Theater Wegweiser März
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Das Nürnberger Schauspiel-Ensemble von Klaus Kusenberg holt erst mal tief Luft für den Endspurt, aber Gastspiele in Fürth und Erlangen springen gerne mit zwei Stücken der französischen Star-Autorin Yasmina Reza in die Premieren-Lücke. Es gibt wahlweise auch einen hochqualifizierten „Wut“-Anfall der nobelpreisgekrönten Elfriede Jelinek in Gostenhof oder die letzte Zigarette für „Die Jungfrau von Orleans“ am Richard-Wagner-Platz.
Und Grusel-Doktor Frankenstein, den man zuletzt beim Puppentheater am Plärrer sah, bittet mit dem Setanztheater in voller Androiden-Körpergrösse zum schockierenden Lokaltermin in die Tafelhalle: „In Franken bei den Steins“. Der Höhepunkt im März-Programm ist allerdings einsame Spitze: Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“, das vielleicht anspruchsvollste Musiktheaterstück des 20. Jahrhunderts, erlebt nach 44 Jahren die zweite Nürnberger Premiere. Damals bei der ersten war das Publikum schlichtweg perplex.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
PREMIERE:
Einen endlosen Zug der Gefallenen und wie gebannt in den Untergang mitmarschierende Soldaten – das hat Bernd Alois Zimmermann für das Finale seines epochalen Werkes, das distanzierte „Oper“ zu raumgreifendem „Musiktheater“ mutieren ließ, vorgeschrieben. In Nürnberg wird das Publikum bei sechs Vorstellungen im März/April an dieser Stelle aus dem gepolsterten Schutzraum des nachfühlenden Abo-Voyeurs mitten in die Szene geholt. Für die letzten 20 Minuten sollen die gut tausend Zuschauer aus dem Parkett und den Rängen mit auf die Bühne kommen. In Peter Konwitschnys Inszenierung werden sie eins mit der Masse der Kunstfiguren, sozusagen vom Schicksal aufgesogen. Ein gewagtes poetisches Spektakel, das mit mehr als 120 Musikern sowie Chor, Statisterie und einem Ensemble von 25 Sänger-Solisten selbst Wagner-Dimensionen sprengt.
Zunächst mal galt Zimmermanns avantgardistische „große“ Oper DIE SOLDATEN nach der Geschichte vom Absturz eines gutbürgerlichen Mädchens und der gnadenlosen Vernichtungswucht der ihr Schicksal umkreisenden Gesellschaft, 1776 als „Komödie“ verfasst vom Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz, um 1960 den berühmtesten Dirigenten und selbst denen, die sie bestellt hatten, als einfach „unaufführbar“. Wolfgang Sawallisch, der später weltweit legendäre Münchner Staatsopern-Maestro, winkte ab. Der große Günter Wand, dessen Klassik-Interpretationen zu den ewigen Klang-Weltwundern gehörten, rief gar vor lauter empörter Ratlosigkeit sein Gürzenich-Orchester zum Boykott auf. Die Forderungen des Komponisten hatten für eine bis dahin unerhörte Montier-Technik nicht nur szenische Aufrüstung mit Filmen, sondern neben akustischen Zuspielungen auch Zersplitterung der Live-Musik in mehrere Orchester samt Schlagzeugern und Jazz-Combo verlangt. Das musste erst mal verdaut werden. Nachdem der mutige, später in Frankfurt zum Pionier des Musiktheaters aufsteigende Michael Gielen 1965 die Uraufführung gewagt und gegen viele Widerstände gewonnen hatte, trauten sich auch ein paar Kollegen. GMD Hans Gierster am Nürnberger Opernhaus etwa, der neun Jahre später die grade mal fünfte Produktion in der ewigen Rangliste eines Jahrhundert-Opus durchsetzte. Eine trotz vieler Kompromisse denkwürdige Aufführung in Regie von Hans-Peter Lehmann in einem Spielplan mit Luigi Nono, Hans-Werner Henze, György Ligeti und Isang Yun, wie er heutigen Theater-Managern unfassbar scheinen mag. Man muss freilich einräumen, dass die komplexe Partitur aus Simultan-Szenen hier wirklich nur mit vielen Abstrichen realisiert werden konnte. Wenn jetzt auf besonderen Wunsch von Regie-Sonderfall Peter Konwitschny (von ihm sahen wir in Nürnberg u.a. „Boris Godunow“ mit Puppentheater-Verstärkung, und seine „La traviata“ der wehenden Vorhänge und Gefühle kommt nächsten Monat wieder) die „Soldaten“ neu marschieren, könnte sein als Interpreten-Handschrift längst durchgesetzter Maximal-Minimalismus der deutlichen Metaphern in Zusammenhang mit dem sicheren Griff für Klang-Komplikationen bei GMD Marcus Bosch zum Spezial-Konzept werden. Mit dem Aufwand der aktuell am meisten Aufsehen erregend kolossalen Aufführungen bei den Salzburger Festspielen, der Ruhr-Triennale und der Münchner Staatsoper wird Nürnberg nicht konkurrieren können – aber eine pointiert auf den Kern der Sache zielende und damit eigenständig bedeutende Interpretation ist zu erwarten. Marcus Bosch hat damit die letzte Premiere im Opernhaus, und das dürfte nach dem „Ring des Nibelungen“ sein wichtigstes Nürnberger Projekt werden. Bei den Sängern geht die Intendanz auf Nummer sicher und hat eingekauft. Neben Jochen Kupfer und Antonio Yang aus dem Haus sind durchtrainierte Spezialisten gebucht, in der besonders schweren Sopran-Partie des abstürzenden Bürgermädchens Marie, das von einer gnadenlosen Gesellschaft vernichtet wird, tritt die dänische Koloratursopranistin Susanne Elmark an, die schon 2014 in Berlin die Rolle übernahm. 1974 war das in Nürnberg übrigens Ursula Wendt-Walther aus dem Ensemble.
Premiere: 17. März, weitere Vorstellungen 20. und 25. März, dann noch 8., 14. und 23. April im Opernhaus.
COMEBACK:
Nein, es ist nicht schon wieder Weihnachten! Auch wenn Goyo Monteros amüsant tiefsinnige Neudeutung von Tschaikowskys berühmtem Märchen-Ballett DER NUSSKNACKER, das sonst gerne am Christbaum angelehnt wird, unbedingt zu den schönen Bescherungen gehört. Die blühende Show passt durchaus zum Frühjahr. Vor knapp sieben Jahren, damals noch mitten in seiner frühen Nürnberger Positionsbestimmung, hat der Opernhaus-Chefchoreograph damit ein Manifest für umsichtige Aufbruchstimmung seiner bis heute (und inzwischen vom neuen Intendanten für weitere fünf Jahre) verlängerte Tanztheater-Arbeit geschaffen. Bei der Wiederkehr 2018 wird er ein völlig neues Ensemble für neun Vorstellungen durch schwarzromantische Fantasien führen. Der sonst oft so süßlich nachgeschmeckt wirkende Mädchentraum mit Spielzeug-Zauber ist zum spannenden Psycho-Spektakel voller dunkler Ahnungen geworden, das dem Zuschauer freie Wahl lässt zwischen mitgefühlter Seelenwanderung und ausgekosteter Grusel-Revue. Montero greift als Regisseur und Choreograph energisch ins Räderwerk der Nettigkeiten. Ein gespenstischer Reigen umkreist die Entwicklungssprünge, die aus dem herzlosen ein mitfühlendes Wesen, aus der Göre eine junge Frau machen. Statt der neckischen Hupf-Mäuse taucht ein monströser Rattenkönig auf, im mobilen Spiegelkabinett blitzen surreale Momentaufnahmen. Die 24 bestens aufeinander eingestellten Akteure finden im Massen-Pas-de-deux mit Gliederpuppe zu wunderbar vieldeutigen Bildern. Indem einige weniger bekannte Tschaikowski-Melodien in die Potpourri-Mechanik des Originals eingespeist sind, hört sich alles (live mit großem Orchester) manchmal wie runderneuert an. Ein Kunst-Stück, das 2011 überwältigend glückte, wird 2018 noch einmal gewagt.
Termine: 3., 10., 16., 18., 24., 27., 29. März, dann noch 1. und 6. April im Opernhaus.
PREMIERENFRISCH:
Wolfgang Borcherts tief ins Innerste bohrendes, als poetisches Dokument einer Zeit zwischen Ende und Anfang immer wieder gespieltes Kriegsheimkehrer-Drama DRAUSSEN VOR DER TÜR von 1947 sucht in der Bearbeitung von Regisseur Sascha Hawemann nicht nur den damaligen Zeitgeist als Zeugen verdrängter Vergangenheitsbewältigung, sondern den überzeitlichen „Protestschrei gegen den Krieg“. Der körperlich wie seelisch abgemagerte Beckmann mit der Notbrille, der zurück von der Front durch Ruinen-Straßen streifend den Sinn des Über-Lebens sucht, wird mit seiner Beschreibung „Wie die Fliegen kleben die Toten an den Wänden des 20. Jahrhunderts“ ins 21. Jahrhundert durchgereicht. Kommt er jetzt aus Aleppo oder aus der Ukraine? Der Regisseur, ein Verfechter des Zuspitzungstheaters (siehe: „Tod eines Handlungsreisenden“) sucht Abstand zur rückwärts gewandten Betroffenheitsnostalgie und arbeitet mit dem live auftretenden Komponisten und Musiker XELL. Das ist der an vielen großen Bühnen mit namhaften Regisseuren wirkende Alexander Xell Dafov, der klassisch ausgebildet Oboe spielt, aber auch ein Rock-Ensemble leitet und bekannt ist als Sounddesigner.
Von Basel über Antwerpen nach Nürnberg kam die multinational taugliche Inszenierung von Mozarts anspruchsvollem Antikendrama IDOMENEO, wie es der europaweit hoch notierte Regisseur David Bösch interpretierte: Aus dem Blickwinkel einer kindlich empfindsamen Welt, die schon mit ihrem Kita-Mobiliar die Heroen in die Knie zwingt. Ein Riesenoctopus wedelt dazu wie Poseidons missratenes Wappentier mit den Fangarmen. Die Übertragung auf die Nürnberger Bühne, die Einstudierung des komplett neuen Teams von Sängern (Ilker Arcayürek, Leah Gordon, Ida Aldrian) musste Bösch allerdings Assistenten überlassen, denn 24 Stunden vor der Nürnberger Mozart-Premiere hob sich am Akademietheater der Wiener Burg erstmals der Vorhang über seiner dortigen Schauspiel-Produktion von Williams‘ „Die Glasmenagerie“. Die großartige, wenn auch trotz eines unterhaltsamen Feuerwerks von Einfällen spröde bleibende Oper von der göttlichen Willkür, die unmenschliches Leid auslöst, gehört zu den bedeutendsten Nürnberger Aufführungen der letzten Jahre.
Aus Leo Tolstois personenreichem Roman AUFERSTEHUNG von 1899 für 2018 ein Kammerspiel für fünf Personen zu machen, muss man sich erst mal trauen. Regisseur Akin Isletme und Dramaturgin Friederike Engel wagten es und schauen mehr auf die Gesellschaft als aufs Gottvertrauen. Die herausgeschälte Handlung: Ein Fürst, der als Richter über die Moral einer Prostituierten urteilen muss, die er einst selbst verführte. Der Dichter als anklagender Philosoph lässt ihn geläutert in die Verbannung folgen und vergeblich gegen die schiefe Moral der Gesellschaft kämpfen. Russische Weltliteratur im kühlen 90-Minuten-Design des deutschen Gegenwartstheaters.
Auch die x-te regionale Bühnen-Version von Goethes Briefroman „Die Leiden des junge Werther“ (in Erlangen spielt Mario Neumann im dritten Jahr das Solo, im Hubertussaal des Gostner gastiert seit zwölf Jahren immer wieder der TV-Star Philipp Hochmair mit seiner grandiosen multimedialen Adaption) findet ihr Publikum. LIEBE. LEIDEN. WERTHER. steht über der Aufführung „nach Goethe“ mit Janco Lamprecht in der Rolle des Schwärmers.
Termine: „Idomeneo“ (4., 11., 26., 31. März, dann nur noch 17./28. April) im Opernhaus - „Draußen vor der Tür“ (3., 10., 16., 22., 29., 31. März) im Schauspielhaus - „Auferstehung“ (3., 31. März) in der BlueBox - „Liebe. Leiden. Werther“ (4., 14., 20. März) in der BlueBox.
LETZTER AUFRUF:
Ob Schillers Johanna, die der Wiener Burgtheater-Regisseur Peter Wittenberg am Schauspielhaus statt Henkersmahlzeit mit einer letzten Zigarette versorgt, danach den Scheiterhaufen oder bloß einen Aschenbecher sucht, war nach der Premiere eine der offenen Fragen. Jetzt nimmt DIE JUNGFRAU VON ORLEANS, die während der ganzen Aufführung mit Selfie-Kamera in ihre Seele oder zumindest in die seherisch geweiteten Augen blicken lässt, schon Abschied vom Spielplan. Lilly Gropper hantiert nochmal mit Schillers großen Dichter-Worten zur Bildbeschaffung. – Deutlich weniger himmelwärts ist der „Der Ball ist rund“-Blick in der Kicker-Umkleide gesteuert. In DER ROTE LÖWE von Patrick Marber, wo Trainer und Zeugwart beinhart um ein ballerndes Talent ringen, sind Fußballfans mit Hang zur Nordkurven-Prosa gut bedient. Frederic Bott, Marco Steeger und Frank Damerius kann man auch zu Repräsentanten von drei Sportlergenerationen dicht an der Abseitsfalle erklären. – Step und Show als Versuch einer Bilanz von zehn Nürnberger Jahren der Broadway-Oldie-Überwältigung: Gaines Hall als Schrittmacher (= Idee, Choreographie, Protagonist) der konsequent in die Vergangenheit gewandten Revue THE LIGHTS OF BROADWAY, wo es ruckzuck von einem Evergreen zum nächsten geht. Drei weitere Profis nebst Combo und eine Compagnie von acht quirligen Nachwuchstalenten sausen durch die Sahneschnittchen-Parade. Schade, dass die Tanzbein-Perfektion nicht bis in den Witz der Dialoge reicht.
Termine: „Die Jungfrau von Orleans“ (1., 15. März) im Schauspielhaus, „Der rote Löwe“ (2. März) Kammerspiele, „The Lights of Broadway“ (21., 23. März, dann nur noch 13. April) im Opernhaus.
DAUERLÄUFER & BESTSELLER:
Seit die „Sekretärinnen“ ihre Büro-Show einstellten, hat keine Evergreensammlung das Nürnberger Publikum so angemacht wie die Seniorensause EWIG JUNG. Malerisch gealterte Schauspieler mit Originalnamen als Insassen eines Künstler-Altersheims, die statt Senioren-Bingo ihre Rollator-Revue vehement durch Hitparaden und Arthroseblockaden steuern. Ein großer Spaß!
Auch komisch, obwohl manchmal etwas kalauer-verklemmt: PENSION SCHÖLLER aus dem Fundus des Karnevalhumors hat in der Nürnberger Inszenierung der fantasievollen Bernadette Sonnenbichler reizvolle Momente von nacktem Wahnwitz.
Ein Paar, das sich nach einem Jahrzehnt Trennung zu neuen Missverständnissen trifft: Adeline Schebesch und Michael Hochstrasser in GIFT. EINE EHEGESCHICHTE von Lot Vekemans, bestens in Wortgefecht-Form. Was Dagmar Manzel und Ulrich Matthes in Berlin Ruhm brachte, das können sie auch!
Statt „Lehrstück ohne Lehre“ ist Max Frischs BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER unter den Händen von Nürnbergs konsequentestem Zertrümmerungs-Regiepoeten Christoph Mehler („Woyzeck“, „1984“) nun also zur Wort-Oper ohne Gesang auf- oder umgestiegen. Das tut dem Text aus der ewig rotierenden Wiedervorlage der klassischen Moderne gut, zumal seine Aktualität auf diese Art in neuem Kreislauf zirkuliert. – Mit dem Erfolgs-Solo „Der Kontrabass“ kann sich EVENT von John Clancy durchaus messen. Sofern ein Darsteller wie Pius Maria Cüppers an der Bühnenrampe den spottenden Einzelgänger macht. Ein Entertainer sagt dem staunenden Publikum, dass er nichts zu sagen hat, dies aber gerne tut. – Die letzte von 27 Inszenierungen, mit denen Georg Schmiedleitner in Nürnberg ein eigenes Kapitel „Theatergeschichte“ schrieb. Mit Ödön von Horváths Beziehungsdrama vor Oktoberfest-Kulisse KASIMIR UND KAROLINE ist der Österreicher am Ende seiner 18 Nürnberger Jahre von der Oper wieder ganz ins Schauspiel zurückgekehrt. Es dürfte die letzte Tat vor Ort sein, sein Schwerpunkt liegt offenbar künftig eine Stufe höher in Stuttgart.
Termine: „Ewig jung“ (4., 19. März) im Schauspielhaus – „Pension Schöller“ (7., 13., 25., 28. März) im Schauspielhaus. – „Gift. Eine Ehegeschichte“ (8., 24. März) Kammerspiele – „Biedermann und die Brandstifter“ (1., 5. März) Kammerspiele – „Event“ (10. März) Kammerspiele. – „Kasimir und Karoline“ (2., 14., 20. März) im Schauspielhaus.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nbg
staatstheater-nuernberg.de
GOSTNER HOFTHEATER
GASTSPIEL:
Aus der persönlichen Familiengeschichte, den Neurosen der Eltern wie der Trauma-Sammlung der Großeltern und nicht zuletzt den eigenen Mätzchen, schöpfen Christoph Schüchner und Mareile Metzner aus Berlin mit ihrem satirischen Musiktheater an der Klampfe: NICHT VON SCHLECHTEN ELTERN. Ein Auftrieb der Stubendämonen vom Extremismus bis zur Heimatkunde, irgendwo zwischen Theater, Kabarett und Rundgesang verankert.
Termine: 7. bis 10. März im Gostner.
GASTSPIEL:
Die wortreichen Textflächen der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek beginnen ihr wahres Theaterleben immer erst mit den Proben eines Ensembles, das sich diesen Schwall von Gedanken zu Eigen macht. In Nürnberg sah man gut gelungene Beispiele wie „Die Kontrakte des Kaufmanns“ (2010, Tafelhalle) und „Die Schutzbefohlenen“ (2016, Schauspielhaus), jetzt holt das Gostner einen allseit gelobten Ausbruch von WUT für vier Abende nach Nürnberg. Was die österreichische Autorin mit ihrer Attacken-Munition aus Polemik und Pointen gegen eine rechtslastig werdende Welt und ihre neu wuchernde Bigotterie zu Papier brachte, wurde von Britta K. Schreiber (Regie und Ausstattung) am Zimmertheater Tübingen vom ursprünglichen Chorkollektiv zum Zwiegespräch umgeleitet. Spöttisch mit viel Ironie, von der Kritik als „große Inszenierung an einem kleinen Theater“ gefeiert.
Termine: 14./15./16./17. März im Gostner
GASTSPIEL:
Vor fünf Jahren gründete die Malerin Sascha Banck in Fürth das RGB-Ensemble, das sich ziemlich viel vorgenommen hat – nämlich die oft eher gegeneinander gerichteten Kunstformen Malerei, Tanz und Musik auf eine gleichberechtigt gemeinsame Ebene zu stellen. Das neue, bunt geratene Kollektivstück EIN MUSTER AUS AUGENBLICKEN soll Interaktion im „polyrhythmischen Geflecht von Bild-, Bewegungs- und Tonfolgen“ bringen. Neben den Banck-Projektionen und ihren flankierenden Kompositionen sind Tänzerin Tina Essl, Schlagzeuger Matthias Rosenbauer und Kontrabassist Ferdinand Roscher bei der Vereinigungs-Performance im Einsatz.
Termine: 21./22. März im Gostner.
GOSTNER HOFTHEATER
Austraße 70, Nürnberg
gostner.de
TAFELHALLE
PREMIERE:
Das Tanztheater von Sebastian Eilers, zuletzt mit „Frei und wild“ nach Ionescos einstigem Absurden-Bestseller „Die Nashörner“ aufgetreten, verläuft sich trotz solch ungewöhnlicher Favorisierung nie in avantgardistischen Sackgassen. Es lässt dem Spaß an der Bewegung viel Auslauf und baut dem Drama im Zweifelsfall gerne Notausgänge ins Skurrile. Der Kulturstiftung des Bundes war das für diese Saison besondere Förderung wert. Sicher auch, weil die Lust aufs originell Tragikomische mit sprühender Intelligenz entscheidend eingreift, sobald es zielsicher um den Weg durch dramaturgischen Wildwuchs geht. Das dürfte auch im aktuellen Fall IN FRANKEN BEI DEN STEINS so sein, wo das SETanztheater zur fröhlichen Verwirrung die Genrebezeichnung „(k)ein Science fiction“ an den Titel koppelt. Zwei global menschelnde Roboter ziehen als Haushaltshilfen bei der fränkischen Familie Stein ein und bringen deren schöne Ordnung durcheinander. Künstliche Intelligenzen, die 200 Jahre nach Mary Shellys Früh-Fantasy etwas anders aussehen als das steifbeinige Monster aus Opas Kino. Vier Akteure, viel Musik und schon mal schönen Gruß von den Androiden.
Premiere: 15. März, weitere Aufführungen 16./17. und 28./29. März in der Tafelhalle.
TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nbg
tafelhalle.de
KÜNSTLERHAUS
PREMIERE:
Von unserer Gegenwart als „Des-Informationszeitalter“ sprechen Alexandra Rauh und Gunnar Seidel, vom Wettbewerb der echten und alternativen Fakten, von der Wahrheit, die zur Glaubensfrage erklärt und damit verfügbar gemacht wird. Im Tanz-Stück TRIGGER beraubt ein Fünf-Personen-Ensemble dem Publikum seiner illusorischen Fähigkeit, klar zu sehen. Text, Klang, Action und pure Dunkelheit lockt die Wahrnehmung ins Reich des Spekulativen. Gefordert und gefördert wird die Lust auf „den zweiten Blick“. Und der Titel, der die Tradition strikt rätselhafter Überschriften im Tanztheater fortsetzt, betrifft den Auslöser von Affekten – sei es in der Medizin bei Krankheitssymptomen oder bei Waffen, wo es einfach um den Schuss geht.
Premiere: 1. März, weitere Vorstellungen 2./3./4. März im Künstlerhaus.
NÜRNBERG-PREMIERE:
Recherche-Theater, das aus gesammelten und analysierten Dokumenten auf der Bühne Stücke mit durchaus auch poetischem Ehrgeiz entwickelt, bietet das wandernde Brachland-Ensemble zur Diskussion. Weltweit geführte Interviews neben Statistiken und Videobotschaften sind der Rohstoff, aus dem der nur sehr naiv oder arg sarkastisch (aber vielleicht als Sondermischung aus beidem) zu interpretierende Titel REVOLUTION: ALLES WIRD GUT entstand. „Wer gibt in unserer Gesellschaft den Impuls, Dinge zum Guten zu ändern?“, fragt der Performance-Philosoph. Gunnar Seidel war hier mit Dominik Breuer für die Umwälz-Collage aus Erkenntnissen am Werk, ein Live-Quartett konkurriert mit Videoanimation. Nach der Entstehung am Theater in Aachen kommt die Produktion auf ihrer ersten Tour nach Nürnberg.
Premiere: 22. März, weitere Termine 23./24. März im Künstlerhaus.
WEITER IM ANGEBOT:
Ganz große Literatur auf kleinster Fläche: Tristan Vogt von Thalias Kompagnons zeigt am überschaubaren Spieltisch eine weitere Serie seiner handfesten Auseinandersetzung mit Dichterworten, um die sich Kunst-Kino und Groß-Bühne vergeblich bemühten. In KAFKAS SCHLOSS – EIN MACHTSPIELCHEN schiebt der Puppenspieler die Figuren durch ein Labyrinth von Rätseln und entdeckt dabei viel mehr vom grotesken Humor des Poeten als man das gewohnt ist. Eine der besonders gut gelungenen Produktionen im Kompagnons-Repertoire – das zwischen Tafelhalle und Künstlerhaus sein Stammquartier gefunden hat.
Termine: 28./29./31. März im Künstlerhaus.
KUNSTKULTURQUARTIER
Königstr. 93, Nbg
kunstkulturquartier.de
THEATER ERLANGEN
SPIELPLAN-WUNDERTÜTE:
Großes Stadttheater-Sortiment simuliert die Erlanger Intendantin Katja Ott, indem sie den Monatsspielplan zum gepflegten Repertoire-Rundblick macht. Nach der eben im Schatten der Nürnberger Schmiedleitner-Inszenierung entstandenen Alternativ-Inszenierung von Ödön von Horvaths bitterer Elegie KASIMIR UND KAROLINE (2./3. März) bleibt Friedrich Dürrenmatts unverwüstliche schwarze Komödie DIE PHYSIKER mit den Wissenschaftlern in der Heilanstalt weiter im Sortiment (7./8./19./20. März). Noch premierenfrisch ist die Uraufführung von Dokutheatermacher Hans Werner Kroesinger, der mit #MEINUNGSMACHER einen Diskussionsbeitrag zur anschwellenden Kommunikationskatastrophe der wankenden Zivilgesellschaft entwickelte (11./12. März). – Auch das Bühnencomeback des wohl gefühlvollsten Fassbinder-Films ANGST ESSEN SEELE AUF mit Lea Schmocker in der Brigitte-Mira-Rolle der Putzfrau, die noch einmal die Liebe entdeckt, macht eine weitere Runde im Markgrafentheater (24./25. März). In der Garage ist das Hörspieltheater-Format von Eike Hannemann nach Wolfgang Herrndorfs Bestseller TSCHICK wieder da (13./14./15. März), für DIE BLEICHEN FÜCHSE nach dem Roman von Yannick Haenel bleibt die Nachfrage groß (8./10. März), und die weitere Spielplan-Konkurrenz WERTHER, der Briefroman als Solo-Lauf, in Nürnberg eher „nach“ und hier eher „von“ Goethe, ist auch in der dritten Saison präsent, aber im März schon langfristig ausverkauft.
GASTSPIEL:
Hochkarätige Ergänzung des Angebots: Yasmina Rezas giftig fauchende Erfolgskomödie DER GOTT DES GEMETZELS, die in den Nürnberger Kammerspielen viele Jahre volles Haus garantierte, könnte in der Produktion des Leipziger Schauspiels ähnlich gut gelungen sein. Regisseur Enrico Lübbe, der Intendant in Sachsen, ist als ehemaliger Nürnberger Gastregisseur („Pornografie“, „Eine Familie“) in bester Erinnerung. Seine 80-Minuten-Fassung muss freilich, anders als bei Peter Hathazy 2006, gegen die Kinoversion von Roman Polanski aus dem Jahr 2011 bestehen.
Termin: 16. März, Markgrafentheater.
THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de
STADTTHEATER FÜRTH
GASTSPIELE:
Der internationale Kinostar Nina Hoss spielt seit der Uraufführung an der Berliner Schaubühne mit „Tatort“-Psychopath Mark Waschke die Hauptrollen in Yasmina Rezas Komödie BELLA FIGURA dort immer wieder. Eine Tournee-Aufführung mit diversen TV-Gesichtern versucht jetzt, dem großen Vorbild zu folgen: Julia Hansen, die neben diversen Filmen auch schon „Fair Lady“ und „Evita“ in ihrer Biografie untergebracht hat, spielt mit Heio von Stetten, der Dutzende von Krimis und Pilchers hinter sich hat. Und Doris Kunstmann übernimmt den Part der tüttelichen Seniorin.
Überhöhte Ideale von Makellosigkeit direkt aus der Werbung nimmt der zeitweise auf dem Weg zum weltweit dauerhaften Spielplan-Bestseller befindliche US-Amerikaner Neil LaBute in LIEBER SCHÖN aufs Korn. Die Aufführung mit Oliver Mommsen an der Spitze kommt vom eben in Auflösung befindlichen Theater am Kurfürstendamm und bietet eine Besetzung, die jeden Sitcom-Fan beim ersten Blick aufs Szenenfoto entzücken wird – auch wenn er nur die Gesichter, nicht aber die Namen der auftretenden Personen kennt.
Termine: „Bella Figura“ (8./9. März) – „Lieber schön“ (10./11. März) im Theater Fürth.
GASTSPIEL:
„Sunset Boulevard“, „Hair“ und „Hairspray“ sind in Fürth schon durch, jetzt soll ein weiteres „Musical nach Kultfilm“ den Kreisch-Effekt garantieren. Was John Landis 1970 mit den BLUES BROTHERS als Sprengstoff gegen den allzu guten Geschmack empfahl, wird mit vier Sängern, sieben Musikern, viel Videokulisse und einer echten Limousinenkarosserie in den Bühnenrahmen gestellt. Stimmbandakrobatik mit „Jailhouse Rock“ und „Stand By Your Man“ inbegriffen. Vom Leben der Kino-Komiker John Belushi und Dan Aykroyd, deren Outfit bis heute nachwirkt, und die mit ihren Jux-Rollen auch sonst in den ewigen Kultstatus stolperten, erzählt die Adaption von Ingmar Otto ganz nebenbei.
Termine: 15./16./17. März im Theater Fürth.
GASTSPIEL:
Wer weiß, wann diese emotionspralle Oper von Leos Janacek, von dem hier zuletzt „Aus einem Totenhaus“ zu sehen war, wieder mal in Nürnberg angesetzt wird (die Geschmäcker der Intendanten sind ja unberechenbar!), also ist das tschechische Original JENUFA sehr willkommen. Die Aufführung, die unter dem Absender Prag/Liberec reist, bleibt bei der vom Komponisten als Basismaterial der Musik eingesetzten Sprache und wird mit deutschen Übertiteln gezeigt.
Termin: 22. März im Theater Fürth.
STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth
stadttheater.fuerth.de
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