Claudias Kinoempfehlungen im Sommer

SONNTAG, 1. JULI 2018

#Babylon Kino, #Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Film, #Kino

Vom Dorf in die Welt und zurück! Wer will denn schon übertriebene Abwechslung, Kultur und Nachtleben? – das Kino springt in der Sommermonaten hinein ins Dorfleben, das einem der Angstschweiß auf die Stirn jagt.

LANDRAUSCHEN
AB 19.07. // CASABLANCA
Zurück an den Ort, an dem man seine Jugend verbracht hat, das ist die Höchststrafe für all die, die losgelaufen oder weggerannt sind. Gerade behandelte „Back For Good“ mit Kim Riedle diesen Kinostoff auf perfekte Weise. Dennoch hatte ich Lust auf LANDRAUSCHEN, der versprach, noch mehr Dorf und nicht ganz so viel Drama zu werden. Auch Kathi Wolf spielt Heimkehrerin Toni sympathisch, kehrt Berlin den Rücken und nach Bubenhausen zurück, dorthin, wo alles mit einem „sch“ gesprochen werden. Die Ulmer Tageszeitung gibt ihr großzügig ein Praktikum, und der berufliche Horror bekommt ein Gesicht. Den Wunsch ihrer Mutter „Tu halt amal normal“ kann die Orientierungslose mit dem Hemmschuh nicht erfüllen. Aber schön, dass es Rosa (Dank an Nadine Sauter für die vermutlich natürlichste Schauspielleistung des Jahres) gibt, eine Freundin, mit der man Pferde stehlen könnte, wenn es welche gäbe. Es könnte aber auch sein, dass sich die beiden Mädchen näher kommen. Stark ist der Schluss, wenn der Fokus überraschend und gerechtfertigt nur noch auf Rosa liegt. Mutig. Der über Crowdfunding finanzierte Film wurde übrigens mit Laien gedreht und bekam gleich drei Max-Ophüls-Preise.
 



303
AB 19.07. // CASABLANCA
Dieses Teil fällt auf: Jule startet in einem vollausgestatteten klobigen Caravan Richtung Portugal. Im Gepäck einen ganzen (vielleicht etwas vollen) Sack tragischer Ereignisse, auf dem Nebensitz recht bald Jan, den sie an der Tanke aufliest. Beide sind 24, studieren. Und da man, wenn man auf der Landstraße fährt, eine Menge Zeit hat mit einem 30 Jahre alten Gefährt, gerät der Small Talk über die jeweiligen Vorhaben – nach einem holprigen Start – bald zu brauchbaren Gesprächen. Die Fahrt und der Film sind lang. Doch es gibt auf so einer Reise schöne Momente, in denen man sich zwangsläufig näher kommt in einem rollenden Haus. Das einfach gefilmte Road Movie reicht nicht ganz an den Platzhirsch in Sachen Beziehungsanbahnung, Richard Linklaters „Before Sunrise“, ran. Beide Filme schicken Menschen in eine Kennenlernsituation, um danach zu fragen: Was wollt ihr nun miteinander anfangen? Jan und Jule diskutieren über Konkurrenz und Kooperation, Gorillas, Pfauen und Gründe für Beziehungsmiseren. Das funktioniert phasenweise wie ein Hörspiel (bei dem die Frau mehr redet). Weil die beiden so offensichtlich zusammenpassen, lassen wir uns mit treiben. Wer hätt' Besseres zu tun …
 


B12 – GESTORBEN WIRD IM NÄCHSTEN LEBEN
AB 19.07. // IM CINECITTA
Ein bisschen Platz muss sein für Skurriles, wie diese Doku nicht über, aber an einer Raststätte. An der B12 hat der Lenz früher den Imbiss geführt, doch heute ist er 89 Lenze und einen Schlaganfall alt. Er mag sterben, aber da das trotz allen Jammerns nicht passiert, sitzt er weiter in der Raststätte, die er seinem Sohn vererbt hat. Dem macht er Vorwürfe, doch das geht auch andersrum. Man hat sich hier zusammengefunden, Stammgäste reden über Schweinsköpfe, Geld oder das Leben. Und wir hocken mitttendrin, als würden wir an einem warmen Sommertag die Menschen beobachten, keine spektakulären, keine großartig sympathischen, aber wenn man ihnen zuhört, wird es doch spannend. Vor allem die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist ein klasse Fass, das da aufgemacht wird im ersten von zwei bayerischen Filmen in dieser Ausgabe. Diesen Mikrokosmos muss man erst mal so filmen wie Christian Lerch, der Drehbuchautor von „Wer früher stirbt ist länger tot“.  
 


PAPILLON
AB 26.07. // CINECITTA
Dieser Film ist körperlich anstrengend. Eine Schultermassage danach wäre angemessen, lieber Verleih. Aber die Klage über meine Verspannungen verhallt im Angesicht der Lebensgeschichte von Henri Charrière, dessen Leben hier nacherzählt wird. In der Neuverfilmung von PAPILLON muss Charlie Hunnam (aus der Serie „Sons of Anarchy“), unschuldig zu lebenslang verurteilt, sein Dasein in der brutalen Strafkolonie Französisch-Guayana ertragen. Immer wieder plant er den Ausbruch, doch alles, was er auf der Habenseite verbucht, ist die Freundschaft zum Fälscher Louis Dega (Rami Malek). Diesen unglaublich harten und deprimierenden Gefängnisfilm hätte es nicht geben müssen. Denn niemand muss Steve McQueen und dem rührenden Dustin Hoffman aus dem Original zeigen, wie es besser geht. Keiner, der das Original kennt, wird den Neuen anschauen. Doch auch im aktuellen Kleid ist das Manifest der Aussichtslosigkeit ein guter Film, der lediglich außer den erwähnten Verspannungen wenig Emotionen auslöst.
 


KÖNIGE DER WELT
AB 25.07. // CASABLANCA
AB 02.08. // BABYLON FÜRTH
Eines der beiden Alben von Union Youth heißt „The Boring Years“. Ich glaube, deren hatte die Band aus Bad Bentheim keine. Der Erfolg krachte über die jungen Niedersachen, schleuderte sie kurzfristig bis nach Los Angeles, dort und überall spielten sie plötzlich – geliebt und verehrt – mit den Guten. Das war vor 15 Jahren. Die Dorfpunks lebten den Wahn, genossen das Musikerglück. Der Absturz von Sänger Matthias Valentin bedeutete das jähe Ende der Band. Es zog ihm die Füße weg. Ob er zurück auf dieselben kommen kann, zeigt diese Musikdoku. KÖNIGE DER WELT ist so nah dran, so echt und ergreifend. Würde ich Maze auf der Straße treffen, ich würde ihn grüßen, weil ich das Gefühl habe: den kenn ich.
Die Doku zeigt sensationell zurückhaltend so viele Facetten seiner Person, die unlustige Seite des Rausches, die Freunde, die hilflos helfen wollen. Die alten Kumpel wagen jetzt mit ihrem labilen Sänger einen Neustart und auch bei Pictures, dem zweiten Band-Versuch, sieht man, wie viel die können. Jeder, der sich für das Musikgeschäft oder Drogen interessiert (Nirvana-Fans ausdrücklich inbegriffen), sollte sich das bei der Berlinale gefeierte Drama ansehen.
 


SAUERKRAUTKOMA
AB 09.08. // CINECITTA
Viermal hat der Franz (Sebastian Bezzel) bereits seltsame Fälle in der bayerischen Provinz gelöst. Doch jetzt wird ihm das Amt entzogen. Er muss ins verbrechenfreundlichere München, weil dahoam zu wenig passiert. Mit dem normalerweise wunderbaren, hier aber zum Rudiment verkommenen Simon Schwarz, lösen die Sheriffs von Niederkaltenkirchen die Frage, wie die Leiche in den Kofferraum vom Papa Eberhofer kommt. Der von Eisi Gulp gespielte Vater versteht mit seinem Auto keinen Spaß und ist fast das einzig Lustige in diesem zunehmend zähen fünften Bayern-Krimi, den ich angeschaut habe, weil ich dem lustigen Trailer auf den Leim gegangen bin. Neben einem sehr brutalen Fall ist da zu viel privater Kram, zu langatmige Heiratsanträge und Nebenbuhler. Plus bloßes Namedropping bei den Schauspielern, ohne wirkliche Rollen für sie zu haben. Aber solange Rita Falk weiterschreibt, werden die bayerischen Speisekarten verfilmt. 2,4 Millionen regional begeisterte Kinobesucher sind nicht so schnell satt zu kriegen. Und Sebastian Bezzel hat nach seinem „Tatort“-Dienst auch als Dorfpolizist einen sehr gut bezahlten Teilzeitjob.
 
 




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