Erzähl mir was ... Homunculus Verlag
#Desi, #Kolumne, #Lara Sielmann, #Lesung, #Literatur, #Z-Bau, #Zentralcafé
Seit 2015 steht der Indie-Verlag aus Erlangen für hochwertige Literatur und ausgefallene Nonbook-Artikel, getreu dem Motto: „Besonderes lesen!“. Für sein Engagement rund ums Lesen und die Literatur erhielt Homunculus 2016 den Kulturpreis der mittelfränkischen Wirtschaft. Lara Sielmann im Gespräch mit dem Verleger und Autor Philip Krömer auf der Leipziger Buchmesse 2018.
Hunderttausende Literatur- und BuchliebhaberInnen strömen Mitte März nach Leipzig, wenn aus dem gesamten deutschsprachigen Raum und darüberhinaus Verlage, AutorenInnen, Presseinstitutionen uvm. auf der Leipziger Buchmesse zusammenkommen, wie zuletzt vom15. bis zum 18.03.2018. Und das hat Tradition, lädt die Messe seit dem 17. Jahrhundert ein und stellt das literarische Frühjahrsprogramm vor (für den Herbst ist dann die Frankfurter Buchmesse zuständig). Auch außerhalb des Messegeländes finden Lesungen und ein erweitertes Literaturprogramm statt, wie die Lange Leipziger Lesenacht.
Vom Selbstverlag zum Zeitungsmogul, etablierten deutschsprachigen sowie Indieverlagen, zur Literatur aus aller Welt und und und, die Buchmesse meint es ernst, und so kann man locker die vier Tage dort verbringen und immer noch was Neues entdecken (auch wenn ich davon abrate, die Luft ist nicht die allerbeste), wie den „Homunculus Verlag“* aus Erlangen.
[* lat. Homunculus: Die Bezeichnung stammt aus der Alchemie und bedeutet einen künstlich erschaffenen Menschen. In der Literatur finden sich Homunculi mannigfaltig, wie bei Goethes Faust Teil 2 oder als Frankensteins Monster bei Marry Shelley]
Seit 2015 verlegen Laura Jacobi, Sebastian Frenzel, Joseph F. E. Reinthaler und Philip Krömer (Gegenwarts-) Literatur und Nonbooks wie Literaturspiele – fest im Programm ist auch die Anthologie „Seitenstechen“. Unter wechselnden Motti schreiben sie diese jährlich aus und bekommen Texteinsendungen von bekannteren und unbekannteren AutorInnen. „Wir sind ein kleiner Verlag und können uns auch ausgefalleneren Projekten widmen“, erzählt Philip Krömer auf den knapp 4qm ihres Messestandes. Sie stehen direkt gegenüber der Leseinsel Junge Verlage, die fast rund um die Uhr zu Lesungen größerer und kleinerer Indieverlage wie dem Verbrecher oder eben dem Homunculus Verlag einlädt. Ein guter Ort, um sich einen Überblick über das aktuelle Programm der unabhängigen Szene zu verschaffen und Gesichter zu Namen kennenzulernen, die man sonst nur vom Buchdeckeln kennt.
Im Germanistik-Studium in Erlangen haben sich die vier kennengelernt und irgendwann das Diskutieren angefangen über die Literaturszene vor Ort und kamen zu dem Schluss, dass sich was ändern muss. „Es gab eigentlich nur das Poetenfest in Erlangen, und als größeren Veranstaltungsort das E-Werk, das dann aber eher zu Autoren wie Wladimir Kaminer einlädt, weniger zur Off-Literatur“. Der Ende 20-jährige Krömer ist auch selbst Autor, und gewann 2015 u.a. den TAZ-Publikumspreis des Open Mike, der wichtigste Literaturnachwuchswettberwerb in Deutschland. Mit dem Homunculus Verlag haben die jungen VerlegerInnen ein echtes Kulturgut geschaffen, gleicht die fränkische Literaturlandschaft sonst eher einem Brachland. Mit wenig Förderungen und keinem festen Büro arbeiten sie tagtäglich an ihrem Verlag, „Es ist natürlich wahnsinnig schade, wie wenig passiert, wobei man in Erlangen Geistes- und sogar Buchwissenschaften studieren kann. Aber die guten Leute, wie Autoren oder angehende Verleger, entscheiden sich eher dafür, nach München oder Berlin zu ziehen, wo es Töpfe für Literatur gibt und vor allem eine Szene. Wir haben ja nicht mal ein Literaturhaus oder anerkannte regionale Preise. Da muss eigentlich ein Gegenpol geschaffen werden, schließlich ist Literatur eine ganz wichtige Säule der Kultur. Wo wären wir denn ohne sie?“ Verlassen möchten sie Franken dennoch nicht, fühlen sie sich wohl in Erlangen und zumindest der überregionale Literaturbetrieb gibt ihnen Recht, haben sie es innerhalb kürzester Zeit geschafft, sich als Indieverlag mit Profil zu etablieren. Und das merkt man auch in Leipzig, wo sie verschiedene Lesungen veranstalten und Neuerscheinungen präsentieren. Ein guter Zeitpunkt also auch für die regionale Kulturlandschaft, das anzuerkennen und nachhaltig zu fördern, damit sich jene brache Landschafte in eine fruchtbare verwandeln kann, in der Literaturschaffende gerne leben und arbeiten, ohne dabei die großen Städte missen zu müssen – dafür sind ja die Messen da, die auch dem fachinternen Austausch dienen.
homunculus-verlag.de
LARAS DREIERLEI VOM BUCH IM APRIL
CURT PRÄSENTIERT
MAREN KAMES: HALB TAUBE HALB PFAU
DIENSTAG, 03.04. // Z-BAU – ERSATZTERMIN FÜR JANUAR
Die Autorin Maren Kames entwirft in ihrem Debüt „halb taube halb pfau“ eine Landschaft, die erst erkundet wird, deren Grenzen erst gesucht werden müssen. Ein Ich tastet sich voran, macht aus dem Unwägbaren etwas sichtbar, fühlbar, indem es Dinge mit Worten benennt, die die Leere behutsam füllen. Doch die Unsicherheit bleibt, wie Schollen tauchen Texte auf und wieder ab, überlappen sich und brechen wieder auseinander, verzerren das Bild oder lassen es wieder verschwinden, um mit der Stille das Nichts zu umreißen. Der stark durchgearbeitete Text bewegt sich an der Schwelle zwischen Lyrik und Prosa und arbeitet an verschiedenen Stellen mit Sound.
JONAS ENGELMANN: WURZELLOSE KOSMOPOLITEN
DONNERSTAG, 19.04. // DESI
Jonas Engelmann erzählt von der osteuropäisch-jüdischen Kultur vor der Shoah, den fliegenden Luftmenschen bei Bruno Schulz oder Franz Kafka, den kabbalistischen Golems und den jüdischen Gangstern Isaak Babels. Die Geister der jüdischen Kulturgeschichte spuken durch die Kunst, in ihren Verwandlungen erscheint möglich, was in der Realität meist eine Utopie bleibt: die Mechanismen der Ausgrenzung und des Antisemitismus ins Leere laufen zu lassen, vor ihnen davon zu schweben und zum Luftmenschen zu werden.
KATHARINA HAUSLADEN: GEMISCHTES DOPPEL
MONTAG, 30.04. // ZENTRALCAFÉ
Wenn heute PopmusikerInnen wie Shabbaz Palaces die Diskriminierung von people of color anklagen oder wie Inga Copeland die normative Selbstoptimierung des Neoliberalismus ad absurdum führen, kann dies ganz im Sinne einer Aktualisierung popmusikalischer Repräsentationskritik gelesen werden. Worin aber unterscheidet sich diese vom repräsentationskritischen Ruf der Neuen Rechten und wie verhält sich der gesellschaftliche Impact einer sozialen Bewegung wie #MeToo zur Norm der Stimmabgabe in Social Media? Die Kulturwissenschaftlerin Katharina Hausladen geht diesen Fragen in ihrem Vortrag nach. In der Vortragsreihe „Popgesellschaft“.
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LARA SIELMANN, geboren und aufgewachsen in Berlin, arbeitet als Kulturschaffende und Journalistin in Nürnberg. Für curt schreibt sie seit Februar. Lara freut sich über themenbezogene Fragen, Anregungen und Tipps – einfach per E-Mail an
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