Theater Fingerzeig im Juni

FREITAG, 1. JUNI 2018

#Bayerische Theatertage, #Dieter Stoll, #Gostner Hoftheater, #Opernhaus, #Staatstheater Nürnberg, #Stadttheater Fürth, #Tafelhalle, #Theater, #Theater Erlangen, #Theater Salz und Pfeffer

Das große Ära-Finale in Oper und Schauspiel am Nürnberger Staatstheater (zwei Dutzend Aufführungen haben bis Ende Juli nacheinander ihre letzte Vorstellung) und ein Sammelbecken fast sämtlicher Bühnen Bayerns vom wuchernden Dramen-Biotop München (Residenztheater, Kammerspiele, Volkstheater, Staatsoper, Komödie Bayerischer Hof, Falckenberg-Schule, Everding-Akademie, Gärtnerplatztheater, Metropol) bis zu den abseits blühenden „Provinz“-Institutionen zwischen Wasserburg, Hof, Landshut und Memmingen fürs wandernde LandesFestival im 36. Jahrgang mit Standort 2018 in Fürth: Im Juni sind die Spielplan-Schwerpunkte der Region eindeutig fixiert und dabei so vielseitig wie selten.

GEBALLTER ÜBERMUT IN FÜRTH UND LANGES ABSCHIEDSSPALIER IN NÜRNBERG

Man kann also gerührt Abschied nehmen von der ortsbezogenen Erfahrung und/oder den Rundblick auf den aktuellen großflächigen Kunstbetriebsjahrgang in ausgewählt anreisender Gastspielballung im Zugriff auf einmalig stattfindende Vorstellungen wagen. So oder so, die One-Abend-Stands werden mit letzten Heimpremieren ergänzt, es wird viel gesungen (zusätzlich von Schauspielern in Nürnberg und Erlangen) und getanzt (von Akteuren aus München, Hof, Coburg) und neben hier bislang unbekannten, überraschenden Stücktiteln (aus Bamberg, Memmingen, Augsburg) tauchen mehrere Regie-Namen auf, über die in den letzten Monaten diskutiert wurde. Etwa Sibylle Broll-Pape, die das Bamberger Theaterleben aufmischt, oder Kathrin Mädler, die in Nürnberg mit Peter Weiss‘ „Ermittlung“ auf dem Reichsparteitagsgelände unvergessen ist und nun das Landestheater Schwaben zu neuen Zielen führt. Reizvolle Auswahl für Neugierige.


STAATSTHEATER NÜRNBERG

PREMIERE: Eine Menschheitsdelegation soll ins All geschossen werden, um dort „in anderen Welten“ auf diversen Planeten neue Zeiten anzusteuern. Das Wagnis als Chance? Gibt es immer wieder, kommentieren die Autorinnen Bettina Ostermeier und Friederike Engel ihre Einladung zum Einstieg in den Charterflug zur RAUMSTATION SEHNSUCHT. Wo Hoffnung zu Gefühlsexplosionen, Bewegung zu Neuorientierung führt – egal ob es um den (jetzt bitte den Musikregler nach oben ziehen!) Flug in unendliche Weiten geht, oder bloß (leichtes Verhauchen!) um den Umzug nach Fürth. Fast jeder der Passagiere (zehn Schauspieler, sieben Musiker) bringt einen Lieblingssong mit, der zum kitzelnden Signal für den Wendepunkt werden soll. Mann mit Herz und Frau mit Huhn treffen sich da, Eine von Zweien und der ganz Andere sind dabei, Der ohne Platz und Die mit dem Ding drängeln auf der Startrampe. Bestens bekannte Gesangstalente aus dem Ensemble, von Elke Wollmann über Marco Steeger bis Josephine Köhler in Regie von Patricia Benecke und
surfend auf Bettina Ostermeiers süffigem Showklang-Design, starten durch.
Premiere: 2. Juni. Weitere Vorstellungen 5./10./11./16./21./22. Juni und 4./7./12./14. Juli im Schauspielhaus.

PREMIERE: Am Ende geht es zum Anfang. Mit der Produktion von Claudio Monteverdis DIE RÜCKKEHR DES ODYSSEUS – IL RITORNO D‘ULISSE IN PATRIA setzt Intendant Peter Theiler die Gründerjahre der Oper ins Licht des Gegenwartstheaters, das grade eben bei Zimmermanns „Soldaten“ so faszinierend flimmerte. Eine der ersten überlieferten Werke des weltweit wirkenden Musiktheaters, wie so viele im Spielplan der letzten Jahre (von Berlioz‘ „Die Trojaner“ bis Mozarts „Idomeneo“) aus der künstlerischen Faszinationsenergie zwischen antiker Ur-Dichtung und klingender Interpretation entstanden, steht für den Schlusspunkt. Beiläufig ist es auch ein letztes Beispiel für das besondere Kooperationsmodell, mit dem der Intendant Aufführungen ermöglichte, die er mit dem Nürnberger Budget sonst wohl nicht bewältigt hätte. Was da nun wirkliche Koproduktion war, Leasing-Kunst oder Adaption mit Freiraumpflege, muss nicht mehr geklärt werden. Auch Monteverdis „Odysseus“ hatte, wie schon die Kollegin „Norma“ aus dem Bellini-Fundus im Vorjahr, die echte Premiere bereits zuvor in Paris. Regisseurin Mariame Clément, von der wir am Opernhaus eine mittelprächtig inspirierte Version von Mozarts „Figaro“ sahen, arrangiert das Nürnberger Ensemble (Tenor-Talent Ilker Arcayürek in der Titelpartie, die routinierte Mezzosopranistin Jordanka Milkova als Penelope wiederkehrend) ins eigene Antiken-Konzept. Und weil Monteverdi mit seiner besonderen Charakterisierung von Hoffnungen und Schmerzen für den romantischen Standard von Opernmusikern zur Herausforderung wird, wurde mit dem Lautenspieler und Dirigenten Wolfgang Katschner ein Spezialist als Stil-Trainer fürs Pult engagiert.
Premiere: 3. Juni. Weitere Vorstellungen 5./14./17./27./30. Juni und 9./18. Juli im Opernhaus.

PREMIERE: Genau genommen müsste Ballettdirektor Goyo Montero in diesen Abschiedswochen am Staatstheater diskret zur Seite treten – er bleibt mit seiner kompletten Sparte als Einziger übrig, wenn im August die künstlerischen Chefs wechseln. Andererseits: 10 Jahre sind ja für sich genommen auch ein Anlass zum Feiern. Also nennt er seine Produktion auf dem Trittbrett kurzerhand DEKADE – ZEHN JAHRE BALLETT NÜRNBERG und verspricht beim Rückblick auf seine bisherige Nürnberger Zeit, der noch einiges folgen könnte, schon mal eine Serie von Zwischenbilanz-Überraschungen. An jedem der fünf Abende, an denen Ausschnitte aus mindestens 20 Premieren aufleuchten, wird es tanzende Figuren der Vergangenheit geben, und jede Vorstellung soll etwas anders aussehen.  
Premiere: 23. Juni. Weitere Vorstellungen 24./28./29. Juni und 2. Juli im Opernhaus.

PREMIERE: Zum großen Durchbruch für das ambitionierte Projekt „Talking about Borders“ ist es leider nicht gekommen, und jetzt läuft das Nürnberger Experiment mit jungen Autoren aus wechselnden Ländern Osteuropas mit der Realisierung des letzten Preisträgers aus. Die Kandidaten stammten im finalen Jahr aus Estland, Lettland und Litauen, und das Siegerstück wird seine Premiere dann in Regensburg, der neuen Wirkungsstätte von Klaus Kusenberg, erleben. Dem Gewinner von 2017, wo tschechische und slowakische AutorInnen ihre Dramen einreichen konnten, ist die letzte Saisonpremiere in der BlueBox reserviert: Roman Sikoras Vier-Personen-Stück EIN SCHLOSS AN DER LOIRE – nach „Life is Loading“, „Angry Bird“ und „Die Lotterie/Frauen des Krieges“ die vierte Uraufführung des Projekts, wird von Henri Hüster aus Hamburg inszeniert.
Premiere: 26. Juni. Weitere Vorstellungen 4., 6., 16. Juli in der BlueBox.

COMEBACK: Das nennt man Brückenschlag: Am Ende der Intendanz von Peter Theiler (der dann nach Dresden geht) kehrt für eine Aufführungsserie jene Produktion von Puccinis Opern-Thriller TOSCA zurück, mit der Nürnbergs künftiger Staatsintendant Jens-Daniel Herzog (der aus Dortmund kommt) 2012 als gastierender Psycho-Regisseur angenehm aufgefallen war. Sein bester Protagonist von damals, der Bariton Mikolaj Zalasinski in der Rolle des Super-Schurken Scarpia, ist wieder dabei. In der Titelpartie samt Tenor-Partner Cavaradossi sind Katrin Adel und David Yim neu, und auch am Pult feuert mit Guido Johannes Rumstadt ein anderer Maestro an.
Termine: 15./19. Juni, 8./14./19. Juli im Opernhaus.

PREMIERENFRISCH: An dieser Musikkomödie kann man ermessen, welche Bedeutung ein Opern-Bestseller für die Sparte haben kann. Mit DER BARBIER VON SEVILLA ist Giacchino Rossini, der in den letzten zehn Jahren in Nürnberg von allen denkbaren, auch weniger bekannten Seiten gezeigt wurde, wieder bei seinem stabilsten Evergreen angelangt – und wird garantiert über Jahre hinweg durch den Spielplan wandern. Für das unverwüstliche Stück (in Berlin ist es derzeit nebeneinander in drei fabelhaften Inszenierungen zu sehen – von Ruth Berghaus, Katharina Thalbach und Kirill Serebrennikov) hat Regisseur Josef Ernst Köpplinger von der Spitze des Münchner Gärtnerplatzes eine Vespa angemietet, also nahe Vergangenheit signalisiert, aber auch auf die jungen Sänger von 2018 und den Witz-Fundus der Buffo-Ewigkeit vertraut. Bariton Ludwig Mittelhammer ließ für die deftig spielfreudige Titelrolle die bisher bevorzugte Abendgarderobe aus der „Lustigen Witwe“ am Kleiderbügel, Tenor Martin Platz greift als Graf Almaviva mit Verführerpotenzial live nach der Klampfe, die kesse Rosina ist bei Ida Aldrian in guten Händen samt reizvoll timbrierter Kehle und Dirigent Volker Hiemeyer peilt den knallfrischen Rossini-Ton an. Eine typische durchgedrehte Rossini-Produktion – nicht unbedingt eine originelle.
Termine: 6./10./16./26. Juni und 3./5./15. Juli im Opernhaus.

PREMIERENFRISCH: Als Schauspielerin hat Adeline Schebesch von der klassischen Minna von Barnhelm bis zur souveränen Interpretin der nah an der Peinlichkeit blühenden „Vagina Monologe“ in Nürnberg alles gespielt. Als Autorin skizzierte sie bereits die „letzten Stunden“ der Marilyn Monroe, ehe jetzt ihr zweites Stück KÖRPER Uraufführung hatte. Ein Text für vier Personen, der dem Körperwahn der Diäten und Schönheits-OPs die Frage nach der Seele entgegenstellt.
Termine: 2./10. Juni und 7./14. Juli in der Blue Box.

SHAKESPEARE, WAS SONST: Der Ardenner Wald als Traumrevier der Gedankenfreiheit? In Shakespeares WIE ES EUCH GEFÄLLT, einer seiner schönsten melancholischen Komödien des genialen Dramatikers, hat Regisseur Frank Behnke das derzeitige Ensemble kurz vor seiner Auflösung noch einmal groß aufspielen lassen. Josephine Köhler ist eine himmlische Rosalinde, muss man sehen.
Termine: 6./9./14./17./24. Juni und 5./13./18. Juli im Schauspielhaus.

LETZTER AUFRUF: Dickes Buch für einen schmalen Abend: Tolstois Roman AUFERSTEHUNG, vorsichtig dramatisiert in der BlueBox (7. Juni) ++ Wird sicher nächstes Jahr wiederkommen: Goyo Monteros Dreier-Pack POWERHOUSE mit den international hoch notierten Choreographie-Partnern Hofesh Shetcher und Alexander Ekman im Opernhaus (2./4./8. Juni) ++ Der Sprachfehler als Stimmungsaufheller: Die Karnevals-Posse PENSION SCHÖLLER mit tollkühner Ernsthaftigkeit von Regisseurin Bernadette Sonnenbichler mit willigem Ensemble auf den Komiker-Siedepunkt gebracht im Schauspielhaus (26. Juni) ++ Statt Requiem ein bunter Abend: Mit EWIG JUNG, der in die eigene Zukunft am Rande der Vergangenheit grapschenden Impro-Show im Künstlerseniorenheim, ist dem Ensemble ein umjubelter Dauererfolg zum Mitlachen, Mitsingen, Mitfühlen geglückt (jetzt nur noch am 1. Juli im Schauspielhaus).

STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de


GOSTNER HOFTHEATER

COMEBACK: Ein komisches Stück über traurige Tatsachen: Duncan Macmillan, der in seinem Monolog ALL DAS SCHÖNE viel wagt, indem er das lauernde Ungeheuer der Depression auf die Bühne holt. Ein Kind reagiert auf den Selbstmordversuch der Mutter, indem es gegen alle Hoffnungslosigkeit auf länger und länger werdender Liste notiert, was lebenswert ist. Ein Solo (es spielt Gerd Beyer, in Erlangen ist parallel Ralph Jung mit diesem unsentimentalen Text zu sehen), in dem die Zuschauer immer mal aufgefordert werden, eine kleine Rolle zu übernehmen – und so sehen können, wie nah sie dem Thema nicht nur räumlich sind. Daraus wird nach Einschätzung jubelnder Kritiker „im Todernst“ eines der komischsten Mono-Dramen überhaupt.
Termine:  7./8./9./14./15./16. Juni im  Loft des Gostner Hoftheaters.

PREMIERE: Mehr als fünfzig Stücke hat der Engländer Mike Kenny geschrieben, Jugendliche sind sein bevorzugtes Zielpublikum. In DER JUNGE MIT DEM KOFFER ist die Postkarte des geflüchteten Bruders vom andern Ende der Erde die einzige Hoffnung für Naz, der den Terrorismus in seiner Heimat nicht mehr aushält. Seine Phantasie klammert an die Story von Sindbads sieben Reisen, selbst wenn der Traum vom Westen längst zur Illusion geworden ist. Gostner und Staatstheater sind vereint bei der Realisierung dieser Geschichte, Marco Steeger führt Regie und hat mit Helwig Arenz, Johanna Steinhauser, Thomas Witte und Frank Casali ein prächtiges Ensemble.
Premiere: 20. Juni. Weitere Vorstellungen bis 29. Juni im Hubertussaal.

GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nürnberg
gostner.de


TAFELHALLE

PROJEKT: Mit Gastspielen aus Düsseldorf, Berlin und Leipzig wird ein TANZ.TAUSCH.WEEKEND ausgerufen: Drei Tage Performance-Formate aller Art. DA.DA.IST. – WIR SIND. DU BIST NICHT ALLEIN betiteln WildeVerwandteProduktionen/Hartmann Mueller aus Düsseldorf ihren Auftritt (8. Juni), aus Leipzig bzw. Berlin kommen PLAN MEE, NIR DE VOLFF, TOTAL BRUTAL (9. Juni) und im Vorspann mit dem Titel TANZ.RAPID (7. Juni) treten neun Kurzperformances der Region von co>labs bis curtis & co. zum Mosaik-Aktionismus an.

PREMIERE: Wie Kinder zu ihrem Weltbild kommen, fragen Alexandra Rauh und Gunnar Seidel in ihrem Projekt MORPH!, das quer durch mehrere Generationen fegt. Väter, Mütter, Omas, Opas, Kind und Kegel. Wie entsteht Geborgenheit, wann werden Traditionen zu Zwängen? Ein „generationsübergreifendes Ensemble“ umtanzt die Materialsammlung – und die beiden Initiatoren laden ein, noch Erfahrungen einzubringen.
Premiere: 17. Juni, 15 Uhr in der Tafelhalle.

TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de


THEATER SALZ UND PFEFFER

EHRENRUNDE: Bei einer Tasse Tee hat der Mörder keine Chance: Agatha Christies Welterfolg DIE MAUSEFALLE in der Puppenspiel-Fassung von Wally und Paul Schmidt ist inzwischen ein Dauerläufer im Abendspielplan am Plärrer. Wiederkehr der very british unterhaltenden Krimikomödie, die das Böse im Griff hat.
Termine: 15./16. Juni im Theater Salz und Pfeffer.

PREMIERE: Um eine Verfolgungsjagd vom Allgäu an die Ostsee geht es in RITA UND DIE ZÄRTLICHKEIT DER PLANIERRAUPE, wo ein Mädchen ihre Liebe zum Dorfdeppen entdeckt, der aber in Wirklichkeit ein Philosoph ist. Die Kiesgrube und das schwere Gerät, das an einem Präzisionsplanierwettbewerb teilnimmt, gehören zur Story, die vor allem direkt aufs Herz der Zuschauer zielt. Kabarettist Jockel Tschiersch schrieb den wunderbaren Roman vom Fortgehen und Ankommen, der das Team von Salz & Pfeffer inspirierte.
Pemiere: 13. Juli. Weitere Vorstellungen 14./20. Juli

THEATER SALZ UND PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
salzundpfeffertheater.de


THEATER ERLANGEN

PREMIERE: Talent muss man nutzen, also setzt das Erlanger Theater die besondere Gesangsbegabung seines Ensembles mit einem weiteren szenischen Songabend ein. Diesmal wird unter dem Titel I‘M A LOSER ein „Summer of Music“ (frei nach dem 1968er „Summer of Love“) ausgerufen. Neben Ohrwürmern von Udo Lindenberg bis Johnny Cash sind Schlagzeug-Soli und Gitarren-Riffs inbegriffen. Und es ist Sommer, also wird unter freiem Himmel im Theaterhof gefeiert.
Premiere: 7. Juni. Weitere Vorstellungen 4./15./16./17./22./23. und 24. Juni im Theaterhof.

PREMIERE: Bei der letzten Bühnenproduktion der Saison übernimmt Intendantin Katja Ott selbst die Regie. PARADIES SPIELEN (ABENDLAND. EIN ABGESANG) nennt Autor Thomas Köck den letzten Teil seiner „Klima-Trilogie“, von der bereits anderswo „paradies fluten“ und „paradies hungern“ existieren. Hier ver-schränkt er die Lebensgeschichten von fünf Zugpassagieren mit denen von anderen Zufallspersonen. Man steht mit ihnen am Krankenbett oder macht sich an ihrer Seite von China aus auf den Weg ins Einwandererland Italien. Ein Gesellschaftsbild, das dem Kollaps entgegen trudelt. Der Text, der in Erlangen vorgestellt wird, wurde inzwischen für den Mülheimer Dramatiker-Preis nominiert.
Premiere: 29. Juni. Weitere Vorstellungen 8. und 9. Juli im Markgrafentheater

GASTSPIEL: Was passiert, wenn Realität einfach mal auf den Kopf gestellt wird – etwa in der Behauptung, dass es stockdunkel ist auf der Bühne, aber der Zuschauer, und nur er, alles sieht, was da passiert? Der britische Boulevardtheater-Meister Peter Shaffer, 2016 verstorben und schon durch sein Mozart-Stück „Amadeus“ für die Ewigkeit bestimmt, hat 1965 aus der Idee des besseren Durchblicks mit KOMÖDIE IM DUNKELN einen sensationellen Bühnenerfolg gebastelt, so komisch absurd, dass ihn damals alle spielen wollten, um sich und ihr Ansprüche an die hehre Kunst gleichzeitig wegzuschmeißen vor Lachen. Das Landestheater Neuss wagt die Wiedervorlage. Ob es noch funktioniert? 12. Juni im Markgrafentheater.

THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de


STADTTHEATER FÜRTH / BAYERISCHE THEATERTAGE

Zur großen Leistungsschau ihrer jeweils besten Jahrgangsproduktionen haben sich die Bayerischen Theatertage in 35 Jahren leider nie hochgerappelt. Jedes Ensemble schickt eine Aufführung nach eigener Wahl, und das bedeutet zuverlässig, dass die kleinsten Bühnen den größten Ehrgeiz entwickeln – und umgekehrt aber die „Großen“ tatsächlich eher mit kleiner Münze zahlen. Keines der zwei als „herausragend“ zum Berliner Theatertreffen 2018 im Mai geladenen Stücke der Münchner Kammerspiele kommt nach Fürth, das Staatsschauspiel Residenztheater wie das Staatstheater Nürnberg grüßen mit Studioprodukten. Schade! Es entsteht dennoch viel Spielraum zwischen Stadttheater und Kulturforum. So tendenziell mehrdeutig wünscht man Theater ja eigentlich sowieso immer: Wenn sich die Bühnen des Freistaats an 18 Juni-Tagen für die 36. BAYERISCHEN THEATERTAGE treffen, steht als Motto in großen Lettern „ÜBER MUT“ auf Programmen und Plakaten. Eine Hommage an den Mut? Warum nicht, aber noch lieber sollten die beiden Worte energisch zu einem Begriff zusammengeschoben werden: „ÜBERMUT“ tut Festivals gut! Vielleicht findet man im Durchforsten des mindestens 70 reizvolle Punkte umfassenden Spielplans eine passende Spur, die aufregende Erlebnisse zum individuellen Programmpaket erschließt.
Tipps nach Stichworten:

DIE SPITZENREITER: Das Staatsschauspiel München zeigt Michel Decars PHILIPP LAHM, was kein Promiporträt mit Dialogflanken ist, sondern Zeitgeistprojektionsfläche mit und um Gunther Eckes in der Kicker-Spiegelung (10. Juni) ++ Die Kammerspiele München schicken Verena Regensburgers Assistenten-Abschlussprojekt, in dem sie mit dem Ensemble das Phänomen LUEGEN untersuchte (16. Juni) und will mit MIUNIKH - DAMASKUS „Stadtgeschichten“ im öffentlichen Raum bewegen (17. Juni) ++ Das Staatstheater am Gärtnerplatz reist mit Udo Zimmermanns Kammeroper WEISSE ROSE, die einst auch in Nürnberg beeindruckte, an; einer opernweltweit erfolgreichen Hommage an die Geschwister Scholl. ++ Die Bayerische Staatsoper hat ein Ensemble „mit junge Geflüchteten und Münchnern mit und ohne Migrationshintergrund“ fürs Projekt MOSES engagiert und kommt mit dieser Uraufführung ohne Goldkehlchen-Gezwitscher. „Auf unserer Flucht hat niemand das Meer geteilt“, sagt und singt ein Zeitzeuge (7. Juni). Nürnberg übrigens, das beim letzten Bayern-Festival in Fürth mit der Mittelpunktproduktion „Verbrennungen“ den ersten Preis gewann, schickt mit LIFE IS LOADING (18. Juni) diesmal nur einen Studioableger in die Nachbarstadt, verzichtet auf die große Bühne und landet im Kulturforum.

GEGENWARTSTHEATER: Das war zu Ronald Reagans konservativsten Politzeiten und der weltweiten Verunsicherung durch Aids das damals skandalträchtigste US-Welttheater und wurde 1996 in Michael Blumenthals feinfühliger Inszenierung auch in Nürnberg heftig diskutiert. Am Bamberger Theater sucht nun, 22 Jahre später, Sibylle Broll-Pape in Tony Kushners ENGEL IN AMERIKA erneut die Gegenwart, nicht nur die amerikanische, und hofft auf Wirkung beim Zuschauer (9. Juni). ++ Aus dem Fundus der großen französischen Theatermacherin Ariane Mnouchkine schöpft Jochen Schölch am immer wieder respektablen Metropoltheater, wenn er in DIE LETZTE KARAWANSEREI die Fluchtwege der Gegenwart nachfühlt: „Lieber ertrinke ich in diesem Wasser als in meinen Tränen“ (12. Juni). ++ Magnus Vattrodts Sterbehilfe-Film EIN GROSSER AUFBRUCH als Diskussionsvorlage fürs Bühnendrama aus Regensburg um den letzten Willen und seine Zumutungen an Überlebende (15. Juni) ++ Turgay Nars DAS SPIEL DER SCHAHRAZAD variiert die Geschichte von 1001 Nacht brutal als Todesserie von Jungfrauen, die der König nach der Hochzeitsnacht umbringen lässt. Bis sich die Tochter seines Wesirs mutig wehrt. Aus Augsburg kommt die deutsche Erstaufführung der mit emanzipatorischer Sprengkraft aufgeladenen Märchen-Poesie (21. Juni). ++ Ein Hauch von Star-Auftritt: Mathieu Carrière, seit der Debütrolle in Schlöndorffs Film „Der junge Törless“ ein halbes Jahrhundert personifizierte Kinogeschichte, spielt mit Alexandra von Schwerin ein Dialog-Pingpong über die Untreue als Phänomen in Eric Assous‘ DIE WAHRHEIT UND NICHTS ALS DIE WAHRHEIT, Abstecher von der Komödie im Bayerischen Hof (13. Juni).

KLASSIKER: Großes Kino und kleines Puppenspiel ist aus Franz Kafkas DAS SCHLOSS schon geworden. Nicolas Charaux schuf mit dem Ensemble des Münchner Volkstheaters im Bühnenformat ein groteskes Konzentrat der Landvermesserparabel mit den gesammelten Bürokratie-Erfahrungen des Herrn K. (8. Juni). ++ Das Würzburger Mainfranken-Theater schickt Georg Büchners WOYZECK auf Schicksalsreise (18. Juni). ++ Michaela Domes spielt und singt noch einmal die Titelrolle in Bert Brechts MUTTER COURAGE UND IHRE KINDER, aus dem Spielplan des Festival-Gastgebers (6. Juni). ++ Fast schon eine Rarität, das geschliffene Bonmot-Theater des Oscar Wilde, das mit seinen amüsanten Dialogen etwas aus der Mode gekommen ist. Zu Unrecht? Bei LADY WINDERMERES FÄCHER vom Theater an der Rott kann man es nachprüfen (19. Juni).

PROJEKTE: Aus Prozessakten und Zeugenaussagen und einer Romanbiografie entstand das Dokutheater NEBEL IM AUGUST, das die Euthanasie während der Jahre des Nationalsozialismus an einem Beispiel zeigt: „Der Fall Ernst Lossa vor Gericht“. Kathrin Mädler inszenierte die Annäherung an ein Stück verdrängter Schreckenswahrheit für ihr Theater Memmingen (17. Juni). ++ „Du bist das Produkt“, sagt Hans-Werner Kroesinger, der für seine eigene Art von Enthüllungsdramatik in #MEINUNGSMACHER die Verarbeitung unserer Daten überprüft, den „analogen Menschenverstand“ mobilisieren will (11. Juni). ++ Öffentliches Nachdenken über schmelzende Gletscher und schwimmenden Plastikmüll hat Mia Constantine am Theater Ingolstadt zum Aufruf RETTE WELT WER KANN verdichtet (19. Juni).  

TANZ: Aus dem Big-Brother-Klassiker wird dämonischer Tanz: George Orwells 1984 von Taakashi Yamamoto und Matthias Straub vom Landestheater Coburg (20. Juni). ++ Theatermacher Falk Richter, der in Berlin an der Schaubühne und am Gorki arbeitet und eben mit seiner Hamburger Jelinek-Produktion beim Berliner Theatertreffen geadelt wurde (aber im Vorjahr auch mit einer Deutschland-Premiere an der Tafelhalle) hat Tanz- und Sprechtheater für CLOSE UP kombiniert. An der Everding-Akademie setzte Katja Wachter das spartenübergreifende Projekt mit jungen Akteuren um (23. Juni). ++ Ein Dutzend TänzerInnen hatte Barbara Buser in Hof zur Verfügung, um Prokofjews eigentlich größer gedachtes Ballett ROMEO UND JULIA umzusetzen. Mit den Hofer Symphonikern als livehaftigen Soundtrack zeigt sie, wie Konzentration zu neuen Einblicken führt (22. Juni).

STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de




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