#NUE2025 auf dem Weg zur Kulturhauptstadt #5

DONNERSTAG, 29. JUNI 2017

##NUE2025, #Architektur, #Aufseßplatz, #Kultur, #Museum für Kommunikation, #Stadt Nürnberg

Nürnberg will Kulturhauptstadt 2025 werden – Dazu braucht es neben der Beteiligung der Stadtgesellschaft vor allem Ideen, Konzepte und Visionen. curt stellt jeden Monat Persönlichkeiten aus Kunst & Kultur vor, die sich genau darüber ihre Gedanken machen: Wie hält uns die Kultur zusammen? In welcher Stadt wollen wir in 10 oder 20 Jahren leben? Wie sieht unser Nürnberg 2025 aus? Denn es braucht Utopien, um unser Denken in neue Richtungen zu lenken! – Diesmal mit einem Beitrag von Marion Grether, Direktorin des Museums für Kommunikation ...

Seit dem 14. Dezember 2016 ist es offiziell: Nürnberg macht ernst mit der „Kulturhauptstadt-Sache“. Das Tolle ist: Man kann es eigentlich gar nicht verrocken. Egal, ob man am Ende 2025 die Siegerschale – sofern es so etwas gibt – in den Händen hält, oder man einfach „olympisch“ dabei war, die Denkprozesse, die Diskussionen und Reibungen darüber, wie Nürnberg in zehn bis zwanzig Jahren aussehen soll, was es lebenswerter machen kann und welche Wünsche und Veränderungen angestrebt werden sollen, werden unumkehrbar sein und frischen Wind in die Stadt bringen.

Dazu beglückwünsche ich die Nürnberger und alle, die daran teilhaben werden, schon mal prophylaktisch getreu dem Motto: Der Weg ist das Ziel.

ABER – es wird noch ein langer, langer Weg, bis man sich jubelnd in den Armen liegt und stolz den „Nürnberg Kulturhauptstadt 2025“-Button in Hochglanz auf jede Pommestüte, jedes Straßenschild und jeden Flyer kleben kann.

Wie ich den Diskussionsabenden entnehmen konnte, die Kulturreferentin Prof. Julia Lehner veranstaltet hat, sind sich erfrischenderweise alle darüber im Klaren, dass man mit den Pfunden, die Nürnberg für die abertausenden Touristen sehenswert machen und als „typisch Nürnberg“ das Marketing-Image der Stadt prägen, in diesem Wettbewerb nicht wuchern kann. Schöne Innenstadt, historische Bauten, tolle Festivals, ja selbst der Christkindlesmarkt, aus unserer lokalpatriotischen, aber natürlich vollkommen neutralen Ansicht nach, DER Weihnachtsmarkt schlechthin, haut es nicht raus, denn: Das haben alle anderen auch (zumindest behauptet das Dresden von sich).

Was also? Wie geht es und welche Anforderungen sind es denn, die man am Ende mit Bravour vorzeigen muss. Ein Blick ins Amtsblatt der Europäischen Union, transparent zum Download im Netz, gibt unter dem Beschluss Nr. 445/2014/EU des europäischen Parlamentes und des Rates vom 16. April 2014 erhellende Auskunft (zumindest bei dieser Recherche dürfte die deutsche Verwaltungsseele allen anderen Bewerberländern um Längen voraus sein). Hier wird man dann auch gleich auf der Suche nach dem Hauptkriterium fündig, was eine Stadt zur europäischen Kulturhauptstadt adelt. So heißt es: Die Aktionen sollen „den Reichtum und die Vielfalt der europäischen Kulturen sowie die Gemeinsamkeiten dieser Kulturen heraus[zu]stellen und einen Beitrag zum besseren, gegenseitigen Verstehen der europäischen Bürger [zu] leisten“. Das ist gut, sehr gut sogar! Denn in Nürnberg leben jetzt schon viele Kulturen friedlich zusammen – bis jetzt zwar eher nebeneinander als miteinander. Das ist Potenzial, das NICHT jeder Bewerber hat und was sich nun als echte Chance herausstellen kann. Mit 21,2% Ausländeranteil aus 163 Ländern und 43,4% Einwohner mit Migrationshintergrund (man vergleiche Dresden hat 6,2% Ausländeranteil und gerade mal 4% Einwohner mit Migrationshintergrund – also eine Maus gegen Nürnberg) haben wir in Nürnberg die allerbesten Voraussetzungen, genau damit zu punkten.

Als „Zug‘reiste“, „Neunürnbergerin“ und mit viel Verve „Südstadtbewohner“ sehe ich in dem eher ungeliebten und nicht für die Touristenplakate tauglichen Stadtviertel auf einen Blick so viele Wirkungsmöglichkeiten. Wenn man von meiner Arbeitsstelle im Museum für Kommunikation die Bahnschienen unterquert, hat man das Gefühl, eine andere Stadt zu betreten. Es ist lebendig und multikulti, aber eben auch an vielen Stellen trostlos und abgehängt. Entlang der Straßen reihen sich, meinem Tagesrhythmus sehr entgegenkommende, lange geöffnete Dönerläden, aber auch Automaten-Casino-Klitschen, einige Shisha-Cafés mit Milchglassichtschutz (warum man da nicht reinkucken soll?) und überproportional viele Nagelstudios. Vielleicht alles Institutionen, die die Menschen hier täglich zum glücklichen Leben brauchen – oder siedelt sich hier einfach nichts Anderes an? Der Aufseßplatz war sicher einmal ein wichtiges Zentrum für die Bewohner – nun bröckelt der Baukörper des alten Schockenkaufhauses vor sich hin, der Platz ist mehr leicht zu reinigender Beton als grüne, urbane Oase, die die Kulturen zum Gedankenaustausch einladen könnte. Was könnten da kreative und interkulturelle Künstler und Architekten alles anstellen, damit hier langfristig eine Umgebung geschaffen wird, die zu eben dem geforderten Austausch der europäischen Kulturen führen würde?

Nürnberg IST bereits gelebter Austausch, man sollte dieser Energie angemessene Plattformen und Räume geben. Nun ist zu lesen, dass Edeka die Kaufhausruine gekauft hat und dort einziehen wird. Ob ein neuer Supermarkt ausreicht, „das Herz der Südstadt jetzt wieder schlagen“ zu lassen, wie Wirtschaftsreferent Michael Fraas hofft, lässt mich skeptisch abwarten. Auf dem Weg zur Kulturhauptstadt wird diese Maßnahme sicher keine Credits einspielen. Aber vielleicht ist ja noch genug Platz für Projekte #NUE2025, die den Edeka auf dem Aufsessplatz zum coolsten Supermarkt Deutschlands werden lassen. Das könnte gelingen, wenn man sich früh genug und ergebnisoffen innerhalb der verschiedenen Stadtgremien austauscht. Denn alles, was ab jetzt in der Stadt geplant, veranstaltet und gebaut wird, könnte und sollte Teil der Bestrebung „Kulturhauptstadt 2025“ sein. Hier könnte dann auch die Schwachstelle der ganzen Orga liegen: So nebenbei kann keiner mal schnell den Wettbewerb organisieren. Das Kulturbüro hat natürlich tolle Leute, die das machen könnten, aber wer macht dann die Blaue Nacht und das Bardentreffen? Wünschenswert und sicher mittelfristig entspannter für alle wäre ein – vielleicht auch mal von außen hinzukommender – Organisator, der frei von dem alltäglichen Kulturgeplänkel der Stadt-, Wirtschafts-, Museums-, Theater-, Oper-, Tanz- und Eventschaffenden Denken und auch ungewöhnliche bzw. ungewohnte Gesprächspartner in die Kulturdebatte einbinden kann. Denn eins ist sicher, Nürnberg muss heute für eine andere Bevölkerung Identifikationsraum sein als noch vor zwanzig Jahren – und IN zwanzig Jahren.

Das wird auch hoffentlich viele Debatten und Umdenkprozesse in den Einrichtungen der Hochkultur auslösen: Für wen machen wir in den Museen Ausstellungen und wie motiviert man Menschen, die noch nie in einem Museum waren, trotzdem zu kommen? So ist wieder einmal „Partizipation“ das Zauberwort – und das ist schwerer, als es sich anhört. Alle sollen mitreden dürfen, aber entschieden werden muss es dann doch von Wenigen … Auch soll man jetzt schon wissen, was in acht Jahren relevante Themen sind: Digitalisierung und Kommunikation – klar! Mobilität, nicht mehr zu ändern. Aber auch bezahlbarer, vielleicht generationsübergreifender Wohnraum, damit die Stadtviertel bunt bleiben. Für mich persönlich könnte es endlich etwas grüner werden – die Bezeichnung „Park“ ist bestimmt DIN-Normmäßig geschützt und darf vermutlich gar nicht für jede handtuchgroße Hundewiese oder Rasenfläche verwendet werden.

Wie auch immer: Am Ende wird die Stadt gewinnen, die es schafft, auch über 2025 hinaus für alle, die in ihr leben, einen lebenswerten und kulturübergreifenden Ort zu machen, an dem eben nicht mehr nebeneinander, sondern miteinander gelebt wird. Vermutlich, oder ganz sicher sogar, werde ich bei der Abstimmung 2020 nicht gefragt – aber meine Stimme hätte Nürnberg sicher!


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Marion Grether ist die Direktorin des Museum für Kommunikation Nürnberg und wohnt leidenschaftlich gern in Nürnbergs Südstadt.
mfk-nuernberg.de




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MUSEUM FüR KOMMUNIKATION. Gamer*innen wissen es: Lara Croft, Super Mario oder der Werwolf im Fantasy-Rollenspiel – Avatare, also steuerbare Figuren, sind wichtige Elemente in digitalen Spielen. Sie tragen zum Erzählen von Geschichten bei, verkörpern verschiedene Identitäten und mit ihnen können Handlungen in der jeweiligen Spielwelt ausgeführt werden.
Noch bis Frühjahr 2023 dreht sich im
Museum für Kommunikation alles um Avatare – in der Ausstellung „WhoAmIWantToBe – Avatare in digitalen Spielen“. Sie entstand in Kooperation mit dem Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg und präsentiert studentische Arbeiten rund um die virtuellen Personifikationen aus medien- und kulturwissenschaftlicher Sicht. Wir haben uns mit Dr. Peter Podrez, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU Erlangen-Nürnberg, und Museumsdirektorin Dr. Annabelle Hornung unterhalten.
 
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