Claudias Kinoempfehlungen im Mai

DIENSTAG, 1. MAI 2018

#Casablanca, #Cinecitta, #Claudias Welt, #Film, #Kino, #Metropolis

Ganz viel oder eben überhaupt keine Hektik bestimmen unser Maiprogramm im Dunkeln. Und wie so oft im Leben gibt es positive Überraschungen, mit denen echt keiner gerechnet hätte.

ELEANOR UND COLETTE
AB 03.05. // CINECITTA
Bille August ist ein Träumer hinter der Kamera. Davor, und das ist eine schöne Mischung, erzählen zwei grandiose Schauspielerinnen eine wahre Geschichte. „Million Dollar Baby“ Hilary Swank ist die Anwältin und Helena Bonham Carter („The King's Speech“) eine psychisch kranke Frau, die gegen willkürliche Medikation von Seiten der Krankenhausärzte klagen will. Das tut sie mit all ihren Marotten und Rosenkränzen, aber auch mit einer erstaunlichen Wachheit. Hier wird Ende der Achtzigerjahre Großes verhandelt im Klinik-Besucherzimmer, in das sich die Anwältin schleichen muss, um mit ihrer Klientin zu sprechen. Und beim Sprechen findet diese kein Ende, sodass Hilary öfter in Hektik gerät und natürlich ihre anderen Pflichten vernachlässigt. Helena Bonham Carter lässt das Drama um Doktor Goliath, den diktatorischen Gott in Weiß, der die beiden mutigen Zwerginnen niederdrücken will, leben.
 



AUF DER JAGD
AB 10.05. // CINECITTA
Auf Hektik verzichtet Dokufilmerin Alice Agneskirchner, was auch ein bisschen daran liegt, dass man auf der Jagd sehr leise sein muss, auch mit Kamerabegleitung. Sie befragt Jäger und Leute, die sich einmischen. 30 Prozent der Fläche ist Wald in Deutschland, kann man also mal drüber reden, wer hier das Sagen hat. Was heißt denn Jagdgesetz und wer bestimmt, wie viel geschossen wird? Wie geht es der Gams und wie dem Wolf? Der ästhetische Film stellt ein paar spannende Fragen und lässt viel Raum für Notizen, Raum, den er mit stilvoll kreierten Bildern füllt. Sind wir alle viel zu Bambi-geprägt, was den Forst angeht, oder darf man an diese verschlossenen Jagdreviertüren durchaus mal anklopfen, um zu sehen, was da vor sich geht? Ich hatte den Eindruck, dass Jäger verzweifelt darum kämpfen, dass die anderen glauben sollen, dass sie doch eigentlich die Guten sind.
 


WOHNE LIEBER UNGEWÖHNLICH
AB 11.05. // CINECITTA
Kinder an die Macht, vor allem nach der Scheidung. Wer sagt eigentlich, dass die Kleinen immer von Papa zu Mama und zurück müssen? Klugscheißer Bastien verdreht nur die Augen, als seine Mutter – mal wieder – heiratet und behält recht. Nach drei Ehen hat Mama drei Kinder, da aber anderswo auch gepatchworkt wird, hat Bastien ungefähr sechs Geschwister. Mir gefällt das Wort Residenzstabilität und genau die fordern die Jungs und Mädls ein. In der Wohnung einer toten Oma (also die liegt da nicht mehr) quartieren sich die Kids ein, von denen ich auch am Ende trotz farblicher Hilfestellung nicht genau weiß, wer wohin gehört, aber egal. Elternpaare sollen abwechselnd in der Villa Kunterbunt übernachten. Obwohl dies ein französischer Film ist, begegnet uns hier nicht nur die überdrehte Komödienhektik, die diese Nation für unverzichtbar hält. Der Gedanke hinter dem Ganzen ist gut und vieles so nachvollziehbar, dass man sich ernsthaft fragt, warum dies nicht die Lösung ist, Kindern ein Zuhause zu geben mit Residenzstabilität (tolles Wort). Der Nachwuchs hat viel Verständnis für seine Eltern, durchschaut aber auch eine Menge. In der neuen Wohnlage findet sich Zeit, mal miteinander zu reden, sich kennenzulernen. Wecallit Sorgerechtsrevolution. Mehr dahinter, als nur ein paar Lacher.
 


AUGENBLICKE – GESICHTER EINER REISE
AB 25.05. // CASABLANCA & METROPOLIS
Ist das ein schönes Paar. Meine dreiste Prognose: Jeder verliert sein Herz an die 89-jährige Dame und den Streetart Artist, die hier Hand in Hand durch ihren Film flanieren. Zwei intelligenten und kreativen Menschen zuzusehen, ist ein Vergnügen. Und ich liebe die Kunst von JR, der seine Fotoideen ausgedruckt mit Tapetenkleister an große Gebäude anpasst. Regie-Ikone Agnès Varda kommentiert oder übernimmt die Initiative. Auf Reisen mit dem Fotomobil erzählen sie die Geschichten derer, die sie treffen, und kratzen auch an ihren eigenen Mauern. Das Technische interessiert nicht weiter, es geht ums Zwischenmenschliche, während beide von der Provence zur Normandie touren und Bauern, Kämpfern und redlichen Arbeitern kurz mal ein Denkmal setzen. Und dann nehmen sie sich selbst ins Visier. Danke, dass ich dabei sein durfte bei dieser Reise, die für den Oscar nominiert war, wobei ich gar nicht sicher bin, ob man so viel Poesie noch als Doku bezeichnen kann. Mein Tipp!
 


BACK FOR GOOD
AB 31.05. // METROPOLIS
Präsent bleiben! Aus der Entzugsklinik direkt in den Dschungel. So sehen Lebensplanungen aus, wenn man an seine Zeit als Topmodel-Bachelor-Whatever-Kandidatin anknüpfen möchte. So plant auch unser Sternchen Angie (Kim Riedle), kommt aber nicht mal bei einer Freundin auf der Couch unter und muss so, relativ pleite, zurück nach Hause. Auf dem Kaff verquickt die Trash-Blondine Termine und Familienalltag. Dass ihre Affäre ihr Manager ist, der gerade seiner Frau ein Kind gemacht hat, wirkt sich ebenso wenig positiv aus wie das angespannte Verhältnis zu ihrer Mutter (Juliane Köhler).
Trotz all dieser Reibungsverluste will Angie wenigstens ihrer kleinen Schwester Kiki (Leonie Wesselow) aus ihrem Welpendasein helfen. Wegen – seltener – epileptischer Anfälle trägt Kiki einen Schutzhelm, darf keinen Schritt alleine tun. Neuregisseurin Mia Spengler schaffte es ins Programm der Berlinale und noch viel mehr.
BACK FOR GOOD wird immer besser, geht unerwartet in die Tiefe. Das ist der beste Film des Monats. Und Kim Riedle werde ich mir merken.
 
 




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