Theobald O.J. Fuchs: Die Begabungen einer Insel
#Comedy, #Kabarett, #Kolumne, #Theobald O.J. Fuchs
A. Geobotanisches Grafiedings - Die Insel ist sehr zerklüftet. Nicht vorstellbar, dass sie noch zerklüfteter sein könnte. Die Mutter aller Zerklüftung ist sie. Es gibt keine ebene Fläche, keine flache Straße, sogar in den Tunneln tief unter den Felsen geht die Autobahn andauernd auf und ab. Alle Lebewesen auf der Insel haben deshalb kurze dicke Beine, auch die Katzen und Hunde, auch die Bananenstauden und die Eichhörnchen.
Wer hier zudem mit ungleich langen Beinen auf die Welt kommt, hat einen Vorteil und gilt als heißbegehrter Heiratskandidat. Aus den Autos bauen geschäftstüchtige Schrauber die Zahnräder für den dritten und vierten Gang aus und verkaufen sie in die Mongolei, wo sie weitaus nützlicher sind. Das wahnwitzig gezupfte Relief der Landschaft drückt sich in meinen Geist, so wie die Falten der Bettwäsche manchmal morgens in meine Wange. Dazu unberechenbare Wolken, die planlos über den Ozean ringsherum vagabundieren. Ich fühle mich, als triebe ich in einem weißen See, über mir undurchdringlicher weißer Dunst, als schwöbe Rauch über Milch.
Auf dem Gipfel des höchsten Berges, den wir im Spaziertempo besteigen, haben die Eingeborenen einen Altar errichtet, einen rechteckigen Klotz aus Stein, etwa kniehoch. Man könnte sagen: eine ideale Ergonomie – wenn es um die Schlachtung mittelgroßer Säugetiere geht. Doch werden hier nur Ideen geopfert. Alte, zähe Ideen, aus denen man nur noch Suppe kochen oder philosophische Salami schnetzeln kann. Ostern naht. Wir nutzen den Tag und haben gleich noch unser erstes Dschungelwandererlebnis. Exakt eins zu eins wie im Reiseführer. Sogar die gleichen Bilder finde ich hinterher im Speicher meiner Kamera.
B. Brathuhn Gottes - Nach einer Woche kennen wir im Dorf jede Katze (drei) und jeden Hund (sieben). Und die zwei Eckensteher und fünf hauptamtlichen Parkplatzbeobachter vor dem zentralen Geschäft. Es vereint sämtliche Wirtschaftszweige des Ortes: Kneipe, Café, Losbude, Hühnchenbraterei, Omelettmanufaktur und Fußballübertragungsstation. Nur die Feuerwache ist zwei Häuser weiter untergebracht.
Die fröhliche Frau des Inhabers stellt mir schon automatisch zwei imperiale Gläser Bier hin, sobald ich den Laden betrete. Am Sonntag brät der Großvater in einem Verschlag neben der Tür Hühner. Köstliche Hühner, die halbe Insel steht mittags Schlange, während hundert Meter weiter ein Gottesdienst tobt. Die Kirche hier hat erkannt, dass Lautsprecher mehr bewirken als Glocken, man hört die Gesänge bis hinauf zum Stausee, der wie eine herzförmige riesige Pfütze im Dschungel Wanderern auflauert und sie daran gemahnt, dass auch ihr Körper zu fünfunddrölf Prozent aus Wasser besteht.
Meine Kenntnisse der Landessprache sind noch nicht ganz perfekt, aber reichen aus, um den polymorphen Dialog am Brathühnchenverkaufstresen komplett zu verstehen. Es spielen mit: Der Typ mit Schnauzer, der sich über den Tresen lehnt, zwei kleine, dicke Frauen hinter mir, Opa am Grill, seine Gattin mit der Knochenzange und dem Saftlöffel, zwei Bleistifte und ein komplett mit Fett durchtränkter Notizblock.
»Was möchten Sie?«
»Ein Hühnchen.«
»Ja, sehr gute Idee, kaufen Sie ein Hühnchen.«
»Denken Sie, es ist gut?«
»Ja, es ist sehr gut. Für Sie auch ein Hühnchen?«
»Nein, wir wollen zwei Hühnchen.«
»He, Jorge! Mach noch zwei Hühnchen!«
»Siehst Du nicht, dass ich hier schon hundert Hühnchen am Spieß stecken habe?«
»Kaufen Sie eines, ich habe auch eines gekauft.«
»Sie gehören gar nicht zum Laden?«
»Nein, warum?«
»Nur so. Also ein Hühnchen bitte.«
»Warten Sie, ich schreibe das hier in den Block.«
»Moment, das schreibe ich doch schon in den Block.«
»Der Herr möchte ein Hühnchen, ich mache hier einen Strich.«
»Den Strich wollte ich machen. Aber gut: der Nächste bitte?«
»Gibt es hier Hühnchen?«
»Augenblick, ich muss nachsehen ...«
Katha meint, es läuft ungefähr so, wie im Hemdendienst Bier verkauft wird.
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Das Kapitel „C. Flora humana est.“ folgt online im August!
[Fotos: Katharina Winter, stets im Bilde: Theo O.W. Fuchs]
UND WAS MACHT THEO WIRKLICH UND SONST SO?
Naja, immer nicht so viel. Ein bisschen Forschung und so, hier und da mal irgendwas lehren. Wissen wir nicht so genau, ist auch egal.
Ansonsten wälzt er sich im Ruhm und lässt sich bewundern, denn seine Sucht ist die nach Aufmerksamkeit. Alles Gute zur Hochzeit.
Darum: Am 03.07., 19 Uhr 30, hält Theo einen belehrenden wie erbauenden Vortrag in der Freien Wissenschaftsakademie (Hochstraße 23, Nbg, Hinterhof). freie-wissenschaftsakademie.de
Und am 27.07., 20 Uhr, liest er im Stadtpark zu Fürth aus seinem Krimi. Zudem orakelte er intensive Arbeit an seinem nächsten Buch.
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