Theobald O.J. Fuchs: Ein Weltmeister erinnert sich
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„Tja, was soll ich sagen? Heutzutage stößt der Simultanschlaf nur noch auf wenig Interesse. Die Zeit ist zu schnelllebig geworden, zu sensationslüstern. Früher war das anders. Simultanschlaf war ein beliebter Zuschauersport – immerhin olympisch! – und Deutschland drei mal in Folge Weltmeister. Viele junge Menschen verbinden jedoch heutzutage Simultanschlaf mit Dekubitus und Rückenschmerzen.
„Man kann nicht bestreiten, dass manche Disziplinen echte Heraus-forderungen an die körperliche Fitness bedeuten, und weiß Gott, manchmal stieß auch ich an meine physischen und psychischen Grenzen, etwa beim achtstündigen ‚Unruhigen Schlaf auf Betonfußboden.‘ Doch gerade das macht den besonderen Reiz des Synchronschlafens aus: diese unheimliche Vielfältigkeit. Das ist es, was mich über zwanzig Jahre auf der Matratze hielt, bis mich das Verletzungspech ereilte und ich das Sportschlafen aufgeben musste.
„Wer kennt denn heute noch die Disziplinen ‚Löffelchen-Staffel im Ehebett‘ oder ‚Paarweise Mittagsruhe auf dem Sofa‘? Wer spürt noch das Kribbeln der Spannung, wenn das ‚Langzeit-Gammeln auf dem Futon‘ oder der ‚Wunschtraum mit schneller Wende auf Federkern‘ in die Endausscheidung ging? Und wer weiß noch, wie grenzenlos packend das ‚Pennen in Wald und Flur‘ sein konnte, meine liebste Disziplin? Nichts lässt sich damit vergleichen: Military-Schlaf! Man kämpft gegen die Elemente, feuchte Schlafsäcke und unebenen Boden, und oft genug stellen einen Mücken und Ameisen vor kaum lösbare Probleme. Aber das waren die besten Momente: Wenn Du nach sechs Stunden unruhigen Wälzens aufwachst ... zusammen mit den anderen 39 Mitgliedern der Mannschaft. Du blinzelst instinktiv in Richtung des Jury-Zeltes, und dort funkelt fünf mal die Höchstnote in der Morgensonne! Das war das Beste ...
„Lange Zeit litt das Sportschlafen ja unter dem Ruf, eine rein heterosexuelle Domäne zu sein. Dieses Vorurteil sitzt leider bis heute noch tief in den Köpfen, und ich will diese Gelegenheit nicht verpassen, dem energisch zu widersprechen. Ich habe schon in den 1950er Jahren mit unzähligen anderen Schlafsportlern geschlafen, und sicher waren einige darunter heterosexuell, vielleicht sogar die Besten, aber ich bitte Sie: welcher ernstzunehmende Wettkämpfer würde denn während Training oder Tournier an Sex denken? Wir schliefen, um zu gewinnen, alles andere spielte doch keine Rolle! Privater Schlaf ist nun wirklich etwas anderes, das wird Ihnen jeder bestätigen, der sich schon einmal ernsthaft auf den Wettkampf-Schlaf eingelassen hat. Der private Schlaf von anderen geht dich nichts an, weder in der Profiliga noch in den Amateur-Klassen.
Nun, schließlich hat es auch mich ereilt: Bandscheibe, innere Unruhe, Flatulenz. Meine langjährige Schlafpartnerin verlor ich ans Schnarchen. Schließlich habe ich mich mit dem Trainer überworfen, das war es dann. Seitdem bin ich nur noch ausgebrannt, müde und schlaflos. Wenn ich meine Frau, auch eine ehemalige Profi-Schläferin, nicht hätte, würde überhaupt niemand mehr mit mir schlafen. So vergeht der Ruhm der Welt, glauben Sie mir! Manchmal aber, manchmal träume ich noch von damals, als wir ganz oben standen auf dem Treppchen, noch den Schlaf im Gesicht, aber die goldene Medaille um den Hals – das waren die wirklich großen Sternstunden des deutschen Hochleistungs-Schlafens!“
Fotos: stets im Bilde Theo Fuchs, Fotografin: Katharina Winter
UND WAS MACHT THEO WIRKLICH UND SONST SO?
… im Mai eigentlich nichts, hat er uns verraten. Schreiben tut er wieder irgendwas. Ob das nun der Weihnachtswunschzettel ist, er die Unterschrift seiner Nachbarin übt („Kann man immer brauchen!“) oder seine Weltkarriere als Krimiautor weiter ausbaut? Keine Ahnung.
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