Andreas Radlmaier im Gespräch mit: Wolfgang Haffner
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Er kommt mit Marmorkuchen von der Confiserie Neef zum Gespräch. Eine spontane Entscheidung als Beigabe zum Interview-Kaffee. Spontanität, Kurzentschlossenheit und Improvisationslust kann man Wolfgang Haffner auch sonst nicht absprechen. Mit diesen Fähigkeiten – neben einem außergewöhnlichen, musikalischen Talent und freundlicher Zielstrebigkeit – hat sich der vielfach preisgekrönte Jazz-Schlagzeuger und Komponist in die Oberliga der internationalen Musikszene gespielt. Haffner ist Vielflieger und Vielmacher, seit geraumer Zeit wieder mit Basislager in Altdorf. Am 6. August ist er musikalischer Leiter des Open Air „Stars im Luitpoldhain“, bei dem er während der „Night of Jazz and Soul“ prominente Weggefährten wie Till Brönner, Wolfgang Niedecken und Thomas Quasthoff versammelt. Am 2. und 3. November stellt er mit eigener Band sein neues Album „Kind of Spain“ in der Tafelhalle vor.
A.R.: Kannst Du Dich an den 9. August 2015 erinnern?
WOLFGANG HAFFNER: An dem Tag hatte ich einen der größten Auftritte meines Lebens.
A.R.: Du spielst auf die Zuschauerkulisse bei den „Stars im Luitpoldhain“ an besagtem Abend an?
WOLFGANG HAFFNER: Nicht nur. Ich war ja auch mit den Fantastischen Vier auf Tournee bei großen Open Airs, auch mit Konstantin Wecker – durfte es also schon erleben, vor so vielen Menschen zu stehen, beziehungsweise zu sitzen. Aber wenn man von der künstlerischen Seite her federführend ist und man spürt, wie ein Konzept aufgeht und dich dabei auch noch über 40.000 Menschen auf Händen tragen – das war etwas ganz Besonderes. Das Projekt war ja mit heißer Nadel gestrickt, und wir hatten alle keine Ahnung: Wie viele Menschen kommen eigentlich? 10.000, 20.000 wären schon ein Riesenerfolg für uns gewesen. Und dann strömen sie plötzlich in den Luitpoldhain ein. Es werden mehr und mehr. Dann diese Sternspeier vor der Bühne, diese Verzücktheit. Das war ein Moment der Glückseligkeit.
A.R.: Ist das mehr als subjektive Wahrnehmung?
WOLFGANG HAFFNER: Unbedingt. Jeder, und wirklich jeder, kam an diesem Abend zu mir und sagte: „Bitte, bitte, wenn ihr das noch mal macht, lasst mich wieder dabei sein, ich sage jeden Urlaub, jeden Job dafür ab.“ Das ist schon ein geiles Gefühl.
A.R.: Die Euphorie ist hörbar nicht abgeebbt.
WOLFGANG HAFFNER: Sie ist immer noch da. Was sich geändert hat: Man hat dieses Konzert im Rücken und die damit verbundene Erwartungshaltung. Ich werde wegen „Stars“ immer noch in Nürnberg auf der Straße von wildfremden Menschen angesprochen.
A.R.: Ach was?
WOLFGANG HAFFNER: Ja, sie versichern mir, das war eines ihrer Highlights im Leben und dass sie sich so auf dieses Jahr freuen. Der Erwartungsdruck ist also da. Und damit die Frage: Wann ist so ein Abend ein Erfolg, wann ist er ein Misserfolg? Macht man ihn an Zahlen fest? Musikalisch setzen wir, glaube ich, sogar noch eins drauf. Ich konzentriere mich immer auf das Bestmögliche.
A.R.: Wie gehst Du also ran an so eine Fortsetzung?
WOLFGANG HAFFNER: Erstens: Man darf sich nicht wiederholen. Sicher, wir werden das Rad nicht neu erfinden, der Rahmen ist ja in gewisser Weise gesetzt: Wir haben Gäste und eine Big Band und Songs, die durch die Auswahl der Gäste gesetzt sind. Aber wir wissen durch das letzte Mal, wo man an der Dramaturgie ansetzen kann. Wie kann man die Musiker mehr zusammenbringen, Schnittmengen kreieren? Wie wird das Opening, was wird das Finale? Da sind wir seit Wochen am Überlegen. Dieses Tuning ist äußerst spannend. Und ich unterstelle mal, dass vieles noch runder wird. Das letzte Mal haben wir zum Beispiel mit zwei Solisten erst bei extremer Hitze nachmittags auf der Bühne geprobt. Und jeder saß auf der Stuhlkante.
A.R.: Die Solisten-Auswahl 2017 ist richtig verwegen: Till Brönner, der für Smooth-Jazz steht, Wolfgang Niedecken als Kölsche Rock-Markierung, Thomas Quasthoff als Klassik-Superstar, Stefanie Heinzmann als schillernde Soul-Figur. Für Spartendenker ist das ziemlich verwirrend.
WOLFGANG HAFFNER: Das ist doch wunderbar, oder? Wenn man fünf Leute fragt, wird man fünf unterschiedliche Konstellationen haben. Der eine will einen Rapper dabei haben, der andere einen HipHopper, der dritte gar nichts, der vierte will nur Rock. Ich finde die Reibung viel interessanter. Till Brönner hat auf den ersten Blick mit Wolfgang Niedecken wenig zu tun. Aber Brönner hat zum Beispiel auch jetzt auf den letzten Alben von Udo Lindenberg gespielt. Brönner kommt wie Niedecken aus dem Rheinland, beide sind gestandene, große Musiker, die aufeinander eingehen werden.
A.R.: Kernidee von „Stars“ ist ja, dass der Gastgeber Bühnenbegleiter, auch Freunde, einlädt. Sind Künstlerfreunde wahre Freunde?
WOLFGANG HAFFNER: Es gibt welche.
A.R.: Auf der Bühne sind doch alle Freunde …
WOLFGANG HAFFNER: Da kann ich schon unterscheiden. Und ein Quasthoff zum Beispiel hat ein Konzert wie „Stars“ auch nicht nötig. Wenn ich eine Anfrage für ein großes Konzert bekomme und weiß, dass das eine blöde Band ist, würde ich auch nicht hingehen. Wir hegen zumindest große Sympathien füreinander. Und man will an etwas Besonderem teilhaben. Das hat sich national auch herumgesprochen. Das Format erscheint ja zunächst mal nicht neu, aber als Ganzes entwickelt das Konzept eine erstaunliche Eigendynamik.
A.R.: Künstler treibt immer wieder die Sorge um, in naher Zukunft nicht mehr im Geschäft zu sein. Kennst Du solche Sorgen?
WOLFGANG HAFFNER: Hatte ich einmal. Das war 2000, da kam ich nach acht Monaten Tournee zurück, im Dezember, nach 280 Tagen unterwegs auf der ganzen Welt, und hatte völlig vergessen, dass im kommenden Halbjahr nichts anstand. Ich hatte mich auch nicht darum gekümmert, weil ich nur mit den laufenden Konzertreisen beschäftigt war. Am Ende standen fünf Monate ohne Konzerte. Das war kurz bevor ich meine eigene Band gründete.
A.R.: Dein Arbeitspensum ist bei Musikerkollegen gefürchtet. Weißt Du das?
WOLFGANG HAFFNER: Nee, aber ich kann‘s mir vorstellen, dass andere nicht das Tempo haben. Ich mache aber insgesamt weniger, habe mein Studio aufgegeben und konzentriere mich mehr auf‘s Live-Spielen. Und da sind es 2017 vielleicht 80 Konzerte, lass es 100 sein. Und ich sage Anfragen ab.
A.R.: Du kannst Nein sagen?
WOLFGANG HAFFNER: Und wie! Das habe ich gelernt. Konnte ich früher gar nicht.
A.R.: Du bist immer noch Dein eigener Manager, oder?
WOLFGANG HAFFNER: Ja, aber ich habe Leute um mich herum, die ich als Projektleiter hinzuziehe.
A.R.: Du willst immer die Kontrolle?
WOLFGANG HAFFNER: Mehr denn je. Ich habe gemerkt: Man muss alles selber machen. Ich investiere in mich selbst.
A.R.: Misstrauisch?
WOLFGANG HAFFNER: Nein, ich misstraue Leuten, die ihre Aufgaben nicht korrekt erledigen, die für sich selber arbeiten, aber nicht für den Anderen. Und ich mag Schludrigkeit nicht. Das kann ich nicht ausstehen!
A.R.: Selbermachen als Selbsterkenntnis. Hast du etwas falsch gemacht in Deinem Leben?
WOLFGANG HAFFNER: Musikalisch gar nichts. Wie weit kann ein Bub‘ aus Wunsiedel kommen, der in einigen der größten Tonstudios der Welt war, mit einigen der größten Musiker spielen durfte. Dass ich jetzt weniger mit anderen spiele, ist eine klare Entscheidung: Ich will mein eigener Herr sein. Natürlich war die letzte Tournee mit Al Jarreau klasse. Aber ich bekomme viele solcher Angebote.
A.R.: Welches Verhältnis hast Du zu Flugzeugen?
WOLFGANG HAFFNER: Ein sehr gutes. Nachdem ich im Flugzeug schlecht schlafe, lässt sich da Vieles erledigen und Neues, auch Musik andenken.
A.R.: Wo bist Du zuhause?
WOLFGANG HAFFNER: In der Welt. Die Wurzeln sind eindeutig in Franken.
A.R.: Wäre das Wohnmodell von Udo Lindenberg – also ein Leben im Hotel – etwas für Dich?
WOLFGANG HAFFNER: Wenn die Hotelsuite so eingerichtet ist, wie ich das will, dann ja. Aber dann kann ich mir auch eine Wohnung einrichten. Das Hotel passt zu Udo, ich bin schon eher bodenständig.
A.R.: Du hast das Basislager wieder in Franken, in Altdorf, hast also den Hauptwohnsitz Ibiza aufgegeben. Warum das?
WOLFGANG HAFFNER: Ich habe es einfach umgedreht: Bislang war ich mit Sack und Pack auf Ibiza, jetzt ist es anders herum.
A.R.: Also Wintersonne auf Ibiza, Sommer in Franken?
WOLFGANG HAFFNER: Genau.
A.R.: Und warum wieder Nürnberg?
WOLFGANG HAFFNER: Ich habe kurzzeitig überlegt, nach Berlin zu gehen, wo mir eine Professur angeboten wurde, habe mich aber darauf besonnen, was ich will. Ich habe meine Freunde hier, meine Bekannten. Das ist einfach Heimat hier.
A.R. Du hast Dich vom Hausstand nahezu befreit. Warum das?
WOLFGANG HAFFNER: Ich hatte auf Ibiza eine bemerkenswerte Begegnung mit dem Jazzpianisten Joachim Kühn, der mir erzählte, dass er zwei Koffer besitze: Einen für Musik und Bücher, einen für Kleider. Das empfand ich als nachahmenswertes Modell. Das habe ich übernommen. Es ist ein wahnsinnig befreiendes Gefühl.
A.R.: Das neue Album „Kind of Spain“ könnte eine Hommage an die bisherige Wahlheimat Ibiza sein.
WOLFGANG HAFFNER: Jedes Album ist ein Zeitabschnitt. Und „Kind of Spain“ fasst den Stand Januar 2017 zusammen. Da ist alles drin, was mich ausmacht. Nicht kalkuliert, das kommt einfach so raus. Die Themen sind dieses Mal eben spanischer Natur. Es ist ganz viel Platz in der Musik. Ich habe ein Rezept erneut angewandt: Eine Nummer halb so schnell zu machen. Folglich haben wir „Spain“ als Ballade gemacht. Den Zuhörer einfach mitnehmen auf die Welle. Es ist auch wichtig, das Album von vorne bis hinten zu hören. Mein Bestreben ist mehr und mehr – auch im Alltag – , den Fluss des Lebens abzubilden.
A.R.: Du warst beim Hamburger Elb-Jazz-Festival als Moderator im Einsatz. Wie kam’s denn dazu?
WOLFGANG HAFFNER: Meine Agentur, Karsten Jahnke, organisiert das Elb-Jazz. Und sie wollte nach ihrer Aussage noch einen namhaften Musiker als Moderator (vermutlich haben sie keinen anderen bekommen).
A.R.: Hast Du das schon mal gemacht?
WOLFGANG HAFFNER: Bei eigenen Konzerten halt.
A.R.: Machst du das gerne?
WOLFGANG HAFFNER: Sehr, sehr gerne mittlerweile. Moderieren ist eine gute Schule.
A.R.: Wir beide haben in den letzten 30 Jahren schon viele gemeinsame Interviews geführt. Gibt Dir das noch was?
WOLFGANG HAFFNER: Was?
A.R.: Dich mit mir über den Stand der Dinge und Musik zu unterhalten.
WOLFGANG HAFFNER: Durchaus. Was soll ich jetzt auch anderes antworten. Nee, Quatsch, du schaffst es immer wieder, Fragen anders zu stellen, das finde ich interessant und inspiriert mich bei meinen Antworten.
A.R.: Mehr „Fishing for compliments“ geht echt nicht, oder? Nochmals zu unserer üblichen Rollenverteilung: Ich frage, Du antwortest. Drehen wir das Ganze doch mal um: Was wolltest Du denn mich schon immer mal fragen?
WOLFGANG HAFFNER: Wie Du auf die Idee mit „Stars im Luitpoldhain“ gekommen bist?
A.R.: Auch eine gute Frage.
WOLFGANG HAFFNER: Die ich nie beantworten konnte.
A.R.: Grundsätzlich glaube ich ja schon, dass Nürnbergs Kulturszene unterschätzt wird. Das Licht und der Scheffel, Du weißt schon. Dabei sind gerade auch im Jazzsektor die Qualitäten und Karriereradien höchst beachtlich. Da fand ich den Gedanken reizvoll, einen in Franken verwurzelten Musiker, der nachweislich in der Welt unterwegs ist und einen offenen Horizont hat, als Zeremonienmeister ins Zentrum eines Abends und einer Konzeption zu stellen. Am besten Konzertabende, bei denen sich Stilgrenzen etwas aufheben, wo sich Jazz, Pop und Soul, vielleicht auch mal Klassik und Elektronik umarmen dürfen. Und damit war „Stars im Luitpoldhain“ als sinnvolle – wie ich finde – Ergänzung zum Klassik Open Air geboren.
FOTOS: CRISTOPHER CIVITILLO. www.cris-c.de
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FÜR NÜRNBERG: WOLFGANG HAFFNER
Er ist einer der prominentesten Musiker Frankens und gilt als „Deutschlands coolster Schlagzeuger“ (ARD). Am 5. August ist er das dritte Mal seit 2011 Gastgeber bei „Stars im Luitpoldhain“, dieses Mal unter dem Motto „A Night of Jazz and Soul“. In Wunsiedel als Sohn eines Kirchenmusikdirektors geboren, wuchs er in Mittelfranken auf und war schon als Teenager Profimusiker. In seiner fast 35-jährigen Karriere spielte er mit der Crème de la Crème der bekanntesten Jazzmusiker, u.a. war er 2016 noch mit Al Jarreau auf Europatour. Obwohl im Jazz verortet, sind ihm Schubladen völlig fremd. Deshalb gehören Die Fantastischen Vier und die No Angels genauso zu den Künstlern, mit denen er spielte, wie Gitarren-Gigant Pat Metheny, Hildegard Knef, Klaus Doldinger, Nightmares on Wax und Klassik-Star Thomas Quasthoff. Mit seinem offenen Verhältnis zu Pop, Rock und Electro ist er nicht nur immer hervorragend gefahren, sondern auch Nürnbergs führender Drum-Experte, der neben vielen anderen Preisen auch 2014 den Großen Preis der Stadt Nürnberg erhielt. Haffner spielte hunderte von Studioalben ein, Tourneen führten ihn mehrfach um die ganze Welt, er ist als Komponist, Bandleader und Produzent im Einsatz. Seinen Hauptwohnsitz hat er mittlerweile wieder von Ibiza nach Altdorf verlegt.
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FÜR CURT: ANDREAS RADLMAIER
Andreas verantwortet u.a. das Bardentreffen,Klassik Open Air, Stars im Luitpoldhain ...
Als Leiter des Projektbüros im Nürnberger Kulturreferat ist Andreas verantwortlich für o.g. Festivals, sowie für die Entwicklung neuer Formate wie Silvestival, Nürnberg spielt Wagner und Criminale – Formate, die curt journalistisch begleitet. Andreas ist seit über 30 Jahren in und für die Kulturszene tätig. Studium der Altphilologie, Englisch, Geschichte. Bis 2010 in verantwortlicher Position in der Kulturredaktion der Abendzeitung Nürnberg. 2003: Kulturpreis der Stadt Nürnberg für kulturjournalistische Arbeit und Mitarbeit an zahlreichen Publikationen.
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