Popkultur trifft Handicap Festival: Interview mit Yannic Dressler
#Handicap, #Inklusion, #Konzert, #Kultur, #Musik, #Pop, #Z-Bau
Mein Name ist Yannic (21). Ich bin Booker und Veranstalter und betreibe den Blog “Rap-Exklusive Bayern” über Bayrischen HipHop. Seit einem Unfall bei meiner Geburt sitze ich 90% der Zeit im Rollstuhl. Mein Leben ist durch meine Behinderung sehr geprägt, aber ich lass mich dadurch nicht einschränken. Abgesehen von meiner Musikleidenschaft und der Behinderung führe ich ein ganz normales Leben. Mit Arbeit, Party, Freunden und allem, was dazu gehört.
Kulturelle Teilhabe funktioniert aber leider nicht für alle Menschen mit Behinderung so selbstverständlich. Anlässlich der ersten mittelfränkischen Inklusions-Kampagne POPKULTUR TRIFFT HANDICAP, die am Montag startete und am Samstag mit einem Festival im Z-Bau endet, habe ich mich für curt mit dem zuständigen Popularmusikberater Andreas Jäger vom Bezirk Mittelfranken unterhalten.
YANNIC DRESSLER: Hallo, Andi. Schön, dass wir uns auf diesem Weg kennen lernen. Wie viel hast Du in deinem Alltag mit Inklusion oder mit Barrierefreiheit zu tun?
ANDREAS JÄGER: Ich bin hauptsächlich durch meinen Job zum Thema Inklusion sensibilisiert. Nachdem meine Projektpartnerin Elnaz Amiraslani mit der Idee einer städteübergreifenden Inklusionskampagne auf mich zukam, habe ich mir schon mehr Gedanken zu dem Thema gemacht und mich erstmal gefragt, wie viele der Clubs, mit denen ich tagtäglich arbeite, überhaupt barrierefrei sind. Und habe dann schnell gemerkt, dass tatsächlich nur sehr wenige für Menschen mit Behinderung einfach zugänglich sind. Dann war für mich gleich klar, dass sich daran bald was ändern sollte und ich das in meiner Funktion beeinflussen kann.
YANNIC: Glaubst Du, dass das Festival auch viele „Nicht-Behinderte“ansprechen wird?
ANDREAS: Ich hoffe das sehr. Das ist natürlich unter anderem unser Ziel vor allem „Nicht-Behinderte“ mit dem Thema Inklusion zu sensibilisieren. Gelungene Inklusion geschieht am besten beidseitig.
YANNIC: Was unterscheidet dieses Festival von anderen?
ANDREAS: Im Grunde planen wir ein ganz „normales“ Festival, schaffen aber bei der Umsetzung so viele Barrieren wie möglich ab. Zum Beispiel sind alle unsere Werbemittel barrierefrei für u.a. Sehbehinderte gestaltet. Das beudeutet: klare Kontraste, große Buchstaben, deutliche Grafiken, das Ganze in einem überdurchschnittlich großen Format. Außerdem sind alle Texte in leichter Sprache geschrieben, falls sich jemand mit dem Lesen oder Verstehen schwer tut. Das gesamte Programm gibt es für Blinde auch im Audioformat zum Anhören auf unserer natürlich barrierefreien Website www.pop-rot-weiss.de/inklusion.
Alle beteiligten Locations sind barrierefrei zugänglich, alle Wort- und Musikbeiträge werden von Gebärdensprachdolmetschern begleitet. Wir haben natürlich einige tolle Künstler*innen mit Handicap eingeladen, für die wir auf allen Ebenen nötige Strukturen schaffen, damit diese sich bei ihrem Auftritt gut fühlen. Inklusion heißt in diesem Fall Barrierefreiheit hinter, auf und vor der Bühne. Nach unserem Motto „POP für alle“ – bei uns ist jeder und jede willkommen!
YANNIC: Ist es für behinderte Menschen genauso einfach möglich im Mainstream Erfolg zu haben?
ANDREAS: Es ist schon schwierig, da selten Superstars mit Makel auftauchen. Sogar in jeder Koch-Show muss man perfekt aussehen, während man ein Steak zubereitet. In unserer Gesellschaft ist leider noch zu wenig Akzeptanz für Menschen, die von der Norm abweichen.
YANNIC: Ich muss Dir widersprechen. Ich denke, wenn ein Künstler mit Behinderung öffentlich erscheinen würde, der die ganze Thematik locker betrachtet, sich selbst nicht zu ernst nimmt und musikalisch mit guter Qualität auf den Markt einsteigt, dieser auf jeden Fall die Unterstützung der Gesellschaft hätte. Wenn ich eine Veranstaltung mache, versuche ich mich auch nicht darüber zu definieren, dass ich Rollstuhlfahrer bin, da es für meine Kooperationspartner keine Relevanz hat. Ich denke, das wäre bei einem Künstler genauso, wenn man ihn öffentlich richtig darstellt.
ANDREAS: Das ist schon richtig, aber, wenn man als Musiker mit Handicap Erfolg haben will, dann ist die Behinderung nicht redundant, sondern man muss das als Story verkaufen. Es ist eben nicht so, dass es z.B. für Medien keine Rolle spielt.
YANNIC: Ich würde nicht sagen, dass ich meine Behinderung in meiner Kulturarbeit zum Vorteil mache, jedoch weiß ich auch, dass mein Wiedererkennungswert groß ist. Zum Beispiel, dass sich bekannte Künstler nach einem Interview noch lang an mich als „der Reporter im Rollstuhl“ erinnern. Es wird leider oft unnötig auf die Tränendrüse gedrückt. Dabei ist man in Deutschland wirklich in einer guten Situation. Als behinderter Mensch stehen einem in diesem Land sehr viele Türen offen, man muss nur durch sie durchgehen können und wollen.
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Das Interview führte Yannic Dressler, Blogger und Veranstalter aus Nürnberg / Rap-Exklusive Bayern, als Gastautor für das curt Magazin. Danke!
Yannicks Fragen stellte sich Andreas Jäger / POP! Rot Weiß, seit Dezember 2015 Popularmusikberater des Bezirks Mittelfranken, Veranstalter der Inklusionskampagne “POPKULTUR TRIFFT HANDICAP”
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POPKULTUR TRIFFT HANDICAP FESTIVAL
Samstag, 14.01.2017 – Z-Bau, Nürnberg
Einlass 19 Uhr / Beginn: 20 Uhr
Live:
Fatoni, Vokuz, DeafKatNight, Blind&Lame, Stereomat. Martin Fromme, Laura Schwengber, BayBJaneElectroqueen
Weitere Infos unter: www.pop-rot-weiss.de/inklusion
Karten an allen bekannten VVK-Stellen
#Handicap, #Inklusion, #Konzert, #Kultur, #Musik, #Pop, #Z-Bau