Erzähl mir was ... Rooftop Stories

DONNERSTAG, 1. NOVEMBER 2018

#Buch, #Lara Sielmann, #Lesung, #Literatur, #Rooftop Stories

Über den Dächern Fürths, direkt in der Friedrichstraße, findet monatlich in dem Bibliothekscafé Terrazza die Lesereihe „Rooftop Stories“ statt und das schon seit zwei Jahren – ein Anlaufpunkt für Fürther SchreiberInnen, Literatur- und Kulturinteressierte.

Die Bücherregale sind an die Seite gerollt, in der Mitte des Raumes sind Stuhlreihen aufgebaut, die auf eine kleine Bühne gerichtet sind – ein Mikrofon, mehr braucht sie gar nicht. Vor dem länglichen Tresen, an dem es allerlei italienische Kleinigkeiten gibt, stehen zusätzlich noch eine Handvoll Tische sowie Stühle, die auf den normalen Café-Betrieb hinweisen, denn tagsüber lädt das Terrazza zu Kaffee und Buch ein. Besonders beliebt: die große Dachterasse mit fast Panoramablick auf Fürth. Aber heute Abend, Anfang Oktober, bleibt man aufgrund der Temperaturen innen, denn die Fürther LiteraturveranstalterInnen Lara Emser und Robert W. Segel haben zu „Rooftop Stories“ eingeladen, namentlich angelehnt an den Ort. Ihr Konzept ist einfach: pro Abend treten zwei bis drei AutorInnen sowie ein*e Musiker*in auf. Das Programm ist divers, neben KünstlerInnen aus dem Poetry-Slam-Bereich gibt es ebenso Prosa oder Lyrik zu hören. Auch musikalisch ist es abwechslungsreich – von Indie bis Singer/Songwriter hin zu Metal gab es schon alles und diese Mischung kommt gut an. „Es ist uns auch ein Mysterium, wer hier immer hier her kommt“,  erzählt Lara Emser, „ein klassisches Stammpublikum haben wir nicht, aber teilweise ist es so voll hier, dass wir Einlassstop machen müssen“ – und das ist dann schon beachtlich, passen zwischen 90 bis 130 Menschen in die Terrazza plus Außenbereich im Sommer.

Die 22-jährige Lara Emser ist selbst Slammerin und kam vor zwei Jahren auf die Idee, in der Terrazza zu veranstalten. „Ich ging mit meiner Mutter kurz nach der Eröffnung der Bibliothek hier vorbei und dachte sofort, hier muss ich etwas machen.“ Doch das wollte sie nicht alleine, so fragte sie die „Schaffenskrise“ an –  aka Robert W. Segel und Immanuel R. Reinschlüssel, das bekannte Autoren- sowie Literaturveranstaltungsduo aus Fürth – und die Lesebühne war geboren. „Uns war vor allem wichtig, Menschen einen Ort zu geben, die sonst keinen haben“, fügt Robert W. Segel hinzu. „Als Schaffenskrise haben wir jahrelang die regionalen Bühnen unsicher gemacht und wissen, wie schwer es ist, Auftrittsmöglichkeiten zu finden“. Seit zwei Jahren präsentieren die drei AutorInnen aus Fürth und Umgebung und sind immer wieder selbst überrascht, wer bei ihnen auftritt. „Es ist wie eine Wundertüte“, beschreibt es Lara Emser, denn viele der Lesenden kennen sie selbst vorher nicht, im Gegensatz zu Emser kommen Segel und Reinschlüssel nämlich nicht aus dem Slambereich. „Und so entdecken wir über uns gegenseitig jeweils ganz unterschiedliche Texte“, sagt Segel. Aber auch klassisches Scouting gehört zu ihrer Arbeit dazu, Literaturorte wie die Kulturläden der Stadt Nürnberg werden beobachtet, sowie andere offene Bühnen. Hilfreich ist ihnen dabei ein großes Netzwerk an Kulturinteressierten- sowie schaffenden, das sie ebenfalls auf AutorInnen aufmerksam macht. Als offene Bühne verstehen sich die drei allerdings nicht, so wählen sie bewusst aus – auch wenn mittlerweile eine Vielzahl an Menschen sich bei ihnen gemeldet hat, die gerne einmal in Terrazza lesen möchte. Gefördert wird die Lesebühne nicht, alles läuft auf Spendenbasis und das funktioniert gut. „So lange wir nicht müssen, möchten wir auch nicht gefördert werden“, sagt Lara Emser, denn darin liege auch Freiheit, die Sachen so zu machen, wie sie es möchten. Beim Anblick der vollen Stuhlreihen sollten sie diese so schnell nicht verlieren.

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Unsere Kolumnistin Lara Sielmann, geboren und aufgewachsen in Berlin, arbeitet als Kulturschaffende und Journalistin in Nürnberg. Lara freut sich über themenbezogene Fragen, Anregungen und Tipps – einfach per E-Mail an Diese E-Mail Adresse ist gegen Spam Bots geschützt, du musst Javascript aktivieren, damit du sie sehen kannst senden! Im November hat Lara Euch drei Lesungen ausgesucht:

INGO SCHULZE: PETER HOLTZ – SEIN GLÜCKLICHES LEBEN ERZÄHLT VON IHM SELBST
MONTAG 05.11., 20:00 // Städtische Galerie Bürgerhaus,
Schwabach / VVK ab 7,50€ / AK tba
Vom Waisenkind zum Millionär – wie konnte das so schiefgehen? Peter Holtz will das Glück für alle. Schon als Kind praktiziert er die Abschaffung des Geldes, erfindet den Punk aus dem Geist des Arbeiterliedes und kämpft als CDU-Mitglied (Ost) für eine christlich-kommunistische Demokratie. Seine Selbstlosigkeit belohnt die Marktwirtschaft jedoch mit Reichtum. Wie wird er das Geld mit Anstand wieder los? Ingo Schulze, 1963 in Dresden geboren, gehört zu den bekanntesten deutschsprachigen Schriftstellern der Gegenwart, dessen Werke in über 30 Sprachen übersetzt sind.

SONJA VOGEL: TURBOFOLK – SOUNDTRACK ZUM ZERFALL JUGOSLAWIENS
DONNERSTAG 08.11. // Desi Stadtteilzentrum e.V., Nürnberg
/ VVK ab 9,80, AK 10,-
„Sound des Krieges“, „Porno-Nationalismus“, „Turbo-Faschismus“, „Sirenen des serbischen Nationalismus“ – es gibt viele drastische Umschreibungen für den Turbofolk. Trotzdem war das Musikgenre in den 1990er-Jahren beispiellos populär in Serbien, aber auch in den anderen ex-jugoslawischen Staaten. Kein Fernsehsender und kein Café, das nicht die mit harten Beats und Keyboard aufgemotzte Folkmusik spielte. Mit Musik, Songtexten und Videos durchkreuzt Sonja Vogel den „Soundtrack des Zerfalls“, mal skurril, mal brutal, aber immer einen genauen Blick wert. Es darf getanzt und es muss mitgewippt werden.

MANJA PRÄKELS: ALS ICH MIT HITLER SCHNAPSKIRSCHEN Aß
Präsentiert von curt
MITTWOCH 28.11., 20:00 // Lesereihe Gegenwartsliteratur im Z-Bau, Nürnberg / VVK ab 8,-, AK 10,-
Landleben zwischen Lethargie und Lebenslust. Mimi und Oliver sind Nachbarskinder und Angelfreunde in einer kleinen Stadt an der Havel. Sie spielen Fußball miteinander, leisten den Pionierschwur und berauschen sich auf Familienfesten heimlich mit den Schnapskirschen der Eltern. Mit dem Mauerfall zerbricht auch ihre Freundschaft und Oliver wird unter dem Kampfnamen Hitler zu einem der Anführer marodierender Jugendbanden. Manja Präkels erzählt in ihrem Debütroman vom Verschwinden der DDR in einem brandenburgischen Kleinstadtidyll, dem Auftauchen verloren geglaubter Gespenster, von Freundschaft und Wut.
 




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