzt eine weltweit gefeierte Compagnie aus Montréal und das Alternativ-Treibhaus Tafelhalle bietet im Februar an sieben Abenden drei sehr unterschiedlich blühende Choreographie-Gewächse.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
PREMIERE: Als Nachlass von Pop-Legende David Bowie und Anhang zu seinem Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ aus dem Jahr 1976 wird das am Off-Broadway 2015 in die Theaterwelt gestartete Alien-Musical LAZARUS derzeit durch die Spielpläne deutscher Bühnen gereicht – und da greifen sie mit Blick auf die Hit-Nostalgie in vielen Größen zu. Produktionen erst in Düsseldorf, dann in Hamburg, Bremen, Leipzig, Bielefeld. Nürnberg schafft es immerhin noch vor Göttingen.
Enda Walsh schrieb für dieses einzige Musical des ansonsten als Sänger, Schauspieler und Stil-Ikone vermarkteten Stars entlang an achtzehn alten und nachgeschobenen Songs die verrätselte Story eines Außerirdischen, der seine Erden-Existenz mit Patenten zur Energiegewinnung finanziert. Für die Deutschland-Premiere in Düsseldorf (das Publikum jubelte, die Kritiken waren verhalten) wurde eine Raumkapsel auf die Bühne gewuchtet. In Nürnberg tritt Tilo Nest als Regisseur an, ein Schauspieler und Musiker am Berliner Ensemble (dort spielt er eine Hauptrolle in Brechts „Der kaukasische Kreidekreis“), der seit fünf Jahren neben den Darsteller-Engagements seine Lust aufs vagabundierende Inszenieren pflegt.
Premiere: 2. Februar im Schauspielhaus. Weitere Aufführungen 6., 12., 14., 21., 23. Februar, dann wieder 5., 15., 31. März.
PREMIERE: Anders als bei „Zauberflöte“ oder „Don Giovanni“ oder „Hochzeit des Figaro“ aus dem Wundertopf des Wolfgang Amadé Mozart gab es bei seiner Oper COSÍ FAN TUTTE lange Zeit bis in die jüngere Vergangenheit kritische Vorbehalte. Ganz früher wegen der Moral von der Geschicht, wo einige blasierte Herren als maskierte Liebhaber die Treue ihrer Frauen testen. Später wegen der Form der Buffo-Gaudi, die zuviel an Klebe-Bärten und Grimassen-Travestie als Kraftstoff verbraucht, um ernst genommen zu werden. Grandiose Musik, verschwendet an doofe Handlung – das galt als Pauschalurteil. Bis einige Regisseure tiefer bohrten und die Schatten hinter den Witzen, den kantigen Tiefsinn im Schönklang entdeckten und miteinander verbanden. Da waren die wunderbaren Arien, Duette und Ensembles gleich noch kostbarer. Wenn Intendant Jens-Daniel Herzog (als Gast inszenierte er in Nürnberg schon Verdis „Aida“ und Puccinis „Tosca“, als Hausherr eröffnete er mit Prokofjews „Krieg und Frieden“) mit dem Verweis auf seine Lust zu einer der Da Ponte-Opern Mozarts diesen Titel in die erste Saison setzt, muss er wohl etwas damit vorhaben. Zum Beispiel einen jugendlich leichten Sopran wie Julia Grüter, die grade noch das Schwesterchen Gretel im Humperdinck-Märchen war, für die früher oft „schwer“ besetzte Sopran-Rolle der Fiordiligi zu platzieren, die schließlich „wie ein Felsen“ für die wahre Größe der Liebe einstehen muss. Der lyrische Tenor Martin Platz hingegen, in Nürnberg über Intendantenwechsel hinweg im Ensemble präsent, ist als Ferrando eher typisch besetzt. Lutz de Veer, der fleißige Vize hinter der Philharmoniker-Chefin, studiert nach „Anna Nicole“ und „Midsummernight´s Dream“ schon die dritte Premiere ein. Einen anderen Mozart hat das derzeit arg ausgedünnte Nürnberger Opern-Repertoire in dieser Saison nicht zu bieten. Aber die U-Bahn fährt ja auch am 2. Februar nach Fürth.
Premiere: 23. Februar, weitere Aufführungen 1., 3., 7., 24., 30. März.
SCHAUSPIEL-KASSENSCHLAGER: Klassisches Mörderspiel, aus keinem modernen Spielplan wegzudenken: Shakespeares MACBETH lässt sich von seiner ehrgeizigen Lady ins Unheil hetzen. Ganz anders als sonst sind diesmal alle Beteiligten ein bisschen gekrönt. Gastregisseur Philipp Preuss (Leipzig/Berlin) löst die Handlungsstränge samt der Dialog-Ordnung in Fragment-Teilchen auf, drückt mit dem Daumen auf eine Endlosschleife der wiederholbaren Ausschnitte, die aus dem mit Hackebeil gekürzten Original gebastelt ist. Das Sechs-Personen-Ensemble in wechselnder Rollenzuweisung (heftig im Einsatz: Julia Bartolome, Lisa Mies, Felix Mühlen, Yascha Finn Nolting, Raphael Rubino, Sascha Tuxhorn) nähert sich dem Schlachtfest auf breiter Blutspur immer wieder in neuem Blickwinkel & Tonfall. Nicht alles, was an den Nerven zerrt, ist ein Thriller. Erstaunlich freilich, dass die am meisten umstrittene Aufführung im aktuellen Spielplan auch eine der am besten verkauften ist. +++ Als „turbulenten Unfug“ hat die mit demonstrativer Selbstironie gesegnete Schauspieldirektion diese Vorstellung angekündigt. Stimmt, kann man da nur sagen – und sich auf dröhnendes Gelächter mit Kalauer-Trommelfeuer gefasst machen. Es geht um Diamanten, ein Geldinstitut in der Provinz, viel tollpatschiges Slapstick-Personal und ein verrutschtes Steilwand-Bühnenbild. Es geht um absolut gar nichts. Die Deutschland-Premiere von KOMÖDIE MIT BANKÜBERFALL aus der gesträubten Feder von drei britischen Autoren und zwei deutschen Übersetzern beruft sich auf den kollektiven Humor der Monty Pythons, hat also auch die Begabung zur Hochstapelei. Die Besetzungsliste wimmelt vor Taschendieben, Trickbetrügern, Häftlingen, Agenten und grenzdebilen Bankdirektoren – ein Musterkatalog von zwanghaften Zwielichtgestalten. Regisseur Christian Brey holte einen Kampf- und Akrobatik-Trainer zur Hilfe, um den Pointen-Tumult zum Lachkrampf mit Salto zu ordnen. In der Premiere liefen einige Besucher in der Pause davon, inzwischen ist die bekennend alberne Aufführung der Kassenschlager schlechthin. +++ Sehenswertes Duplikat aus dem reichen Fundus des Schauspieldirektors: Als Globalisierungsparabel inszenierte der damals 29-jährige Jan Philipp Gloger im Zelt der Ruhrfestspiele den Text des damals 33-jährigen Philipp Löhle mit dem Titel DAS DING. Von dort aus ging die Aufführung nach Hamburg, jetzt ist sie in Nürnberg in jeder Hinsicht angekommen. Das groteske Spiel beginnt vor 500 Jahren am Hof des portugiesischen Königs mit Weltumseglungsplänen und führt, weil ja alles mit allem zusammenhängt, über einen brasilianischen Soja-Baron bis zur Fleischtheke für unseren Sonntagsbraten. Beim „Ding“ handelt es sich um eine verwehte Baumwollsaatflocke mit Pflanzung in Afrika, Bearbeitung in China, Fußballtrikot-Finale in Europa. Löhle arrangiert die Zusammenhänge zur komischen „Weltmetapher“ und schon damals erkannten Kritiker, dass sich der Autor und sein Regisseur gesucht und gefunden haben. Stimmt, der neue Nürnberger Schauspieldirektor engagierte den Dramatiker sofort als „Hausautor“ und bereitet die nächste Uraufführung von ihm für März vor. „Das Ding“ ist derzeit die am schnellsten ausverkaufte Vorstellung der Kammerspiele.
Termine: Macbeth (5., 7., 11. Februar, dann wieder 10., 23. März im Schauspielhaus) +++ Komödie mit Banküberfall (10. Februar im Schauspielhaus) +++ Das Ding (17., 22. Februar, dann wieder 16. März in den Kammerspielen).
PREMIERENFRISCH: Venedig und Nizza sind die dekorativen Handlungsorte, aber das Temperament von Paul Abrahams BALL IM SAVOY deutet klar aufs Berlin der frühen Dreißiger-Jahre. Die flotte Revue-Operette im selbstbewussten Nachhall der tollen Zwanziger kokettierte mit Jazz und Jux, wurde offiziell verboten, hatte nach der Nazi-Herrschaft ein spießiges Comeback im übergestülpten Schnulzensound der Bundesrepublik und durfte erst spät wieder so frech sein wie früher. Die flotten „Ball im Savoy“-Arrangements von Kai Tietje, 2012 für die Berliner Komische Oper entstanden, werden in Stefan Hubers Nürnberger Inszenierung abwechselnd von drei Dirigenten betreut. Das gurrende „Toujours l´amour“ klingt, wenn die richtigen Wimpern klimpern, wie eine individuelle Unverschämtheit, und weil das nur mit besonderer Begabung funktioniert, treten in Nürnberg neben Frederike Haas (war hier bereits Funny Girl, ist als Diva-Persiflage aber etwas brav geraten) als bestens vernetzte Gäste in den Hauptrollen die sonst eher in der Tafelhalle bejubelten Geschwister Pfister mit explosiver Travestie-Turbulenz an. Der Ursli ist das Glamour-Girl, das Fräulein Andreja Schneider der Türke mit Bart, der schmalzende Toni bleibt schmalzender Toni. In der Premiere flippte das Publikum aus. Jetzt pendeln die Pfisters zwei Monate zwischen Paul Linckes „Frau Luna“ (im Berliner Tipi-Zelt am Kanzleramt) und dem Nürnberger „Ball im Savoy“.
Termine: 10., 17., 25. Februar im Opernhaus, dann wieder 5., 26. März.
PREMIERENFRISCH: Eine seltsame Gemeinschaft von Grusel-Fetischisten trifft sich im Nebenzimmer einer Ulmer Kneipe regelmäßig zur Enthüllung der eigenen Ängste. Der Initiator, ein Guru mit Cineasten-Hintergrund, zapft Erinnerungen ab. Nachdem genug Material gesammelt ist, folgt eine kollektive Katastrophen-Tour durch die menschenleere Provinz. Alles nur, um vielleicht einen Film, C-Picture vermutlich, zu drehen. Wo verbergen sich die schlimmsten Ängste? Die Bühnenfassung des dicken und bei zunehmender Verwirrung faszinierenden Buches, in dem die Entwicklung poetisch protokolliert ist, beschränkt sich auf den ersten Teil und wird so auch als Theater-Experiment zur halben Sache. Roman Ehrlichs erst vor zwei Jahren erschienene, personenreiche 640-Seiten-Fiktion DIE FÜRCHTERLICHEN TAGE DES SCHRECKLICHEN GRAUENS übersetzt Hausregisseurin Anne Lenk für ein Solo von Tjark Bernau. Der Loser, der sich an den Guru klammert, möchte gerne eine Opferrolle im imaginären Streifen. Das Publikum darf in lockerer Atmosphäre bei Pizza und Pamphleten teilhaben – und darf sich seine Interpretation selber denken.
Termine: 2., 6., 21. Februar in der 3. Etage des Schauspielhaus, der ehemaligen BlueBox.
COMEBACK: Die Sommernacht macht Pause, jetzt wird DÜRER´S DOG wieder von der Leine gelassen. Ballettchef Goyo Montero, der mit der ersten Serie seiner freien Shakespeare-plus-Goethe-Adaption durchweg ausverkauftes Haus hatte, holt seine Vorjahresproduktion wieder in den Spielplan. Albrecht Dürer hat ihn inspiriert, der Hund im Titel muss weder bellen noch beißen und keine Kette fürchten. Die Fans werden auch zur Wiederholung kommen.
Termine: 9., 16., 22., 24. Februar im Opernhaus.
LETZTER AUFRUF IM OPERNHAUS: Der Einstieg in die angekündigte, eigentlich überfällige und deshalb sehr willkommene Händel-Pflege ist mit der Produktion XERXES arg verstolpert worden. Die Regie-Gruppe LeLab drehte zur Illustration brave Videos für die Halfpipe-
Kulisse und verpasste dabei die Magie der Musik. Der Abschied von der Inszenierung der rollenden, meist nur spazieren getragenen Rollbretter ist schmerzlos (3. Februar) +++ Vermutlich kommen sie ja doch wieder zur nächsten Bescherung. Vorerst haben Humperdincks Märchen-Kinder HÄNSEL UND GRETEL nach diesem Hexentanz große Pause am Lebkuchenhaus (1. Februar).
HÖHEPUNKTE IM SPIELPLAN: Eingefädelt wurde die Produktion noch als SOUND OF THE CITY, jetzt heißt sie DIE MUSIK WAR SCHULD und ist „ein Nürnberger Liederabend“. Am „Ehekarussell“-Brunnen führt eine Ehrenrunde erhobener Stimmen von Pachelbel über Rio Reiser und Richard Wagner (die „Meistersinger“ sind unser Schicksal!) bis zur Familie Joel. Von der klingenden Kirchenmusik-Historie zur Straßenmusik der Gegenwart schweift der Blick, flattert das Stimmband. Selen Kara führte erstmals in Nürnberg Regie, die Songwriterin Vera Mohrs debütiert mit der musikalischen Leitung. Sechs musikalisch talentierte Komödianten suchen den passenden Ton in Randnotizen der Stadtgeschichte mit dem lautesten Einsatz für Wuchtbrunnen-Architekt Jürgen Weber und dem letzten Wort für Poet Hermann Kesten. +++ Nach zehn Jahren Krieg ist Troja ein Trümmerfeld, das die Sieger in ihrem Gewaltwahn aber nicht ruhen lässt. Überlebende Frauen werden verschleppt, das Ungeheuerliche produziert ständig neue Ängste über „das Fremde“. Mit DIE TROERINNEN von Euripides schließt Jan Philipp Gloger eine Nürnberger Spielplanlücke, die „zeitlose“ Antike gehört hier zu den Raritäten. Die überwältigend stimmige Thriller-Inszenierung mit dem Hauch von Hitchcock-Witz ist ein Duplikat samt Upgrade, sie entstand in erster Fassung am Staatstheater Karlsruhe und die Übernahme wird mit der Uraufführung eines Textes von Euripides-Übersetzer Konstantin Küspert neu positioniert. Der POSEIDON-MONOLOG ist die programmatische Enttäuschungsrede des Meeresgottes über das Versagen der Menschheit. Michael Hochstrasser wirft Giftpfeile in offene Wunden. Dann kommt die Königin auf Abruf, die grandiose Annette Büschelberger in der Rolle der zerfallenden Majestät Hekabe – mit Handtaschenbewaffnung wie Frau Thatcher, verzweifelt aufgebäumter Restwürde und dem Zusammenbruch am Abgrund, der alle verschluckt. Ein neu gemischtes Ensemble tritt in Bestform an.
Termine: „Die Musik war schuld“ (7., 15., 24. Februar, dann wieder 1. März in den Kammerspielen) +++ „Die Troerinnen / Poseidon-Monolog“ (13., 20. Februar, dann wieder 14., 17. März im Schauspielhaus).
NÄCHSTE RUNDE DER STARTPROJEKTE: Die Wiederbelebung des einstigen Bildungsbürgerschrecks Eugène Ionesco, Serientäter des absurden Theaters, der ab den 1960er Jahren Bühnentraditionen mit Rätseldramatik unterminierte, startete die neue Nürnberger Schauspieldirektion. Das gewollt wagemutige Ionesco-Projekt EIN STEIN FING FEUER nimmt die früh für Studioexperimente berühmten Stücke DIE KAHLE SÄNGERIN und DIE UNTERRICHTSSTUNDE vermischt mit weniger bekannten Texten des Querschlag-Poeten, ausdrücklich als Comeback an der Mülldeponie alternativer Fakten. Es geht um Macht im Spiel, wenn Worte ihren eigenen Sinn-Rohbau lustvoll detonieren lassen. Jan Philipp Glogers ambitioniert amüsierendes Nürnberg-Debüt fällt aus dem Rahmen des Üblichen. +++ Mit Anton Tschechows DIE MÖWE, allseits geschätzter Blick in die (nicht nur russische) Seele, gab die neue „Hausregisseurin“ Anne Lenk (40), die sonst an den ersten Adressen zwischen München und Berlin die Bahnen zieht, ihre Visitenkarte ab. Die Lenk-Regie findet es allerdings vor allem lachhaft, wie sich die Figuren zwischen Hochmut und Wehmut spreizen. Eine neue Generation von verpuppten Tschechow-Prototypen fürs Therapeuten-Schaufenster. +++ Kino-Großmeister Steven Spielberg fetzte die Verfilmung dieser Hochstapler-Story mit dem jungen Leonardo DiCaprio 2002 nach drei „Indiana Jones“-Produktionen hin. CATCH ME IF YOU CAN gehört seither zu den ewig kreisenden Hollywood-Titeln in der TV-Wiederholungsschleife. Die zehn Jahre später entstandene Musical-Fassung von „Hairspray“-Filmkomponist Marc Shaiman gab dem sympathischen Gauner, der Pseudokarrieren als unrechtmäßig praktizierender Pilot, Arzt und Anwalt gegenüber jedem geordneten Leben bevorzugt, noch mal anderen Schwung. Jetzt wird zum Betrug gesungen und getanzt. David Jakobs in der Hauptrolle gehört in der aktuellen Ensemble-Liste zur Sonderkategorie der extra engagierten „Musical-Darsteller“. Es wirbelt gekonnt, auch wenn die Musik nicht wirklich explodiert. +++ Mit Klischees des coolen Film noir spielt Autor Alexander Eisenach in seiner Krimi-Story DER ZORN DER WÄLDER, wo ein Privatdetektiv den Spuren eines Verschwundenen folgt. Der Unterhaltungswert von Kieran Joels Inszenierung ist größer als der Erkenntnisgewinn, aber das kann man ja auch als Kompliment interpretieren.
Vorstellungen: Ein Stein fing Feuer am 9. Februar, dann wieder am 3. März im Schauspielhaus +++ Catch me if you can am 15. Februar, dann wieder am 15., 25. März im Opernhaus +++ Die Möwe am 8./16./19./26. Februar, dann wieder am 2. März im Schauspielhaus +++ Der Zorn der Wälder am 13. Februar in den Kammerspielen
STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de
GOSTNER HOFTHEATER
PREMIERE: Zwei Prototypen von „Elternpaar“ hat der dichtende Schauspieler Helwig Arenz in Stellung gebracht. In seinem Stück CALIGULA UND DAS MÄDCHEN AUF DER TREPPE lernt man sie über ihre Kinder kennen – die Pädagogen mit den guten Absichten (lassen sich mit Vornamen ansprechen!) und der Modellfall Erziehungs-Prekariat zwischen hilfloser Fürsorge und Suff. Die Kinder sind freilich der festen Meinung, dass immer die eigenen Eltern am schlimmsten, die andern das ersehnte Ideal sind. Eva Weiders inszeniert die Uraufführung, der Autor spielt mit.
Premiere: 20. Februar. Weitere Termin 21. Februar bis 2. März jeweils Mittwoch bis Samstag.
KRIPPENSPIEL-NACHSCHLAG: Die uralte Tradition empfiehlt die Christbaum-Entsorgung erst zu Mariä Lichtmess, 40 Tage nach Weihnachten am 2. Februar. Das Krippenspiel wird bei dieser Spätlese nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Vor 18 Jahren war die umwerfende Impro-Comedy unter dem Stern von Bethlehem ein hundertfacher Erfolg in den Kammerspielen. 2017 kam DER MESSIAS dann nach Gostenhof und erlöste das dortige Team von Quoten-Sorgen im Dezember. Patrick Barlows very british funktionierende Gag-Bescherung für zwei Mimen (Christin Wehner, Helwig Arenz) und einen Pianisten (Boris Stannek) kehrte ein Jahr später für die nächste Runde mit ansteckendem Gelächter bei biblischer Größe und heiliger Einfalt zurück. 2017 und 2018 waren alle Gostner Vorstellungen ausverkauft. Jetzt also zum Abdekorieren Zugaben in Gibitzenhof.
Nachschlag: 1. und 2. Februar 2019 im Hubertussaal.
PREMIERENFRISCH: Eine Doppel-Spionin, die gleichzeitig für den britischen und den russischen Geheimdienst im Einsatz war, wird nach ihrem Tod (Mord oder Selbstmord?) zum Rätsel für die eigene Schwester. Sie ermittelt, holt sich Hilfe, setzt ein Mosaik aus Intrigen und Halbwahrheiten zusammen. CHIFFREN von Dawn King ist eine bitter endende Thriller-Story voller Überraschungen. In der Inszenierung von Stephan Hoffstadt (seit dem Jahr 2000 Regie-Gast am Gostner u.a. mit „Die Zofen“ und „Abschiedsdinner“) sind Miriam Kohler, Thomas Witte, Patricia Litten und Markus Frank in wechselnden Rollen zu sehen.
Vorstellungen: (Jeweils Mittwoch bis Samstag) noch bis 9. Februar im Gostner Hoftheater.
GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nürnberg
gostner.de
TAFELHALLE
PREMIERE: Sie wirft sich mit britischem Humor und rhythmischer Körpersprache in die nie versiegenden DANCE AFFAIRS, die sie manchmal mit Co.-Partnerschaften, aber gerne auch im Solo ausdeutet. Susanna Curtis will augenzwinkernd und aufklärend durch das Gedanken- und Bewegungslabyrinth des modernen Tanztheaters führen. Vor allem: zu mehr Verständnis verführen. Neue Blickwinkel für ihr neues Solo mit Fragezeichen DO YOU CONTEMPORARY DANCE?. Wer kann da widerstehen.
Premiere: 14. Februar. Weitere Termine 15., 16. Februar, dann erst wieder 11., 12., 13. April in der Tafelhalle.
PREMIERE: Er tanzte schon in der Compagnie von Goyo Montero, hat seither als Choreograf seinen eigenen Stil entwickelt und will im mehrteiligen Abend TIME „die schiere Unendlichkeit“ mit Hilfe von sechs bzw. zwei Tänzern beschwören – was er mit einem Zitat des bislang nicht als Ballettomanen aufgefallenen Woody Allen unterfüttert: „Die Ewigkeit dauert lange, besonders gegen Ende“. So oder so, man darf Zeitsprünge erwarten.
Premiere: 28. Februar. Weitere Termine 1., 2., 3. März in der Tafelhalle.
PREMIERENFRISCH: Unter den freien Gruppen der Region ist das SETanztheater von Sebastian Eilers ein Sonderfall. Es lässt sich nicht festlegen, schüttelt Avantgarde-Ansprüche ebenso durcheinander wie Ballettkonvention und Showeffekt, balanciert aber gerne mit Elementen aus allen Bereichen, wenn die Kreativität es mal möchte. Mit dem Projekt DR. CALIMETROFERATU, das vom Stummfilm nascht, soll der Fantasy-Horror der 1922 in allen Kinosälen Schrecken verbreitenden Symphonie des Grauens zum wohlig düsteren Erlebnis werden. Friedrich Wilhelm Murnau wird nicht mehr tanzen lernen, aber vielleicht kommt Klaus Kinskis Geist aus der 55 Jahre später entstandenen Adaption von Werner Herzog hereingehüpft.
Termine: 2. und 3. Februar in der Tafelhalle.
TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg.
tafelhalle.de
THEATER SALZ+PFEFFER
COMEBACK: Sieben Februar-Vorstellungen, die auch für Erwachsene angesetzt sind – das ist mehr Abendprogramm als sonst im Spielplan am Plärrer. Also nichts wie hin! Zunächst #Oscar Wilde gegen Brexit und andere Gespenster: DIE UNSCHULD VON CANTERVILLE steht erneut auf dem Prüfstand. +++ Um die berühmtere Raupe Nimmersatt geht es hier zwar nicht, aber das Figurentheater-Publikum (schon in Lauerstellung fürs Internationale Drei-Städte-Festival im Mai) kann nicht genug kriegen von dieser eisernen Verwandtschaft. Aus dem 2012 erschienenen Bestseller von Jockel Tschiersch hat das Theater Salz+Pfeffer Inspiration für seine Fassung von RITA UND DIE ZÄRTLICHKEIT DER PLANIERRAUPE abgezapft. Es geht im Rahmen einer ungewöhnlichen Deutschlandreise zwischen Allgäu und Ostsee um gar nicht so kleine Träume mit ganz großer Wirkung. Der Arbeiter einer eben in Konkurs gegangenen Kiesgrube rattert trotzig mit seiner heiß geliebten Planierraupe aus Bayerns Voralpen an die Nordostküste der Republik zur Meisterschaft im „Präzisionsplanieren“. Und die flotte Disponentin jagt im entwendeten Porsche hinterher. Dem herzhaften Roman hat die Puppenbühnenfassung einen Rahmen gegeben, der die Fantasie des Zuschauers noch mehr anstachelt – es wird nämlich ein Film über den „Raupen“-Dompteur gedreht. Die Berliner Regisseurin Eva Kaufmann, von der schon „Die Mausefalle“ seit Jahren dauerhaft am Plärrer zuschnappt, inszenierte multimedial.
Termine: „Die Unschuld von Canterville“ am 15., 16., 17. Februar +++ „Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe“ am 22., 23., 24., 28. Februar im Theater Salz+Pfeffer.
THEATER SALZ+PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
t-sup.de
THEATER ERLANGEN
PREMIERE: Die alte Welt muss überwunden werden, damit Platz für eine neue ist. Die Idee einer globalen Utopie wird in Laura Naumanns DAS HÄSSLICHE UNIVERSUM mit fünf Personen durchgeknetet. In großer Poesie, wie Regisseurin Juliane Kann versichert. Eine Frau mit demagogischen Talenten steht im Mittelpunkt. Zum Inhalt: Wie der Mensch die Erde einst mit großer Geste zum Leuchten – und zum Verglühen brachte. Die Apokalypse wuchert in Erlangen.
Premiere: 22. Februar. Weitere Auführungen am 2., 3. März im Markgrafentheater.
PREMIERENFRISCH: Bert Brechts drastische Hitler-Parabel DER AUFHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI von 1941, in Nürnberg mehrfach und 2010 sogar in der Colosseum-Ruine des Reichsparteitags inszeniert, springt in der Erlanger Neuinszenierung zum 300-Jahres-Jubiläum des Markgrafentheaters über alle Hitler-Parabeln hinweg in eine lärmende Gegenwartsrevue. Mafiaboss Al Capone von 1931 wird in der Materialsammlung zur Produktion gezeigt, auch Charlie Chaplins Rede in „Der große Diktator“ von 1940, aber die Regie-Gedanken sind dann doch eher bei Donald Trump. Der Donnerspruch „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ ist gestrichen. Der plakativsten Form des aufklärerischen Brecht-Theaters wird nicht mehr getraut.
Termine: 6. und 7. Februar im Markgrafentheater.
WEITER IM SPIELPLAN: Amos Detscher hat als Dritter die Titelrolle in der Erlanger Langlauf-Version von Goethes DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER übernommen. Eike Hannemanns Inszenierung des Briefromans ist der Evergreen im Spielplan, +++ Noch ein typisches Hannemann-Projekt: Als Live-Hörspiel mit Videostütze legte der Regisseur die Bühnenfassung von Wolfgang Herrndorfs rührendem Roadtrip TSCHICK an. Die abenteuerliche Reise von zwei (nach allen gesellschaftlichen Regeln) eigentlich gar nicht zueinander passenden Vierzehnjährigen, die ein Auto geklaut haben und die weite Welt auf der nahen Landstraße suchen. Der Buch-Bestseller, der inzwischen auch ein beachtlicher Kinofilm von Fatih Akin wurde, entfaltet als Bühnenerlebnis besonderen Reiz. +++ Wie man die Hoffnung trotz aller Enttäuschungen nie verliert, hat Duncan Macmillan für sein Solo ALL DAS SCHÖNE notiert. Es kann ja so einfach sein: Die schönen Dinge des Lebens werden auf eine Liste geschrieben. Ralph Jung erläutert die Philosophie hinter dem Memorieren.
Termine: „Tschick“ am 2. und 4. Februar +++ „Die Leiden des jungen Werther“ am 26., 27., 28. Februar +++ „All das Schöne“ am 9. und 10. Februar – alles im Theater in der Garage.
GASTSPIEL: Der Bestseller-Autor Daniel Kehlmann pflegt weiter seine schwierige Liebe zum Theater. In HEILIG ABEND gibt er dem Verhörspezialisten Thomas (gespielt von TV-Star Wanja Mues) nur 90 Minuten für die Überführung einer Professorin, die angeblich Terroristin ist. Oder auch nicht. Keine schöne Bescherung, sondern Nervenkitzel auf Tournee am 25. Februar im Markgrafentheater.
THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen.
theater-erlangen.de
STADTTHEATER FÜRTH
COMEBACK: Die Ansichten eines vorlauten Beuteltiers erfreuen sich in allen Versionen anhaltender Nachfrage. Autor Marc-Uwe Kling hat die Story als Buch und als Kleinkunstprogramm in Umlauf gesetzt, aber DIE KÄNGURU-CHRONIKEN sind auch bestens funktionierendes Komödientheater. Mit vier Schauspielern hat Thomas Stang vom Fürther Stadttheater die Episoden inszeniert, mit Musik, Klamauk und gar gesellschaftskritischen Untertönen. Auch die neue Vorstellungsserie ist schon ziemlich besetzt.
Termine: 1. bis 13. Februar im Kulturforum Fürth.
GASTSPIEL: Die Kostüme sind bunt wie für einen orientalischen Maskenball, und auch sonst ist diese Aufführung von Mozarts „deutschem Singspiel“ DIE ENTFÜHRUNG AUS DEM SERAIL wohl eher etwas für Gegner des Regietheaters oder, positiv gesehen, die Opernfans der reinen Lehre. Musik ist Trumpf. Die Prager Kammeroper fährt nach eigener Einschätzung gut damit, das konservative Publikum zu bedienen und die Ankündigung operiert unerschreckbar mit dem alten Begriff „Türken-Oper“. Dabei hat das Ensemble der Oper Usti, die fleißig Kooperationen mit europäischen Nachbarn einfädelt, alles originalgetreu in deutscher Sprache gepaukt.
Termin: 2. Februar im Stadttheater Fürth.
GASTSPIEL: Eine Multikulti-Komödie mit dem Titel ACHTUNG DEUSCH macht sich einen Spaß mit der schiefen Stimmungslage der Nation. Der Zuschauer sieht den Handlungsort WG als Karneval der Kulturen, wo alle denkbaren Klischees hochgewirbelt werden. Jochen Busse inszenierte die Gaudi, bekam dafür sogar einen Preis. Die Münchner Komödie im Bayerischen Hof, die für vier Vorstellungen nach Fürth kommt, gilt als Heimstatt des Schmunzel-Boulevard. +++ Der Autor Ödön von Horváth, vorige Saison in Nürnberg und Erlangen mit Inszenierungen von „Kasimir und Karoline“ präsent, hatte mit seinen GESCHICHTEN AUS DEM WIENER WALD den größten und am meisten umstrittenen Erfolg. Eine Aufführung des Landestheaters Salzburg, mit Carl Philip von Maldeghem inszenierte der Chef persönlich, der soeben als Intendant nach Köln berufen wurde.
Termine: „Achtung Deutsch!“ (13. bis 16. Februar) +++ „Geschichten aus dem Wiener Wald“ (22. und 23. Februar) im Stadttheater Fürth.
GASTSPIEL: Die Choreographien, mit denen das BALLETS JAZZ MONTREAL aus Kanada an fünf Abenden im zuverlässig funkelnden Fürther Tanztheater-Programm gastiert, haben Titel wie „Kosmos“, „Dance Me“ und „O Balcao de Amor“. Vom Mambo des Pérez Prado bis zu kubanischen Rhythmen reicht das Material, mit dem die international gefeierte Compagnie auf Reisen ist. Es wird wohl fünf ausverkaufte Vorstellungen geben.
Termine: 5. bis 9. Februar im Stadttheater Fürth.
STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de
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