Nürnberg Digital Festival | Interview
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Wir haben Ingo Di Bella, Schöpfer der Nürnberger Web Week, dazu befragt, dass sich das Festival selbst neu erfindet: Man will mit dem Event raus aus der Nerd-Ecke und auch das nicht so fachkundige, aber interessierte Publikum erreichen. Da Digitalisierung und Transformation jeden etwas angehen, gibt es dieses Jahr nicht nur Events für Kids und Senioren, sondern auch die Kultur erhält Einzug...
curt: Was war die Web Week, was ist das Nürnberg Digital Festival?
Ingo DiBella: Die Web Week entstand 2012 aus einer kleinen, aber sehr aktiven digitale Szene heraus. Das waren anfänglich durchaus die Nerds und Web-Enthusiasten, die einfach ihre jeweiligen BarCamps, Meetups und WebMontage in eine Woche gebündelt haben, um sich stärker zu vernetzen. Begonnen haben wir mit knapp zehn Events und nur ein paar hundert Teilnehmern. Daraus hat sich dann ein Selbstläufer entwickelt. Alle haben zusammen angepackt. Viele ehrenamtliche Helfer, neue Veranstalter, unsere Sponsoren und auch die Stadt, insbesondere Wirtschaftsreferent Dr. Michael Fraas haben uns schon frühzeitig unterstützt und das Potenzial eben nicht nur für die Szene, sondern für die Region erkannt. Aber den Erfolg hätte sicher niemand vorhersagen können. 2017 hatten wir bei 100 Veranstaltungen mehr als 8.000 Besucher. Die Events sind vielfältiger geworden. Es gibt nun auch Events aus der Kultur, der Gesellschaft, der Politik, den Medien. Das zeigt uns, dass Digitalisierung eben mehr ist als „Web und Nerds“, sondern dass Digitalisierung alle Bereiche unseres Lebens betrifft. Die Art unseres Zusammenlebens ändert sich, wir kommunizieren anders. Wir arbeiten anders. Wir haben in der Bildung neue Herausforderungen und wir erleben Kunst und Kultur eben neu.
Diese Entwicklung und dieses umfassende Verständnis von Digitalisierung wollen wir mit dem neuen Namen einfangen. Wir verstehen uns deshalb als Digitales Festival, in dem sich alle Menschen, die Wirtschaft, Kultur, Kunst und die Gesellschaft wiederfinden können. An diesem Festival können aber eben auch alle teilnehmen.
curt: Gibt es Vorbilder für das „neue“ Festival?
Natürlich gibt es die South bySouthwest in Austin, die jährlich in den USA gewissermaßen das Leit-Event der Digitalisierung ist. Wir glauben, dass die Metropolregion mit ihren starken Unternehmen, ihren unglaublich kreativen Künstlern und ihrer anspruchsvollen Gesellschaft sich nicht hinter den vielgenannten Metropolen verstecken muss. Wir im Großraum – und es finden ja Events in Bamberg, Coburg, Erlangen, Neumarkt, Fürth, Ansbach und Nürnberg statt – haben hier eine Metropolregion, die sich zeigen kann. Als Vision sehen wir schon, dass wir es mittel- bis langfristig schaffen, das Thema Digitalisierung in die Breite der Gesellschaft zu tragen. Wir müssen uns ja in allen Bereichen mit dem Thema konstruktiv – durchaus auch kritisch – auseinandersetzen.
curt: Schwerpunkte sind in diesem Jahr: Verkehr, Gesundheit, Finanzen und Bildung. Wie wird auf diese Themen konkret eingegangen?
Wir haben so viele Veranstaltungen, dass es teils schwierig wird, den Überblick zu behalten. Mit den Thementracks haben wir dieses Jahr den Versuch gestartet, mehr Übersichtlichkeit für stark fachlich interessierte Teilnehmer zu schaffen. Jeder Track – Mobility, Digital Health, FinsurTech – hat einen Trackmacher und mehrere Tracksponsoren. Die Trackmacher kümmern sich um die thematische Orga und die Tracksponsoren ermöglichen eigene Werbemittel für den jeweiligen Track. Die Tracks sind eher nach Art einer Konferenz organisiert. Fachbesucher können so ganz gezielt auf diese Veranstaltungen gehen.
curt: Der digitalen Wandel verändert die Gesellschaft. Für wen ist das Festival besonders spannend?
Das Festival ist für jeden spannend, der erlebt, wie die Digitalisierung unser Leben verändert. Wir sind uns schon bewusst, dass wir der Digitalisierung nicht einfach jubelnd hinterherrennen dürfen. Wir müssen, wenn wir konstruktiv und auch kritisch sein wollen, die Digitalisierung frühzeitig mitgestalten. Es geht ja nicht nur um den Breitbandausbau. Es geht ja auch darum, wie kleine und mittelständische Unternehmen von der Digitalisierung profitieren können. Es geht aber auch darum, wie die Gesellschaft mit der Digitalisierung umgeht, wie wir kommunizieren, welche Daten wir wem geben. Besonders in der Bildung ist da auch ein Schwerpunkt. Gerade von Lehrerinnen und Lehrern kommt der Wunsch nach Unterstützung und Weiterbildung. Mit dem Barcamp Digitale Bildung finden Lehrerinnen und Lehrer dieses Jahr ein tolles Angebot. Aber auch die Kleinen können mitmachen – im CoderDojo in Nürnberg und im neuen CoderDojo in Erlangen. Das ist schon spannend und faszinierend, mit welcher Begeisterung da Roboter programmiert oder Animationen gezaubert werden.
curt: Und wer sollte besser zuhause auf dem Sofa bleiben?
Niemand! Man kann sich der Digitalisierung nicht verschließen. Sie kommt. Punkt. Wir stehen da wohl mitten in einem Epochenwandel ähnlich der Industrialisierung. Wir müssen uns mit der Digitalisierung auseinandersetzen.
curt: Ist die Region ein erfolgreicher IT-Standort?
Ja. Definitiv. So viele spannende und innovative Unternehmen sind hier und bieten nicht nur Arbeitsplätze, sondern ermöglichen auch Lebensqualität. Wir haben in unserem Magazin das Beispiel vom Musikhaus Thomann, der ja ein Logistikgigant aus der Region ist. Thomann und viele andere haben die Herausforderung angenommen, sind in der Region verwurzelt und schaffen so erfolgreich einen Mehrwert für den Standort Metropolregion Nürnberg.
curt: Was sind die digitalen Leuchttürme der Region?
Es wäre unfair, da nur einige zu nennen. Wir haben in allen Bereichen spannende Initiativen, Projekte und Unternehmen. Die sind auch wohl alle bereits aktiv beim Nürnberg Digital Festival. Ich fände es spannend, wenn man mal versucht, die Musik, also die Symphoniker, zu einem digitalen Projekt zu bewegen. An der Schnittstelle zwischen traditioneller Kunst und (digitaler) Technologie lassen sich vielleicht völlig neue Leuchttürme schaffen.
curt: Du hast Kinder. Wie bringst Du ihnen Handy/Tablet/Computer nahe?
Kinder wachsen fast immer wie selbstverständlich in ihrer Zeit mit der gegebenen Technik auf. Es ist eigentlich egal, welches Medium sie benutzen. Spannender ist, dass sie einen offenen und kreativen Geist behalten. Digitalisierung ist ja nicht nur Technik. Digitalisierung ist ja ein Mindset. Gewissermaßen der Wunsch danach, auszuprobieren und Neues zu wagen. Gerne auch mal dabei zu scheitern und daraus zu lernen. Die größte Herausforderung wird sein, nicht die Anwendungen (Youtube, Whatsapp) bedienen zu können, sondern die digitale Welt und ihre Wirkungsweisen zu verstehen, um letztendlich die richtigen Entscheidungen selbst entwickeln zu können.
curt: Was ist (wann) besser: Avatare oder Fleisch & Blut?
Beides ist doch gut. Das Netz bietet vielen Menschen die Möglichkeit, ihre Persönlichkeit vielleicht etwas weniger beobachtet von der „analogen“ Öffentlichkeit auszuleben. Das kann gut sein, das kann aber auch Risiken beinhalten. Gerade deshalb sind wir der Meinung, dass wir eben in der Gesamtgesellschaft über die Auswirkungen und Entwicklungen der Digitalisierung sprechen müssen. Es gibt Chancen, Freiräume usw., aber eben auch Probleme. Und die müssen wir diskutieren und dann mögliche Lösungen finden. Diese Lösungen – und das ist das Mindset der Digitalisierung – sollten wir ausprobieren. Und zwar so, dass wir aus dem Testing lernen.
curt: „Ich 1, Du 0.“ – Ist dies das Motto der Zukunft, für Digital vs. Analog, oder ist es einfach nur ein großartiger T-Shirt-Spruch*?
Ich fand diesen herbeigeredeten Gegensatz zwischen Analog und Digital schon immer schwierig. Wir leben in einer Welt, die von der Digitalisierung betroffen ist. Digitalisierung heißt aber eben nicht, dass alles nur noch in irgendwelchen digitalen Sphären stattfindet. Das Nürnberg Digital Festival zeigt doch bestens, dass die vielen, teils besten Online-Communities nicht das persönliche Treffen auf unseren Veranstaltungen ersetzen kann.
curt: Space Invaders oder League of Legends?
Vom Alter her müsste ich Space Invaders sagen, aber ich bin mit Atari und Amiga500 eingestiegen. Da hießen die Klassiker nochmal anders. Aber: Was die Games-Entwickler in der letzten Zeit auf den Markt gebracht haben, das ist schon beeindruckend. League of Legends bietet ja Tournaments, Weltmeisterschaften und wird teils richtig professionell als E-Sport gespielt. Und genau so ein Turnier findet mit den „Franken Finals“ erstmals im Rahmen des #nuedigital statt. In dem großen Finale finden wir dann das Beste LoL-Team Frankens.
curt: Printmagazine: Obsolet oder charmant und unverzichtbar?
Print lebt! Wir machen ja auch ziemlich viel Print – unter anderem ein eigenes Magazin. Warum sollte man auch darauf verzichten? Lesen kann ich an Bildschirmen oder eben auf gedrucktem Papier. Spannend ist doch die Ergänzung, das Miteinander von Digital und Print.
* Ich 1, Du 0–Shirts gibt es auf dem Festival und auf www.curt.de ab Mitte Oktober.
NüRNBERG DIGITAL FESTIVAL
Freitag, 12.10.2018 // 10:00h
NÜ/FÜ/ER
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