Theobald O.J. Fuchs: Ein wunderlicher Herr
#Comedy, #Kabarett, #Kolumne, #Krimi, #Theobald O.J. Fuchs
Man hört es hier und da auf den Straßen und Plätzen munkeln: Die Stadt Nürnberg würde sich anstellen wie sowohl Kuh als auch Hund zum Eierlegen. Ein wirklich glückliches Händchen bewiesen unsere kommunalen Oberen nun tatsächlich nicht, wenn man an die A.E.G., an den Augustinerhof, ans Volksbad, an die Quelle (ein Fiasko!), ans Zeppelinfeld, den Frankenschnellweg und so weiter bis an das Ende aller Zeilen denkt. Mein Urteil ist dennoch ein mildes, denn es zeigt, dass die von uns gewählten Volksvertreter tatsächlich abbildungsgetreu das Volk repräsentieren.
Unentschlossen, träge, inkompetent und sprunghaft. Ihre und unsere größten Stärken: Abwiegeln und – warten. Die Stadtregierung wirkt, als verbrächte sie – so wie wir – ihre Zeit in einer muffigen Schenke, über einem schalen Bier missmutig schweigend und grübelnd. Unsere Oberen sind ziemlich exakt wie so ziemlich alle, die überfordert und willensschwach sind: lethargisch, apathisch, Biertisch. Insgesamt also okay.
Denn beschaue ich gründlich mich selbst, dann kann ich nur Ähnliches sehen. Wer vertritt mich, wenn ich auf‘s Amt gehe, in den Alles-und-noch-viel-mehr-Laden in der Adam-Klein-Straße oder zur Infoveranstaltung im Kartoffelpflanzkompetenzzentrum? Ich weiß es, denn ich habe meine Außenweltvertretung selbst gewählt, mit meiner eigenen dicken, fetten Spinne … äh: Stimme. Es ist das Gesicht, das ich vorne an meinem Kopf trage, und die Kleidung, in der mein Körper steckt. Andersherum würde es freilich überhaupt keinen Sinn mehr ergeben.
Apropos: Mein Interesse an Bekleidung geht gegen Null, wie es ein Mathematiker formulieren würde, und dennoch bin ich felsenfest davon überzeugt, dass ich aufmerksamst beobachtet werde – von Designern und Modebranchenleuten. Die sich von mir auf gute Ideen bringen lassen. Löcher in der Hose, weiße Gürtel zu schwarzen Rüschenhemden, quergestreifte Shirts unter längsgestreiften Hemden – die finden das geil, mir ist‘s völlig wurst. Denn ich bin auf gutem Weg, ein wunderlicher, älterer Herr zu werden, was absolut und exakt dem entspricht, was ich mir vorgenommen habe. Meines Erachtens ein schönes, ein vernünftiges und erreichbares Ziel.
Was jetzt? Nur weil ich mit Leidenschaft rostige Nägel sammle, sollte ich gleich einen Dings haben, einen Dachschaden? Geh, bitteschön – da lassen sich Andere aber ganz andere Hirndebakel heraus. Ich finde, dass viele Menschen schon schlicht nicht aufpassen, nicht genau hinsehen, nicht aufmerksam durch‘s Leben gehen. Sie werden am Ende, wenn der Tod zu ihnen ans Sofa tritt und auf seine Armbanduhr deutet und drängelt „Sorry, aber mir schwant, es wäre jetzt an der Zeit für dich irgendwie...“, aufschrecken und völlig verwirrt sein, wie jemand, der im Kino eingeschlafen ist und beim Abspann hochfährt und sagt: „Ui, ich muss wohl eingenickt sein. Wie ist mein Dasein ausgegangen? Haben sich die Liebenden gekriegt?“ Denn es ist mit Bestimmtheit ein Liebesfilm, eine langweilige Geschichte, schon tausend Mal erzählt, seit der Bibel schon, und klar, es geht gut aus, weil sonst kauft man ja nicht die sündhaft teure Eintrittskarte für diesen einschläfernden Streifen, der locker 30 oder 40 Jahre dauern kann.
Deswegen halte ich jedenfalls die Augen offen – ich will wissen, wie die Story ausgeht. Dass es in der Folge möglicherweise nicht die leichteste Aufgabe sein wird, meinen Nachlass zu ordnen, ist mir schon klar. Aber das gehört bei wunderlichen Herren eben dazu. Etwa die Kostüm-Sammlung: Was wäre ich ohne sie? Wenn ich sie nicht hätte, könnte ich, wenn es plötzlich darauf ankommt, mich weder als Häftling, noch als Pilot verkleiden.
Und ich sage: Das sollte man können heutzutage. Andernfalls ist man doch völlig hilflos ausgeliefert. Wenn die Kalender-Lotterie mal wieder den Montag zieht, wenn der Fasching vergeben wird. Dann steht man da, am Sonntag, und der Kostümbaumarkt hat geschlossen. Also alles zu spät, um sich ein Täuschungsgewand zu schreinern. Dann muss man vorgebaut haben, rechtzeitig wie die Grille das Lied gesungen und wie ein Opossum den Beutel vorgewärmt, wenn der Storch zweimal klingelt – das sage ich.
Und wer jetzt denkt: „Welch glücklicher Mensch! Weltbekannter Sammler rostiger Nägel! Geheimtipp unter den Krimiautoren im oberen Pegnitztal! Besitzer eines Vorderrad-Nabendynamos, der ihn noch nie im Stich ließ, weder bei Schneesturm noch in Gravitationsanomalien! Erkunder des vergangenen Irrsinns und Vorfühler des kommenden Schwurbelquatsches! Und nicht zuletzt mit mächtigem Bartwuchs gesegnet!“ – dem schleudere ich mit aller Entschiedenheit entgegen: Stimmt! Richtig! Es steckt zwar unendlich viel Mühe (Mü-hé!) und Planung dahinter, war aber jeden Pfifferling wert, soweit. Ergo (lat. „deshalb“) – mehr muss für diesmal echt nicht gesagt werden.
Mit herzlichen Grüßen von dem blauen Äffchen in der Bartschaukel.
Fotos: stets im Bilde Theo Fuchs, Fotografin: Katharina Winter
UND WAS MACHT THEO WIRKLICH UND SONST SO?
... im Juni eigentlich nichts, hat er uns verraten. Schreiben tut er wieder irgendwas. Ob das nun der Weihnachtswunschzettel ist, er die Unterschrift seiner Nachbarin übt („Kann man immer brauchen!“) oder seine Weltkarriere als Krimiautor weiter ausbaut? Keine Ahnung.
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