So ein Theater ...
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Sollte es Ihnen beim Slalom durch die hochgestapelten Sonderposten im Supermarkt Ihres Vertrauens tatsächlich noch nicht aufgefallen sein, kann auch der Blick auf die Theaterspielpläne dem jahreszeitlichen Update helfen: es weihnachtet schon sehr!
AUF HEXENJAGD MIT LEBKUCHEN UND LAMETTA
Wenn am Opernhaus „Hänsel und Gretel“ samt Lebkuchenhaus auf die Bühne zurückgeholt werden und im Schauspielhaus „Lametta“ familienfestlich aufgebügelt mit Silberglanz den Weg weist, sind es nur noch ein paar wochen zur schönen Bescherung. Ansonsten werten die Spielplanplaner aus, was in der ersten Premierenwelle der Saison an die Öffentlichkeit schwappte und platzieren diverse Comebackversuche gut abgehangener Produktionen daneben.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
COMEBACK. Mit dieser Inszenierung von Hector Berlioz‘ Opern-Rarität BENVENUTO CELLINI startete Staatstheater-Chef Peter Theiler 2008 seine Nürnberger Intendanz, die mit dem Karrieresprung nach Dresden 2018 enden wird. Es war gleichzeitig die Debüt-Präsentation einer fröhlichen Stammregisseurin, die ihre Comedy-Schablone fortan Jahr für Jahr über höchst unterschiedliche Werke bzw. deren Schöpfer (Rossini, Offenbach, Mozart, Rameau, in Kürze wieder Rossini) legen sollte. Laura Scozzis prototypisch spaßgesteuerte, choreographisch durchgestylte Produktion dieses Künstlerdramas eines jungen Komponisten wurde seither zu mehreren Bühnen, zuletzt nach Bonn weitergereicht und kehrt nun – offenbar ohne Angst vor Haltbarkeitsdaten – zur Ehrenrunde für insgesamt nur sechs Vorstellungen ans Opernhaus zurück. Mit Jordanka Milkova kommt auch eine starke Sängerin der ersten Stunde wieder. GMD Marcus Bosch, bei der Ur-Serie noch nicht als Philharmoniker-Chef im Amt, da war er noch in Aachen, übernimmt am Pult.
Termine: 12., 20., 25. November im Opernhaus
HEXENJAGD MIT LEBKUCHENBRUCH. Die vorherige Inszenierung von Humperdincks wagnerianisch durchsetzter Märchen-Oper HÄNSEL UND GRETEL hatte schon statt der erwarteten betenden Engel an der Bettkante lauter kuschelige Teddybären aus der Fantasywelt von Akademie-Professor Peter Angermann zum Abendsegen geschickt (die tollste Szene, die dieses Werk je erlebte!), in der gefolgten von 2014 wuselt ein Sortiment von irrlichternden Gespenstern durch den Traum. Andreas Baeslers Inszenierung, die zur vorweihnachtlichen Familienzusammenführung wieder im Spielplan auftaucht, blockiert jeden Gutenachtgeschichten-Kitsch und sucht den Weg zum Lebkuchenhaus samt „Hurra, jetzt ist die Hexe tot“-Jagd in der wuchernden Fantasie der Kinder. Das Haus müssen die dafür gar nicht verlassen, Albträume gibt es bekanntlich daheim im Schlafzimmer. Guido Johannes Rumstadt muss also nicht wie ein Männlein im Walde stehen, wenn er die Aufführung gewordene Halluzination mit den symphonisch umbrausten Kinderliedern dirigiert. Sie wurde inzwischen auch in Toulouse gezeigt.
Termine: 26. November, dann ab 4. Dezember bis Jahresende in weiteren zehn Vorstellungen im Opernhaus.
PREMIERENFRISCH. Auf schräge Weise unterhaltsam ist Mussorgskis große Chor-Oper BORIS GODUNOW, wie sie in Nürnberg in grelle Bilder gefasst wird. Vom Kasperltheater (die ganze Obrigkeit im Blickwinkel der Volksmasse) bis zur Wohlstandshüpfburg führt der gerne den neuen Blick wagende Regisseur Peter Konwitschny in seinem bunten Bild von der Fäulnis der Macht. Wodka und Shopping sind in diesem grimmig aktualisierten Russland geschwisterlich vereint, der Zar wird nicht wahnsinnig (wie die Musik mitteilt), sondern geht lieber mit Burnout fröhlich in Frühpension. Regietheater-Strapaziertest mit GMD Marcus Bosch als feinfühligeren Soundtrack-Berater.
Traditioneller geht es zu bei SUGAR – MANCHE MÖGENS HEISS, aber das ist ja auch Musical aus USA. Jule Styne, dessen Welterfolg „Funny Girl“ hier bereits zu sehen war, nahm sich Billy Wilders Kino-Hit mit Marilyn Monroe an der Seite von Jack Lemmon und Tony Curtis als verkleidete Damenorchestermusiker zur Inspiration und übermalte die hinreißende Vorlage etwas klecksend mit eigener Musik.
In Deutschland kam der bloß mittelprächtige Broadway-Erfolg erstmals 1988 auf die Bühne (Metropoltheater, DDR), die Nürnberger Erstaufführung ist Spätlese mit absichernden Akteuren. Regisseur und Hauptdarstellerin kennen wir schon aus „Kiss me, Kate“.
Termine: BORIS GODUNOW am 3., 14., 22., 27. November, dann nur noch am 17. Dezember. SUGAR am 4., 6., 23. November, dann bis Ende der Saison in 22 weiteren Vorstellungen im Opernhaus.
SCHAUSPIEL-KLASSIK. Von Shakespeare und Schiller kommen die Groß-Klassiker im Spielplan. Aus gleich drei gewaltigen Shakespeare-Dramen der besonders anspruchsvollen Art (Coriolan, Julius Cäsar, Antonius und Cleopatra) machte der sonst zwischen Thomas Mann, Martin Luther und Bully Herbig (oder zuletzt in Nürnberg bei der zum Konzentrat verrührten Antiken-Mischung „Ödipus Stadt“) pendelnde und vorzugsweise mit Rotstift bewaffnete Autor John von Düffel eine RÖMISCHE TRILOGIE, die Schauspieldirektor Klaus Kusenberg in Auftrag gab und inszenierte. Überraschend kommt er im riesigen Römer-Eintopf mit zehn Darstellern aus. Lokale Shakespeare-Erfahrung im Einsatz: Stefan Willi Wang (war schon Hamlet) und Julia Bartolome (spielte sogar Richard III.) führen das Ensemble beim Marathon-Marsch durch die alten Zeiten an.
Mit Goethes „Faust“ teilt sich Schillers WILHELM TELL einen Podestplatz für meistgebrauchte geflügelte Worte. Ansonsten gilt das Eidgenossen-Drama mit Apfelschuss, hohler Gasse und Hut auf der Stange nicht unbedingt als Modellfall zur Eroberung des zeitgenössischen Theaters. Die plakative Inszenierung von Volker Schmalöer mit Daniel Scholz in der Titelrolle behauptet dennoch entschieden, das sei eine Analyse des aktuellen Freiheitsbegriffs. Da kann man vor und nach der Vorstellung trefflich drüber streiten.
Termine: RÖMISCHE TRILOGIE 3., 17. November, dann bis Ende der Saison mindestens 15 weitere Vorstellungen.
WILHELM TELL 8., 12., 15. November im Schauspielhaus.
ZEITGENOSSEN. Die wunderbar unkonventionell giftelnde Kolumnistin Sibylle Berg hat dem imponierend auf eigenen Wegen wandelnden Berliner Gorki-Theater zwei wortflächige Stücke geschrieben, in denen vier Frauen von heute ihr Leben mit verbalem Tischfeuerwerk ausleuchten. „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“ zeigt sie in jungen Jahren, aber Nürnberg greift gleich nach der Fortsetzung, den gereiften Mütterporträts UND DANN KAM MIRNA. Anne Bader inszenierte die munter süffisante Attacke, in der man vom frühen Handke bis zur späten Jelinek viele Paten finden kann, für die Breitwand der Kammerspiele und setzt den lamentierenden Müttern eine Riesenpuppe statt (wie in der Uraufführung) echten Kindern entgegen.
Die wahre Geschichte des jungen Berliner Anwalts, der Hitler als Verantwortlichen für Nazi-Gewalttaten in den Zeugenstand zwang und dann zu den ersten Opfern der nach dem Reichstagsbrand einsetzenden Massenverhaftungen zählte, ist ergreifend. Die Nürnberger Inszenierung von Mark Hayhursts DER PROZESS DES HANS LITTEN kann da nicht ganz mithalten, weil Regisseur Jean-Claude Berutti in der deutschen Erstaufführung allzu braves Dokuspiel bevorzugt. Sehenswert freilich Schauspielerin Patricia Litten, voller Mitgefühl und ohne Sentimentalität in der Rolle ihrer eigenen kämpferischen Großmutter, die den Sohn aus dem KZ befreien will.
Das derzeit meistgespielte deutsche Stück, das auch nach dem spektakulär besetzten TV-Film vor allem Bühnenbestseller bleiben wird, ist Ferdinand von Schirachs TERROR. Alle Zuschauer werden zu Schöffen bei der Verhandlung über die juristisch knifflige Frage, ob man wenige Menschen gezielt töten darf um mehr Menschen zu retten. Frank Behnkes Inszenierung ist seit letzter Saison ständig ausverkauft und zieht deshalb von den Kammerspielen ins große Haus um.
Noch ein Dauererfolg aus dem respektablen Kammerspiel-Sortiment: Mit der weiter in die Zukunft versetzten Neufassung von Orwells Science-Fiction-Klassiker 1984 ist Christoph Mehler, dem derzeit wagemutigsten Regie-Dauergast, ein intelligenter Thriller geglückt. So stark wie früher das Original.
Wenigstens am Theater bleibt der Club „erste Liga“. Albert Ostermaiers Auftragsstück LINKE LÄUFER (ERSTER SEIN) zeigt den erfolgreichen Trainer Jenö Konrad, den die Nazis, weil er jüdischer Abstammung war, schon 1932 aus Nürnberg verjagten, bei seiner Abschiedsbilanz in der Umkleidekabine. Die „Ultras“, der Fan-Club des 1. FCN, hatte zuvor eindrucksvoll an das Schicksal des Mannes erinnert, der lange vor dem Trotz-Spruch „Die Legende lebt“ die Mannschaft schwärmerisch als „den Schiller unter den Vereinen“ adelte. In der BlueBox sitzt der Zuschauer als wäre er in der Kabine dabei.
Britischer Humor der angeschwärzten Art bestimmt GEORGE KAPLAN von Frédéric Sonntag, wo eine rätselhafte Figur aus dem Universum von Alfred Hitchcock die Fantasie kitzelt. Klaus Kusenberg, der die Coolness der britischen Komödien liebt, importierte diese Stimmungslage geschickt und bietet intelligente Unterhaltung.
Termine: DER PROZESS DES HANS LITTEN am 4., 14., 16., 19., 24., 26. November im Schauspielhaus - UND DANN KAM MIRNA am 9., 17., 19., 24., 26. November in den Kammerspielen - 1984 am 6., 18., 29. November in den Kammerspielen. -TERROR am 10., 20., 27. November im Schauspielhaus. - GEORGE KAPLAN am 13., 20., 27. November in den Kammerspielen. LINKE LÄUFER am 8., 12., 19., 26. November in der BlueBox.
LACHFUTTER. Seit der „Rocky Horror Show“ hat keine Premiere das Nürnberger Publikum so von den Sitzen gehoben wie die frech an allen möglichen Tabus rempelnde Song-Show EWIG JUNG. Erik Gedeon entwarf diese turbulent durch Oldie-Hitparaden springende Seniorenfreizeit im Künstleraltersheim ursprünglich für Hamburg und Berlin, aber die Nürnberger Fassung von Kathleen Draeger und Bettina Ostermeier holt das rabiat tatternde Spektakel mit sicherem Griff hierher und stellt gar den zur Asche aufgelösten Schauspieldirektor als Souvenir-Urne auf den Flügel. Die Klischeeklamotte in Entertainmentraserei mit Rollator ist unwiderstehlich. Dafür Karten zu bekommen, wird allerdings ein Kunststück für sich.
Die zweite Bespaßungsposition im großen Haus gehört Michael Frayns Klamauk-Mechanismus DER NACKTE WAHNSINN, was in Nürnberg bereits vor Jahrzehnten ähnlich knatternd gespielt wurde. Die weibliche Hauptrolle im Verwechslungs-Roulette besetzte damals Sofie Keeser, jetzt übernahm mit krähendem Travestie-Touch Pius Maria Cüppers. Irgendwann lacht da jeder mal auf oder unter dem eigenen Niveau.
Ein Dauerläufer ist das, inzwischen schon in allen drei Räumen des Schauspielhauses aufgeführt und nun fest in den Kammerspielen daheim: WINNETOU, Eike Hannemanns wunderbares Hör/Schau-Spiel um den Rothaut-Sachsen Karl May im Wilden Westen der Fantasie mit dem wie ein Schatz im Silbersee glänzenden Duo Thomas L. Dietz und Philipp Weigand. Kult-Status erreicht!
Termine: EWIG JUNG am 22., 25. November im Schauspielhaus. DER NACKTE WAHNSINN am 2., 13. November im Schauspielhaus. WINNETOU am 2., 15., 25. November in den Kammerspielen.
ALLE JAHRE WIEDER. Grade erst wurde das 40-Jahres-Jubiläum von „Schweig, Bub“ mit dem Einzug des Leberknödels in die Weltliteratur und damit die Geburtsstunde des aus grundsätzlichen Erwägungen fränkischsprachigen Erfolgs-Autors Fitzgerald Kusz gefeiert. Nun taucht (nach Titeln wie „Derhamm is derhamm“, „Saupreißn“, „Unkraut“ und „Burning love“) die 2010 in den Kammerspielen uraufgeführte Bescherungssatire LAMETTA passend zur Odufröhlichen Zeit pünktlich wieder im Spielplan auf. Ein Kusz-echtes Lustspiel mit ahaeffektvoller Nachbarschaftsqualität, das wohl – auch weil der Text zeitgemäß ein paar Umdrehungen grimmiger ist als das Vorbild – tatsächlich das Zeug hat, das schwere Erbe vom alten „Bub“ zu übernehmen. Man spricht (und fühlt) abgründig aus tiefster Nürnberger Seele.
Termine: 6., 11., 18. im Schauspielhaus.
STAATSTHEATER NÜRNBERG
Richard-Wagner-Platz 2-10, Nürnberg.
staatstheater-nuernberg.de
GOSTNER HOFTHEATER
COMEBACK: Nach dem Jugendbuch von Christian Frascella entstand die Bühnenfassung von MEINE SCHWESTER IST EINE MÖNCHSROBBE, die Sascha Hawemann (als Gastregisseur am Staatstheater demnächst für größeres Kaliber, nämlich Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ zuständig) vor zwei Jahren in Potsdam montierte. Silke Würzbergers Inszenierung dieser energiegeladen heiteren Familientragödie um einen jugendlichen Antihelden, der hochsensibel und unverschämt um seinen Platz im Leben kämpft, war vorige Saison ein großer Erfolg in Gostenhof. Jetzt ist Zugabe.
Auch NATHANS KINDER von Ulrich Hub, der Lessings berühmtes Toleranzdrama auf die fünf Hauptfiguren konzentriert und ins 21. Jahrhundert lenkt, wurde letzte Saison gefeiert. Der Inszenierung von Staatstheater-Schauspieler Marco Steeger im Hubertussaal bescheinigten die Kritiken einhellig, aufregend, rasant und nachdenklich zugleich zu sein. Und Thomas Witte ist wohl der altersloseste Nathan aller Zeiten.
Termine: MEINE SCHWESTER IST EINE MÖNCHSROBBE 4., 5., 9. bis 12. November im Gostner Hoftheater. NATHANS KINDER 22. bis 25. November im Hubertussaal.
GASTSPIEL. Georg Kreislers Musical für eine Frau mit Herren- und Klavierbegleitung, unter der Girlande von herrlichen Chansons zwischen Melancholie und Nonsens ein veritables Selbstporträt, hat seit 1971 schon viele Interpretinnen gelockt. Ursprünglich für Österreichs Brettl-Diva (und damals zudem Kreisler-Ehefrau) Topsy Küppers in Wien geschrieben, war HEUTE ABEND: LOLA BLAU auch im Großraum Nürnberg bereits in zwei Produktionen (Marita Kral in den Kammerspielen, Jutta Czurda im Stadttheater Fürth) ein stets biegsam mit dem Profil der singenden Darstellerin verbundener Erfolg. Atischeh Hannah Braun ist die Protagonistin der neuesten Inszenierung, die 2015 im Theater Ansbach entstand und für drei Abende im Gostner gastiert.
Termine: 24. bis 26. November im Gostner Hoftheater.
GOSTNER HOFTHEATER
Austr. 70, Nürnberg
gostner.de
TAFELHALLE
PREMIERE. Neulich habe ich in der Tafelhalle nach langer Zeit wieder „Macbeth für Anfänger“ von Thalias Kompagnons gesehen, wo Kasper und Krokodil aufmüpfig nach der großen Klassik greifen – und war erneut begeistert. Der liebevolle Umgang mit den boshaften Puppen ebenso wie der geistreiche Witz ihrer Dialoge sind unvergleichlich und stehen für Figurentheater, das seine eigene Welt erschaffen hat. Nun folgt der nächste Streich dieses Basispersonals, der mehrere Kulturpreisträger zusammenführt. Autor Marc Becker, während seiner Erlanger Jahre mit dem Nürnberger Förderpreis ausgezeichnet und inzwischen in Norddeutschland daheim, schrieb KASPER IN TEUFELS KÜCHE ODER DAS GEHEIMNIS DER SCHLECHTEN LAUNE, eine Vorlage für die Kompagnons Tristan Vogt (Spiel) und Joachim Torbahn (Regie und Ausstattung). Sie wurden mit dem großen Preis der Stadt Nürnberg ausgezeichnet und haben in „Zauberflöte – eine Prüfung“ einen international gefeierten Dauerläufer. Im neuen Stück ist der Höllentrip zwischen Lebensüberdruss und Großmutters Pfannkuchen angekündigt („Man muss im Leben wählen zwischen Langeweile und Leiden“, heißt es da), was beiläufig den Begriff der Küchenphilosophie neu definiert.
Premiere: 10. November, weitere Termine 11., 12., 13. November, dann wieder ab 9. Dezember in der Tafelhalle.
PREMIERE. Es geht um die Kontrolle des Körpers, wenn SHELL SHOCKER seine drei Performance-Solisten auf die Bühne wie Spielfiguren auf ein Brett wirft. Natürlich ist es eine Metapher fürs Leben mit Machtgefühl und Scheitern, Kontrollverlust und Hoffnung. Nächstes Spiel, neues Glück? Aber was tun, wenn sich die Figuren nicht mehr einfach in den Karton wegpacken lassen, weil sie im Computer hausen? Choreographin Eva Borrmann (zusammen mit Evelyn Hornberg und Johannes Walter auch im Ensemble-Trio) und ihr Projekt PLAN MEE verfolgen zur Musik von Wolfgang Eckert weiter die Phänomene gesellschaftlicher Gewalt.
Termine: 24., 25., 26. November in der Tafelhalle.
TAFELHALLE
Äußere Sulzbacher Str. 62, Nürnberg
tafelhalle.de
KÜNSTLERHAUS
PREMIERE. Schockierend ist die Geschichte zweifellos, fast so sehr wie die Wirklichkeit. Im Roman von Carlos Eugenio Lopez und dem daraus entstandenen Theaterstück ABGESOFFEN wird von zwei Auftragskillern erzählt, die arabische Flüchtende in der Badewanne ertränken und dann zur Abschreckung in die Meerenge von Gibraltar werfen. Im eiskalten Dialog fragen sie sich allen Ernstes, ob ihre Opfer überhaupt Menschen sind. Das Buch ist im Jahr 2000 erschienen und könnte doch direkt auf 2016 gezielt sein.
Anna-Lena Kühner, die im Neuen Museum mit „Nipple Jesus“ kürzlich einige Besucher aufregte, inszeniert mit Jean-Paul Baeck und Robert Oschatz im Künstlerhaus.
Termine: 17., 18. November, dann wieder 15., 16. Dezember im Festsaal Künstlerhaus.
KUNSTKULTURQUARTIER
Königstraße 93, Nürnberg
kunstkulturquartier.de
POCKET OPERA COMPANY NÜRNBERG
PREMIERE. Der französische, bis in gar nicht so fern zurückliegende Wunschkonzertzeiten mächtig populäre Komponist Adolphe Adam, den man heutzutage noch durch eine Tenor-Arie aus „Der Postillon von Lonjumeau“ kennt, hat 1852 für die Pariser Opernszene glatte 16 Jahre vor „Meistersinger“-Schöpfer Richard Wagner (und noch viel länger vor dem Franken-Tatort) das fränkische Nürnberg als Schauplatz entdeckt: „La poupée de Nuremberg“ erzählt bedingt messetauglich mit gebührender Arienverzierung vom Spielwarenfabrikanten, der eine Puppe als Lebensgefährtin schaffen will. Es stehen also E.T.A. Hoffmann, Jacques Offenbach und Beate Uhse als Paten bereit, wenn die experimentierfrohe Pocket Opera Company in gewohnter Frechheit eine Neubearbeitung von Mundart-Poet Helmut Haberkamm (siehe „Ka Weiber, ka Gschrei“ dazumal in Erlangen) unter dem freudig kalauernden Titel DOLLS TOY – DIE NÜRNBERGER PUPPE realisiert – natürlich in musikalischer Special-Fassung von Franz Killer, diesmal für die wundersame Begegnung von Flöte, Trompete, Schlagzeug, Cello und Kontrabass. POC-Mitbegründer Peter B. Wyrsch, nach seinen Regie- bzw. Intendanz-Wanderjahren vom westfälischen Münster bis ins Schweizer Biel-Solothurn nach Nürnberg heimgekehrt, inszeniert im gruftigen Szene-Club „Der Cult“ an der Stadtgrenze nach Fürth. Für Atmosphäre ist also gesorgt, die Eroberung eines weiteren Spielortes kann beginnen.
Premiere: 6. November, weitere Aufführungen: 7., 8. und 13. bis 15. November im Club „Der Cult“, Dooser Straße 60, Nürnberg,
Karten unter
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oder Telefon 0911/329047.
POCKET OPERA COMPANY
Rollnerstraße 110a, Nbg
pocket-opera.de
THEATER SALZ & PFEFFER
GRUSEL: Mit Partnern aus München und Ingolstadt haben Wally und Paul Schmidt das Geschöpf, das schon durch so viele schlafraubende Romane und Filme geisterte, noch einmal neu geschaffen. In FRANKENSTEIN bastelt der überehrgeizige Student Victor Frankenstein aus totem Material ein lebendes Wesen, das als „Monster“ in die Geschichte eingehen wird. Beim Spiel der großen Puppen in Partnerschaft mit ihren menschlichen Piloten wird die traurige Liebessehnsucht der Gruselfigur gezeigt, auch der vergebliche, wahrhaft ungeheuerliche Versuch, den „Vater“ im verrückten Forscher zu finden. Nico Nesyba live am Cello begleitet das Drama an der Gänsehaut entlang mit dem passenden Klang.
Termine: 4., 5., 11. bis 13., 18., 19. November im Theater Salz + Pfeffer.
THEATER SALZ UND PFEFFER
Frauentorgraben 73, Nbg
salzundpfeffer-theater.de
STADTTHEATER FÜRTH
MONEY MONEY. Wer die Endlosschlange der „ZDF Disco“-Wiederholungen auf dem eingestellten Kulturkanal schon vermisst, kann sich live trösten. Ilja („Hallo, Freunde“) Richter spielt Theater und hat mit Markus Majowski einen als erheiterndes TV-Gesicht registrierten Partner, der auch schon mal im Kreuzgang von Feuchtwangen den Kleist‘schen Dorfrichter Adam gab. Die Aufführung der Komödie DER KREDIT von Jordi Galceran kommt aus der Boulevard-Manufaktur am Berliner Kurfürstendamm, wo die Geschichte um einen eigentlich biederen Bank-Filialleiter und seinen aufdringlich nach Krediten verlangenden Kunden im Vorjahr zu „fintenreichen Hase-und-Igel-Rennen in ständig wechselnden Rollen“ aufdrehte. Am Kudamm wurde viel gelacht. In Fürth kommt der Nachschlag, dort ist Tournee-Premiere.
Wer das notleidende Finanzsystem breitspuriger auslachen will, findet in Ulf Schmidts SCHULD UND SCHEIN. EIN GELDSTÜCK noch mehr Anlässe. Jochen Schölch vom oft angenehm überraschenden Münchner Metropoltheater inszenierte die musikalische Karikaturen-Revue, in der die Verschleierungstaktik der Geldjongleure vom ersten Zins bis zur heutigen Bankenkrise als großer Witz der Weltgeschichte entlarvt wird.
Termine: DER KREDIT 11., 12. November. SCHULD UND SCHEIN 18., 19. November im Stadttheater.
MAMBO & TANGO. Temperament als gefragter Exportartikel: Mit dem Gastspiel der 1959 gegründeten Compagnie DANZA CONTEMPORANEA DE CUBA, die Stücke wie „Reversible“, „Mambo 3XXI“ und „Tango Cubanos“ mitbringt, bestätigt das Fürther Theater seine Sonderstellung als Anziehungspunkt für erstklassiges internationales Tanztheater. An fünf Abenden ist die choreographische Auslese-Sammlung aus Havanna zu sehen.
Termine: 29. November bis 3. Dezember im Stadttheater.
STADTTHEATER FÜRTH
Königstr. 116, Fürth.
stadttheater.fuerth.de
THEATER ERLANGEN
COMEBACK: Ursprünglich ein autobiografisch gefärbter Roman des außergewöhnlichen Schauspielers Josef Bierbichler ist die Bühnenfassung von MITTELREICH so etwas wie das Jahrhundert-Bild im Generationensprung geworden. In der Tiefe der Provinz blockiert das Schicksal die Träume vom anderen Leben. Spröde Poesie des elegischen Blicks und des kantigen Worts, in der Erlanger Inszenierung als Einladung für fortgeschrittene Zuschauer, die sich auf etwas mehr Irritation als sonst einlassen können.
Termine: 20., 21. November im Markgrafentheater.
WEITER IM SPIELPLAN: Im Retro-Look der 1950er-Jahre wird Max Frischs Nachkriegs-Klassiker BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER werktreu aufgeführt. Der allzu brave Bürger, der sich vor lauter Verständnis den Kriminellen ins eigene Haus holt, könnte wie ein sächsischer Schachtelteufel in der aktuellen Tagesschau auftauchen. Solche (zugegeben: etwas plumpen) Parallelen zur Gegenwart möchte die Erlanger Regisseurin dem aufgeklärten Zuschauer überlassen, sie bastelt liebevoll mit Nostalgie-Requisiten.
Das Erlanger Langstreckenprojekt bleibt im Spielplan: Die esprit- & poesiegeladene Theater-Adaption von Goethes Briefroman DIE LEIDEN DES JUNGEN WERTHER durch Eike Hannemann (das ist jener, der die Nürnberger mit „Winnetou“ beglückte) ist wieder in der Garage zu sehen – und mit Mario Neumann hat sie einen in Mattglanz-Melancholie strahlenden Titelhelden.
Termine: BIEDERMANN 12., 13. November im Markgrafentheater. WERTHER 14.,15. November in der Garage.
GASTSPIEL. Eine aus Träumerei und Realität versponnene Geschichte vom jugendlichen Franz Huchel, der im Jahr 1937 aus dem Heimatdorf nach Wien flieht, um so etwas wie das Glück zu suchen. Als er dort, tagsüber Azubi im typisch österreichischen Tabakhäuschen, vorerst mal nur die unglückliche Liebe findet, sucht er Hilfe bei einem schrulligen Kunden, dem alten Professor Freud. Der berühmte Psychoanalytiker im Ruhestand ist liebenswert, aber in solchen konkreten Herzensbelangen auch ratlos. Im kleinen feinen Roman DER TRAFIKANT des wunderbaren Robert Seethaler („Ein ganzes Leben“) taucht die Zeitgeschichte wie eine Drohkulisse auf, hinter der alles Gefühl zeitweilig entsorgt wird. Hans-Ulrich Beckers Theaterfassung der Landesbühne Esslingen, wo Friedrich Schirmer Intendant ist, gastiert in Erlangen.
Termin: 18. November im Markgrafentheater.
GASTSPIEL. Er war bis Anfang der 1930er-Jahre ein international gefeierter Entertainment-Meister, der die schwerfällig gewordene Wiener Operette in verführerisch funkelnde Revue-Höhen klettern ließ. Paul Abraham, aus dessen Nachlass Titel wie „Blume von Hawaii“, „Ball im Savoy“ und „Viktoria und ihr Husar“ auch nach dem Krieg wieder verfilmt wurden und bis heute wegen ihrer Verbindung von Gassenhauern mit Zeitzeugnis manchmal sogar Schauspiel-Ensembles reizen, musste vor den Nazis fliehen und den tragischen Niedergang seines glanzvollen Lebens im Exil durchleiden. Das Comeback bis zum Tod 1960 erreichte die frühere Dynamik nicht mehr. TV-Star Jörg Schüttauf spielt ABRAHAM im Stück von Dirk Heidicke, das die Hamburger Kammerspiele produzierten. Und da mischen auch die unverwelkbaren Hits von damals mit.
Termin: 23. November im Markgrafentheater.
THEATER ERLANGEN
Theaterplatz 2, Erlangen
theater-erlangen.de
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